Donnerstag, Juni 19, 2025

homeschooling

Ein seltsames Gefühl. Seit drei Monaten der erste Tag zu Hause. Stimmt natürlich nicht ganz, aber gefühlt schon. Jedenfalls so mitten in oder unter der Woche. Kein Bikefahren nach Thamel. Kein Language Hub. Kein Sprachunterricht in einer völlig beliebigen und in die Irre führenden Transkription. Ich weiß nicht, was ich mit mir anfangen soll und trabe schließlich gegen Mittag, als es am Schreibtisch unter dem Dach unerträglich heiß wird, fröhlich um den Häuserblock in den Pool. Vorher präge ich mir die ersten 5 Konsonanten ein. Ich mache brav alles, was mir mein morningteacher aufträgt. Sich kurz konzentrieren, die 5 Konsonanten einprägen, mit Artikulation (ka, kha, ga, gha, nga - ja! das sind die ersten 5 Konsonanten des nepalesischen Alphabets, die erste Linie, die ersten 4 werden von 4 Positionen aus untereinander immer tiefer aus der Kehle heraus geholt, der 5. oben aus der Nase). Dann eine Stunde lang das Hirn ausschalten. Lesen, Lachen, Trampolinspringen, Einkaufen, Kochen. Oder eben: Schwimmen. Danach hinsetzen und homework: Die 5 Konsonanten aufschreiben, auf einer Linie von vorne bis hinten, auf der nächsten von hinten bis vorne. Schreiben und sprechen. Wiederholen, bis eine Seite im Heft voll ist.

Pünktlich um halb fünf geht ein gewaltiges Gewitter nieder. Es ist die Zeit, zu der ich in den letzten drei Monaten immer hinten auf einem Biketaxi saß. Auf meinen genau einhundert und achtzehn Fahrten quer durch die Stadt, hin und her, bin ich ein einziges Mal bis auf die Haut nass geworden. Zwei Fahrten - die zählen zusätzlich, also die 119. und 120. - unternahm ich angesichts krachenden Un-Wetters lieber in einem Autotaxi. Sonst ist tatsächlich nichts Erwähnenswertes passiert. Der Verkehr in Kathmandu funktioniert im wahrsten Sinne des Wortes reibungslos.

Mittwoch, Juni 18, 2025

Nachwuchs

Die meisten Katzen sind aus der Siedlung verschwunden. Warum auch immer. Wohin auch immer. Tom kommt und geht, sieht zerzaust und verlaust aus, bleibt oft tagelang weg. Also hat er keinen Hunger. Wenn er da ist, bekommt er Futter. Das weiß er mittlerweile. Ich habe das Gefühl, dass er einsam ist. So ganz allein. Kürzlich sah ich zwar eine seiner stahläugigen Schwestern, aber sie machte wie immer einen großen Bogen um unser Haus. Heute früh, auf dem Heimweg vom Laxmibaum, mit einem Beutel voller grüner Maldas (die besten Mangos der Welt!) in der Hand kam sie gerade aus dem Vorgarten der Nachbarn. Hinter ihr eine pelzige Kugel, wackelig auf den Pfoten und noch schüchterner als die Mutter! Was ich immer schon vermutete, oder worüber ich mich ständig wunderte. Warum diese wilden Katzen auf dem Hill sich nicht explosiv vermehren. Seit 7 Monaten das erste Kätzchen! Mama ließ sich in meinen Hinterhof locken und fraß freudig Toms Frühstück auf. 

Dienstag, Juni 17, 2025

Ochs und Eule

Goru ra Ullu. Guru ist der Lehrer, Goru der Ochse. Goru werfen die Gurus in Nepal ihren Schülern als Schimpfwort an den Kopf. Du dummer Ochse, du! Du fauler Ochse und so weiter. Auch die Eule wird in diesem Zusammenhang gerne quer durch das Klassenzimmer bis in die hinterste Ecke geschleudert. Als Wort, versteht sich: ullu. Eulen - Ullus gelten hier als hinterlistig, träge und verschlafen. Auf dem Hill kommt das Anfangs-U von ullu am frühen Morgen als einer der dreizehn Vokale in mein Schreibheft. Mitten hinein. Mein Guru lässt mich noch einmal alle Vokale von hinten aufsagen und aufschreiben. Das Ullu-U steht unverändert mittendrin.  

Das würde nicht vielen gelingen, sagt er, diese volte rückwärts. Ich nehme es als seine Freundlichkeit. Ich kann auch rückwärts laufen und trainiere regelmäßig rückwärts zählen. Mittlerweile auch in nepali. In Europa, sage ich, tragen wir Eulen nach Athen oder schuften wie ein Ochse. Ochsen mögen einfältig sein, aber sie sind stark. Eulen sind klug und weise, gehören natürlich auf den Olymp, als Attribut der Göttin Athene. Mittlerweile zieren sie jeden zweiten Buchladen in jeder Kleinstadt, jeden Buchverlag und sozusagen jedes Lesezeichen. Eulen sind nachtaktiv wie Leseratten. So weit komme ich aber nicht mit meinem Latein. Weder in nepali noch in english. Denn jetzt gerade, wenn wir unsere Stunde anfangen, verstecken sich die Ullus in den dicht belaubten Bodhibäumen rund um die Tempel und schließen die gelben Eulenaugen. Sie schlafen den Schlaf der Gerechten, bis es wieder dunkel wird. 

Montag, Juni 16, 2025

Alphabetisierung

Es ist nie zu spät und nie zu früh. Mit dem neuen Monat Asar, seinem zweiten Tag, einem Sombaar (Montag), nach meinem freien Aytabaar (Sonntag), beginnen pünktlich um 6 am die Privatstunden unter dem Dach. Ich habe mir ein White Board ins Haus liefern lassen, mit Duster and Marker. Mein neuer Lehrer muss zuerst Nägel in die Wand schlagen und nun lerne ich lesen und schreiben. Jeden Tag von 6 - 7 am. Es ist nie zu spät und nie zu früh. 
Dies ist meine erste Lektion. 12 Vokale. Den Dreizehnten brauche ich nicht zu lernen, da er nur im Namen eines Heiligen vorkommt: Risi (ऋषि)
Aber meinen eigenen Namen lerne ich schreiben und fühle mich ein bisschen wie die afghanische Mutter auf Hooge im Winter 2016. 


Sonntag, Juni 15, 2025

Regen

Der erste Asar. Seit dem frühen Morgen ergießen sich Sturzbäche über mein Dach. Als ich mich in der Nacht auf den warmen Boden auf dem Dach legen wollte, vertrieben mich sofort ein paar zaghafte Tropfen. Ich wollte nichts riskieren und ging also brav ins Bett. Die Regentropfen fallen hier viel größer und mächtiger vom Himmel und entwickeln sich flott zu Sturzbächen. Nun kann ich nicht einmal zu meinen Laxmibaum laufen. Ich bleibe also brav zu Hause und schließe alle Fenster. 

Samstag, Juni 14, 2025

gate - taarikh

kati gate ho oder kati taarikh ho? Das ist hier die Frage. Es gibt nicht nur verschiedene Wörter für die verschiedenen Zeiten und Dimensionen. Es gibt auch verschiedene Wörter für das Wort Datum. Will ich sagen, dass heute der letzte Tag des Monats Jeth nach der neuen Schreibweise (Jestha nach der alten) ist - kann ich das natürlich nicht, weil mir das Vokabular und der syntaktische Verstand fehlen. Will ich aber nach dem heutigen Datum fragen, kann ich das und beherrscho sogar beide Varianten: "aaja kati gate ho?" erfragt das Datum im nepali calendar. Darauf lautet die korrekte Antwort: "aaja jethko 31 gate ho". Heute ist der 31. Jeth [des Jahres 2082]. Hingegen fragt: "aaja kati taarikh ho" nach dem Datum in der westlichen Welt. Darauf antworte ich wahrheitsgetreu: "heute ist der 14. Juni [2025]". Der zweite Tag des Monsuns. Freitag der Dreizehnte ist spurlos vorübergezogen. Ich habe auf dem Dach geschlafen. Sonne seit dem frühen Morgen. Zeit für die Waschmaschine. 

Freitag, Juni 13, 2025

bistarai, bistarai

Offiziell fängt heute der Monsun an. Einen Freitag den Dreizehnten kennt man hier nicht, heute ist der 30. Jeth. Niemand ist in diesem Land abergläubisch. Alle glauben nur an ihre Götter. Seit dem Unwetter am Dienstag hat es kaum mehr geregnet. Die neuen Bäume pflanze ich trotzdem am Morgen in der schwülen Hitze ein. Schweißgebadet. Ab dem Mittag ist lang anhaltender Regen angesagt. 

Tatsächlich muss ich am Nachmittag zum ersten Mal einen gadichalak rufen, einen Cardriver und in dessen Car-Taxi durch den strömenden Regen nach Thamel fahren. Ein zwar trockener, aber langweiliger letzter Schulweg. Ich habe schon viele heiße Tränen vergossen, weil mit dem letzten Schultag im language hub in Thamel mein schon zur Sucht gewordenes Bikefahren durch die Stadt überflüssig wird. Pranai bringt zum Abschied bistarai bistarai (slowly, slowly ...) und verweist auf Fuzzscape. Mit deren productions kann ich durchs ganze Land reisen. In entlegendste Täler vorstoßen und vergessene Gesänge und Instrumente (wie die Sarangi) kennenlernen. Im Trockenen, an meinem Schreibtisch, schwitzend unter dem Dach. Pranai unterbricht meine Träumereien und erklärt mitten in der Stunde strahlend: I have good news, we will have 3 more classes ... jede Träne überflüssig und jeder Abschied ein Hohn! Kein Regen auf dem Heimweg. Ich verpflichte black&red Hero für eine weitere halbe Woche. Sombar, Mangalbar, Budhabar

Donnerstag, Juni 12, 2025

ho oder cha

Ich lege heute so etwas wie eine Prüfung ab, da morgen mein letzter Schultag ansteht und die Freitagsstunde traditionell vor dem Wochenende mit Musik endet. Ich muss 8 Fragen verstehen und beantworten. Die sieben Wochentage aufzählen, vier Farben nennen, drei Tiere, zwei Vögel, den Titel eines Songs, den ich gehört und den Titel eines Buches, das ich gelesen sowie die Namen der Bäume, die ich in meinen Garten gepflanzt habe. Alles in vollständige Sätze einpacken und aufschreiben. Zum Schluss bekomme ich den Tipp, auf den ich seit bald drei Monaten warte. Auf viele Fragen bekamen wir immer die Antwort "das kommt später" - nun ist später vorbei. Nach einem Substantiv kommt "ho", nach einem Adjektiv "cha": yo kitab ho - dies ist ein Buch. Aber: yo kitab naya cha - dies ist ein neues Buch. Warum auch immer. Gestern war ich schwimmen, sage und schreibe ich als Zugabe: hijo maile paudi kelnae. Aber heute war ich nicht schwimmen: aajo mo paudi kheldina. Auch das Personalpronomen passt sich dem Tempus an. Ich in der Vergangenheit ist beileibe nicht das Ich der Gegenwart. 

Mittwoch, Juni 11, 2025

Erdbeermond

Die Erdbeerzeit ist hier längst vorbei. Wir essen nun Litschis und Mangos. Am Abend warten wir auf dem Dach vergeblich auf den rosigen Mond. Das kommt vor, dass der Mond sich verweigert. Es ist bewölkt aber warm. Ich schlafe schwer und traumlos draußen, immer noch erschöpft von der gestrigen Feuertaufe. Dem ersten Höllenritt durch den Monsun.

Dienstag, Juni 10, 2025

Thukpa

Die Schwüle ist unerträglich unter dem Dach. Ich versuche es nun mit AC (air condition). Mir ist es sofort zu kalt. Also schalte ich wieder aus. Dass ist mit sofort wieder zu heiß. Wechselbäder. Schweißausbrüche. Zum Language Hub bringt mich zum ersten Mal ein electric bike. Geruhsam ohne Geräusche, aber keineswegs langsamer. Rajesh erklärt mir am Abend, die seien nur für den Stadtverkehr geeignet. Er fährt mit seiner Hero schon mal weit nach Westen ins Dorf seiner Eltern. Oder nach Pokhara. Mit Frau hinten und girlchild vorne auf dem Tank. Erst wenn sie schläfrig werde, komme sie in die Mitte. In die Arme der Mutter, an den Rücken des Vaters. Ich ermahne ihn, typisch Oma, dem Kind einen Helm zu kaufen.

Unser Heimweg dauert. Deshalb haben wir Zeit für Omaratschläge. Den ersten Wolkenbruch warten wir in der Brötchen Bakery ab. Mein driver löffelt eine Thukpa und ich schlürfe meinen Americano. Es ist dunkel, bis der Regen in Lazimpat nachlässt. Rajesh sagt, sein energy level sei nun high. Das ist auch gut so, denn wir fahren nach Norden direkt in das nächste Unwetter hinein und sind nach 5 Minuten bereits bis auf die Haut nass. Was an Wasser nicht vom Himmel fällt, trifft uns von unten und von allen Seiten. Noch einmal eine Pause einzulegen, macht keinen Sinn. Der Regen flutet die Straßen und füllt alle Schlaglöcher. Ich sitze blind hinten auf der Hero und vertraue blind meinem Fahrer. Er setzt mich sicher vor der Haustür ab und rauscht nach Hause.

Montag, Juni 09, 2025

Karnali blues

Wir wissen es beide nicht so genau, weil es niemand so genau nimmt. Aber vielleicht hat heute meine letzte Schulwoche begonnen. Wir sind fleißig, Pranai und ich. Mehr sind nicht übrig geblieben. Die Eine ist in London, die Andere auf Bali, die Dritte hat keine Lust. Ich lerne auf Nepali zu sagen, wann wir geheiratet haben. Das ist ein wahres Meisterstück, die Zahlen sind wie Genickschüsse: Hamro bihe unaisae toryan nabae sal ma bhayo

Ich lasse mir weitere Lektüreempfehlungen geben. Karnali blues von Buddhisagar. Muss ich bestellen. Ich stoße in moderne, schnelle Zeiten vor. Nach Hause bringt mich eine rote TVS, da red&black Hero pausiert. Auf der Lazimpat fragt der driver höflich "are you ok with the speed?" Ich bin natürlich mittlerweile ganz andere Tempi gewohnt und kann über eine solche Frage an die hinten aufsitzende Oma nur noch lachen. Bin trotzdem nach 21 Minuten am Ziel, weil wir auf einer grünen Welle über die Ringroad und ihre Schlaglöcher zuckelten und ruckelten, ohne eine einzige Sekunde zu verlieren.    

Sonntag, Juni 08, 2025

Europa

Vor einem Jahr bin ich zum letzten Mal nach Europa zurückgekehrt. Heute wandere ich durch den halb helvetischen GATE-Garten in Madikhatar, lasse mir zwei Kaffeepflanzen geben und ein paar Küchenkräuter. Es regnet seit Tagen nicht und die Hitze macht zu schaffen. Ich kann die Pflanzen nicht einpflanzen, ich schlafe auf dem Dach und mein Kreislauf ist im Keller.

Samstag, Juni 07, 2025

litchi

Litchi, saftig und zuckersüß, am Stiel, mit frischem Grün von einem fliegenden (das Lastenfahrrad schiebenden), sehr dunkelhäutigen Händler auf der Golfutar gekauft. Früher kauften wir Litchis im chinesischen Supermarkt am Alex. In Dosen oder Gläsern, in Zuckersirup eingelegt. Natürlich ohne die harte Schale, schneeweiß und butterweich. Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob mit oder ohne den glänzenden harten Kern. Später gab es Litchis in regelmäßigen Abständen im Sonderangebot. Bei allen Discountern Ditmarschens. Reihum. Auch in Gläsern oder Dosen. Auch aus China. Da kaufte ich sie bereits nicht mehr.

Nun trage ich ein ganzes Bündel nach Hause, frisch vom Baum.  

Freitag, Juni 06, 2025

chata

Dies ist ein Beispiel dafür, welche verschlungenen Wege neue Wörter in meinem Kopf nehmen. Chata ist die polnische Hütte, eine Berghütte oder so etwas wie Kater Toms Hütte unter meiner Außenspüle. Die Redewendung czym chata bogata ... zieht weitere Kreise. Gość w domu, Bóg w domu. Und so weiter. Und so fort. Zielt mitten ins Herz der polnischen Gastfreundschaft. In Nepal ist chata der Regenschirm. Oder Sonnenschirm. Die Menschen fürchten hier nichts so sehr wie die Sonne. Pranai schrieb uns schon vor längerem den Satz an die Tafel: hamile chata garmi ra pani parnae mahinama chalauchau. We use the umbrella in the wet and in the hot months. Regen ist immer noch nicht in Sicht, aber der Mond wird voll und voller. Im heutigen Freitagssong schmachtet das lyrische Ich nach seiner unerreichten Liebsten. Unter anderem schwört er ihr Yo barkha urli aauda Timi mero chata. Wenn der Monsun kommt bist Du meine Hütte - eben nicht! ... bist du mein Schutz und Schirm. Mein Regenschirm! Romantik pur. Ich verschlafe die hellen und trockenen Nächte auf dem Dach. 

Donnerstag, Juni 05, 2025

indreni

Kaum schreibe ich ein Wort in mein Schulheft, erscheint es am Himmel. Den ersten Regenbogen in Nepal sehe ich heute auf dem Heimweg. Hinten auf Hero, black & red, den Kopf hoch erhoben. Der Himmel ist klar, sauberer als die Luft. Geregnet hat es, während ich im Schulzimmer saß. Kaum verlasse ich es, scheint noch einmal die Sonne, ehe sie aufgibt und untergeht. Und indreni - der Regenbogen, was für ein ehrwürdiges Wort! - wölbt sich zu meiner Rechten fast auf der ganzen Strecke von unten nach oben und von oben nach unten.

Mittwoch, Juni 04, 2025

Im Zug der Zeit

Ein Sprung in die Vergangenheit: am 4. Juni 1989 hatte ich Beijing mit dem kärglichen Rest der Reisegruppe bereits verlassen. Wir saßen fröhlich in der Transsibirischen Eisenbahn und ließen uns westwärts schaukeln. W war mit dem größeren Teil der Gruppe schon vor Tagen in Berlin Schönefeld gelandet und saß in Berlin Wedding fassungslos vor dem Radio. Das waren noch Zeiten. Ob und wie uns die Nachrichten im fahrenden Zug erreichten, weiß ich nicht mehr. In Moskau traf ich Leo, soviel ist gewiss. Und in Warschau meinen Meister. In Berlin verpasste ich den Nachtzug nach Basel. Das waren noch Zeiten. Heute ist in meiner Küche auf dem Hill der Topf unter den Dämpftöpfen vollkommen verkohlt. Ich hatte kein Wasser nachgefüllt, als ich nach den Momos auch noch vier Yomaris zum Nachtisch aufsetzte. Es gibt hier keine Rauchmelder, es hat sich gar kein Rauch entwickelt. Die Küche ist nicht abgebrannt. Nothing happened, nur einer der drei Kochtöpfe ist nicht mehr zu gebrauchen, don't worry. Zwei tun's auch. 

Dienstag, Juni 03, 2025

Blue Mimosa

Ich habe eine sternenklare Nacht auf dem Dach verbracht. In sämtlichen Neuanschaffungen wunderbar geschlafen. Kein Tropfen Regen. Am Morgen laufe ich zu Books Mandala und kaufe Blue Mimosa. Originaltitel: Shirishko phool - das sind die wunderbar blauen Blüten der Jacarandabäume, die die pre-monsoon-Schauer längst heruntergefegt haben. Regenlektüre. Die Autorin schrieb unter dem Pseudonym Parijat. Ihr bürgerlicher Name steht auf dem Buchdeckel. Bishnu Kumari Waiba. Sie ist seit über 30 Jahren tot, also gibt es keine Geheimnisse mehr. Sie gilt als die erste moderne Autorin und schrieb die rührendste Liebesgeschichte der nepalesischen Literatur. Hab ein bisschen Schnupfen und Halsweh. Also auch Bettlektüre. Und wenn ich will, kann ich mir das Original zum Einschlafen vorlesen lassen.

Montag, Juni 02, 2025

Sithi Nakha

Die Newari hatten gestern einiges zu tun. Sie feierten nämlich auch Sithi Nakha und putzten Brunnen, spülten Wasserhähne und Wasserleitungen durch, Schnabelspeiende Götter uä. Damit vor dem Regensegen alle Wasserkanäle frei und sauber sind. Hier kann man zugucken.

Ich putzte auch - ohne um die Aktualität zu wissen. Holte aus dem Ablauf auf der Dachterrasse einen halben Eimer Sand und Dreck. Den letzten Rest der Handwerker. Nun hat das Wasser freie Bahn und der Monsun kann kommen. Seit sein Beginn offiziell erklärt wurde hat, ist kein Tropfen Regen gefallen.

Und nein, zum bösen Erwachen in Polen sage ich nichts. Co kraj, to obyczaj. Jedes Land bekommt den Präsidenten, den es verdient.

Sonntag, Juni 01, 2025

Bhoto Jatra

Nein, für mich beginnt heute kein neuer Monat. Ich werde fortan nach dem Nepali Calendar BS (Bikram Sambat) leben und bin mitten im Monat Jeth oder Jestha. Zu Ehren des Regengottes Matsyendranath oder Macchindranath oder Bundga Dyah in Newari ist heute Sonntag, Jeshta 18 des Jahres 2082 in Kathmandu, und nur hier, public holiday: Botho Jatra. Hindus, Buddhisten und Newari feiern das Fest der Veste oder des Unterhemds. Oder der Wagenprozession. Wie immer ist alles so verworren, dass ich nichts nacherzählen muss, was in einschlägigen Nachschlagewerken nachgeschlagen werden kann. Zum Beispiel hier, mit einem überzeugenden Bild des perlenbestickten Hemdchens. 

Geregnet hat es den ganzen Tag nicht, es war sehr heiß und ich im Pool.

Samstag, Mai 31, 2025

badal

Kürzlich lernten wir das Wort für Wolken: badal. Es ist fast gleichlautend mit dem Wort für Affe: badar. Kaum hatte ich die beiden Wörter in mein Schulheft geschrieben, entdeckte ich auf dem Heimweg auf den Stromleitungen über der Golfutar eine im Abendlicht turnendende Affenbande. Kaum hatte ich zu Hause mein Anki (Sprachlernprogramm) auch noch mit badam (Erdnüsse) und hade badam (Mandeln) gefüttert, ist es heute offiziell: der Monsun hat vorzeitig begonnen. Die Wolken sind vorletzte Nacht von Osten in den Himmel über dem Land eingezogen, 15 Tage zu früh. Vor der Zeit, vor dem Plan - ahead of schedule oder talika bhanda agadi. Gestern und heute hat es bei uns auf dem Hill tagsüber gar nicht geregnet und in der Nacht nur wenig. Der Regen beginnt im Osten, sagen die Monsunbeobachter und Wettervorhersager, und braucht voraussichtlich etwa eine Woche, um das ganze Land zu versorgen. 

Schlimmer sind die Prognosen: rund 2 Millionen Menschen (1,997,731) aus 457,145 Haushalte sollen durch Monsunschäden wie Erdrutsche und Überschwemmungen beeinträchtigt werden. Die Tarai-Provinz Lumbini wird am stärksten betroffen sein, gefolgt von Bagmati (das sind wir, the Capital City und Umgebung), Gandaki, Koshi, Madhesh, Sudurpaschim und Karnali. Die NDRRMA - National Disaster Risk Reduction and Management Authority - teilt in ihrem Bericht für die genannten Provinzen genaue Zahlen mit, man bereite sich auf worst case Szenarien vor (das kennen wir nun aus dem Lötschental). Starkregen, Sturzfluten, Landerosionen. Nach einem zu warmen Winter und zu trockenen Frühling.

Freitag, Mai 30, 2025

chhoto puchchhre samundri chara

Der 900. Vogel ist in Nepal eingetroffen! Ein Seevogel im Himalay, gesichtet schwimmend im Terai, im Flachland. Der Kurzschwanz-Sturmvogel tummelte sich am 2. Mai vormittags vergnügt im Koshi Staudamm in Saptari in der Provinz Lumbini. Bei seinen "typical water activities" wurde er von einem Ornithologen etwa eine halbe Stunde lang beobachtet, bis kein Zweifel mehr bestand: es ist ein Seevogel! Nun ist chhoto puchchhre samundri chara der 900. Vogel im ornithologische Register Nepals. Sein schöner Namen lehnt an die englische Bezeichnung an: short-tailed shearwater und ich kann ihn sprachlich stolz und restlos aufschlüsseln: chhoto = small, short; pucchar = tail; samundri nach samudra = ocean, sea;  chara = bird. Also short tailed sea bird, Kurzschwanzseevogel. Vereinfacht für Sturmtaucher oder Sturmvogel. Ohne Sturm und trotzdem very easy oder dherai sajilo.

Donnerstag, Mai 29, 2025

Ganatantra Diwas

Tag der Republik. Feiertag. Public holiday. Oder kein Feiertag. No public holiday. In Erinnerung an die konstituierende Sitzung vom 28. Mai 2008, die dem 240-jährigen Himalaya-Hindu-Königreich ein würdevolles oder kein würdevolles Ende bereitete. Alles ist möglich und heute weiß niemand, wann der Tag eigentlich gefeiert wird, ob heute oder gestern oder gar nicht. Ganatantra Diwas war schon vor einem Jahr, als ich zum ersten Mal nepalesischen Boden betrat. Auch wir sind damals am 28. aufgebrochen und am 29. angekommen. Weil wir, wie gesagt, in die Zukunft flogen. Ganatantra Diwas ist vielleicht so etwas wie der Tag der Zukunft. Noch gestern konnten uns im Language Hub niemand sagen, ob heute Unterricht ist oder nicht. Wie so oft ernte ich herzliches Lachen, wenn ich eine ernsthafte Frage stelle. Sie sagten, sie würden sich an keine Kalender halten. Niemand weiß, ob heute eine Militärparade stattfindet oder nicht. Ob die Monarchisten marschieren, oder die Maoisten, ob gemäßigte Kräfte oder ungemäßigte. Ob die Sttraßen frei sind oder gesperrt. Ob es regnen wird, oder nicht, und falls ja, wie heftig und wie lange. Nichtsdestotrotz feiern wir, W und ich, auf dem Dach mit Kaffee und Kuchen, in der größten Mittagshitze, wie immer, unsere bescheidenen Erfolge und Misserfolge.

Gestern bin ich auf dem Heimweg mit meinem chalak auf der Hero so verhagelt worden, wie noch nie. Ungefähr zeitgleich mit der Eis- und Gerölllawine, die Blatten im Lötschental verschüttete. Wir hatten beide nichts dabei, und die Gegenfahrbahn blieb staubtrocken. Bis ich vor dem Dragon vom Hintersitz abstieg, waren auch meine Klamotten im warmen Fahrtwind wie tumblergetrocknet. Trotzdem bestellte ich "hot water", denn heißes Wasser tut immer gut. Aber der neue Keller wollte oder konnte es absolut nicht verstehen, bis ich es ihm, von google übersetzt, in Nepali auf meinem Smartphone zeigte: tato pani.

Mittwoch, Mai 28, 2025

chalak

Vor einem Jahr habe ich Dithmarschen zum ersten Mal Richtung Kathmandu verlassen. Traf mit 40 Kilogramm Gepäck meinen Gatten nach 10 Jahren Trennung in Hamburg am Flughafen und wir steuerten unsere gemeinsame Zukunft an. 

Heute weiß ich, was Pilot auf Nepali heißt - Pilot ist ein driver, wie mein Bikefahrer oder Ws Taxifahrer, ein Flussschifffahrtskapitän oder einfach Bootsführer: chalak.

Der Pilot steuert sein Gefährt durch die Luft, ist also ein hawai jahaj chalak - von hawai = wind und jahaj = Fahrzeug oder Schiff. Der Taxifahrer ist ein gadi chalak - von gadi = Auto. Mein personal driver ist selbstredend ein motorcycle chalak. Ich könnte ihn auch etwas gestelzt dui pangrae chalak nennen, das tut aber kein vernünftiger Mensch! Von dui = 2 und pangrae = Rad. Der motorisierte Zweiradfahrer. Oder korrekter der Fahrer eines motorisierten Zweirads. Oder onomatopoetisch bhatbhate chalak - der Brummbrummdriver.

Dienstag, Mai 27, 2025

Neumond

08:47 local time. Neumond. Ich bin pünktlich zurück vom Laxmibaum, dem frisch ergrünten Bodhibaum, dem Shivatempel, meinem Qigong, meiner Meditation, meinen Gedanken am Morgen. Aussortiert und wohlgeordnet. Nun kann alles von vorne neu anfangen.

Verheiratete Hindufrauen feierten gestern Vata Savriti. Sie versammeln sich um einen Banyanbaum, umwickeln den Stamm mit Baumwollfäden, beten und fasten bereits seit drei Tagen für die Gesundheit und ein langes Leben ihrer Ehemänner und Kinder. Heute dürfen sie wieder essen. 

Montag, Mai 26, 2025

Rollentausch

Nicht nur Bäume nehmen plötzlich ein anderes Wesen an. Ich fuhr heute happy nach zwei Tagen Abstinenz hinten auf einer Benelli (hatte ich noch nie!) durch die Stadt. Sehr viel Verkehr, die Fahrt dauerte so lang wie noch nie. Trotzdem war ich pünktlich im Language Hub. Aber Pranai, unser Lehrer nicht! Er nennt sich "guru", obwohl es gleich mehrere nepalesische Wörter für Lehrer im Sinne von Education gibt - siksak oder pradhyapak. Guru ist nicht nur in meinem Kopf eher der spirituelle Führer und geistige Lehrer als Vokabeleinpeitscher. Wie auch immer. Im Hauptberuf ist Pranai Arzt und in dieser Funktion ist er heute unserem Sprachunterricht ferngeblieben. Er konnte das Krankenhaus nicht rechtzeitig verlassen, ob aufgrund eines Notfalls oder falscher Schichtplanung, weiß ich nicht. 

Ich kontaktierte meinen personal driver. Der übt tagsüber einen Officejob aus. Zeichnet tricks am Bildschirm. Schreibt I will come, maam. Dieses maam versuche ich ihm seit Tagen auszutreiben. Er solle mich beim Vornamen nennen. Schließlich bin ich auch artist.

Der driver ist kein driver, der guru kein guru, die maam keine maam. Der Baum ein Strauch und der Kaffee Passion. 

Sonntag, Mai 25, 2025

Passion

Immer, wenn es regnet, denke ich an meine Bäume. Nun sagt der Gärtner, der verhindert war und den driver schickte zum Einpflanzen, dass der Kaffeebaum ein Passionsfruchtbaum sei. Und das Internet sagt, der Passionsfruchtbaum sei gar kein Baum, sondern eine Kletterpflanze. Ein Strauch genauer gesagt, der Rankhilfe brauche. Einen Kaffeebaum könnten wir aber auch noch bekommen, verspricht der Gärtner. Das heißt, dass der Baumschüler, der als Kaffeepflanze meinen Garten betrat umgesetzt werden muss, denn er besetzt den Platz - im Schatten eines anderen Baumes - den der Kaffeebaum bevorzugt und kann sich selbst an dieser Stelle, Regen hin oder her, als wild wuchernder Strauch gar nicht entwickeln. 

Samstag, Mai 24, 2025

Muna Madan

Samstag. Feiertag. Frei-Tag. Ich lese endlich Muna Madan. Fange noch einmal von vorne an und lese, während es regnet ohn' Unterlass, auf dem Sofa in einem Schwung. Traurig. Am Ende. Romantisch zwischendurch. Und unverständlich. Natürlich gibt es viele wunderschöne Sätze, die wahrscheinlich im Original noch poetischer sind als im schroffen Oxford-Englisch. Aber die Geschichte ist nicht hieb- und stichfest erzählt, es sind nicht alle Ritzen zugekittet. Warum stirbt Muna, bevor Madan nach Hause zurückkehrt? Die Mutter liegt auf dem Sterbebett, erkennt ihren spät Heimgekehrten Einzigen Sohn rechtzeitig vor dem letzten Atemzug. Aber die Geliebte, Muna, die Schwiegertochter und Ehefrau ist bereits nicht mehr. Mit einem Satz dahingerafft: Poor Muna turned blue all over within seconds. Mit einer Frage alleingelassen: how could the city wretch fabricate a letter saying Madan was dead? Ich verstehe das nicht. Mir erschließt sich die Logik nicht. Danach seitenweise das Jammern des Unglücklichen, der unterwegs seine Zeit vertrödelte und die Liebe leichtsinnig aufs Spiel setzte. Mit Geschäftemachen und Goldscheffeln. Krankheit und Genesung. Der, zu spät zurückgekehrt nicht den Mut hat, ihr sofort zu folgen mit Gift, sondern es vorzieht an gebrochenem Herzen eines natürlichen Todes zu sterben, nach weiteren langen 159 Versen. Endlich! 

Freitag, Mai 23, 2025

Der rote Regenschirm

Die einzige Person, die hier bisher offen von monsoon spricht, ist eine Mitarbeiterin des zum Cafè Soma gehörenden Shops. Ich stehe mit ihr ziemlich lange vor der verschlossenen Toilettentür an, im Trockenen wohl bemerkt, aber rund um uns herum staut sich das Wasser bereits knöcheltief und der Regen rauscht unvermindert laut und heftig auf das schmale Dach über uns. Wir fragen uns beide, was eine Frau eigentlich so lange hinter dieser Tür tun kann, wechseln aber schnell das Thema und kommen auf das Naheliegende: das Wetter. Sie fragt mich, wie mir der monsoon in Nepal gefalle. Ich weiß wirklich nicht, was ich sagen soll. Solange ich ein Dach über dem Kopf habe ... Bisher hatten alle, wirklich alle meine Gesprächspartnerinnen unisono bestritten, dass es sich bei den derzeitigen unwetterartigen Regengüssen um monsoon handele. Nein, der beginnt erst am 13. Juni. Was jetzt vom Himmel fällt, ist einfach Regen. Manchmal begleitet von Blitz und Donner. Also Gewitter.

Dieser Regen ist so einfach, dass die Kellnerin galant mit einem riesigen roten Regenschirm bedient, Tische abräumt und säubert, und den Schirm in Bedienpausen an Gäste ausleiht, damit die einigermaßen trocken vom Gartentisch zum Wagen gelangen. Das Café Soma ist, wie so viele dieser Einrichtungen, eine reine outdoor-Gaststätte mit ausladenden Pflanzen, schattenspendenden Bäumen und blühenden Blumen, wilden Blätterdächern sowie einem handfesten Blechdach. Darunter trinken wir unseren Expresso aus und stöbern, bis der Regen nachlässt und von der Shopkeeperin dazu ermuntert, im Innenbereich im nicht kulinarischen Sortiment herum, kaufen zwei Bücher und endlich die in unserem Haushalt noch fehlende tissue box, ecofriendly crafted with natures touch by native tribes and local women in Nepal.

Donnerstag, Mai 22, 2025

Cha-Am

Wir haben alle die Angewohnheit, nett zu sein. Solange es folgenlos bleibt. Es regnet jetzt immer nachts, so dass auf dem Dach schlafen keine Option ist. Tom ist nach Tagen der Abwesenheit verletzt wiedergekommen. Die Tochter der Nachbarin hat ihn auf der lauten Golfutar herumstreunen gesehen. Wahrscheinlich ist er einer Verehrtesten nachgestiegen. Das kommt davon, wenn man geschützte Räume verlässt. Er hat gefressen und danach fast den ganzen Tag in seiner Box unter der Außenspüle verschlafen. Seit heute früh beißen sich ganz dünne aber nicht minder fleißige Ameisen durch einen winzigen Spalt in der Holztür von der Terrasse in den trockenen Hausflur hinein. Der Strom fällt ständig aus und das Internet stolpert. Wir sind müde und erschöpft, essen Momos und überlegen uns ernsthaft, ob wir in Urlaub fahren sollen. Ausgerechnet nach Cha-Am, aus gerechnet zum Beginn der monsoon saison.

Mittwoch, Mai 21, 2025

ne baani cha

Ich kenne mittlerweile auch alle Tankstellen auf meinem Schulweg. Alle driver müssen irgendwann den Tank ihrer Bajaj, Maruti Suzuki Alto oder TVS auffüllen. Mache fragen höflich, ob sie tanken dürften (wird erwartet, dass ich die Frage verneine?). Andere kündigen freundlich an, dass sie gleich die Straße zur Tankstelle queren müssten. Ich sage immer kehi chaina - no problem. Das Auftanken verläuft zügig, und ich bin nie in Eile. Einer füllt, der andere kassiert. Das Problem stellt sich anderswo. Auf dem Heimweg nach einer anstrengenden Nepalistunde über diverse Verbanhängsel wie ne bichaar cha (thinking of plan, for example: khanebichaar cha - I or we think of eating, jaanebichaar cha - I or we think of going, sutnebichaar cha - I or we think of sleeping. Aber: filim hernebichaar chaina - we don't think of watching the movie) ist red&black Hero mitten auf der Strecke stehen geblieben mit einem sogar für mich eindeutigen Seufzen. Die Tankstelle in Panipokhari liegt weit hinter uns und die in Budhanilkanta weit vor uns. Mein personal driver hat seine Hero vorsorglich rechtzeitig nach links außen manövriert. Er kennt sie besser als ich und lacht natürlich auf meine Frage, ob wir jetzt die schwere Maschine schieben müssten. Nein, nein! Sie läuft tatsächlich nach kurzer Pause artig wieder an, wie er das zustande gebracht hat, verstehe ich natürlich nicht. Ich verstehe vieles nicht in diesem Land und hatte noch nie in meinem Leben mit Motorrädern zu tun. 

Er ist artist, Zeichentrickfilmkünstler, trägt heute bunte geschlossene Schuhe und Strümpfe! Auch nach Sonnenuntergang noch seine blau verspiegelte Sonnenbrille. Er steuert nun die mir bekannte nächste Tankstelle an und fragt mich, ob ich ihm with petrol helfen könne. Ich verstehe die Frage richtig und kann. Ich will ja nach Hause kommen. Er auch. Ich frage mich nur, wie er das Problem ohne mich hinten aufsitzendes grammatikalisches Anhängsel gelöst hätte. Wir lernten nämlich heute auch verb + ne baani cha = has the habit of: ramailo garne baani cha. Ich habe die Angewohnheit, nett zu sein.

Dienstag, Mai 20, 2025

Gartenschere

Auch für unsere Zukunft besorge ich mir auf der Golfutar eine Gartenschere und Gartenhandschuhe. Die Gartenschere bekomme ich dort, wo ich das erste Katzenfutter gekauft hatte. Den Shop hatte ich damals als Tierapotheke eingeordnet. Es gibt Hundeleinen, Fellbürsten, Vogelkäfige, Gießkannen, Säcke voller Samen oder Dünger, jede Menge Medikamente nicht für Menschen und eben: eine erstklassige Gartenschere. Mit austauschbarer, präzisionsgeschliffener Hartstahlklinge für saubere Schnitte, ein Gelenkschmiedestück, Chromnickel in Seidenglanzausführung bietet ausgezeichnete Abriebbeständigkeit, arretierbar mit einem praktischen Schlaufenriege. Alles in korrektem deutsch auf der Verpackung, wiewohl made in China. Die Gartenhandschuhe hingegen, erklärt mir der Shutterkeeper, bekäme ich im plastic shop. Das ist in gewissem Sinne sogar logisch, denn üblicherweise sind die aus Kunststoff gefertigt. Trotzdem laufe ich zurück zu dem Mann, der mir kuttokodalo verkauft hatte, also alles andere als einen plastic shop führt. Der zieht tatsächlich einen linken und einen rechten orangen Gartenhandschuh aus einem riesigen Sack voller oranger Gartenhandschuhe. Und ich laufe happy zurück in meine guarded community auf dem Hill.      

Montag, Mai 19, 2025

Karesa bari

Auch die Gärten haben vielfältige, für mich leider schlecht memorierbare Namen. Pranai hat mir, aus aktuellem Anlass und weil mehrere Stunden hintereinander auf mich allein herabfielen, er also nur mich zum Reden motivieren konnte, das Wort bagaicha beigebracht. Im Satz mero bagaichama anjir ra cofeeko rukh cha. In meinem Garten steht ein Feigenbaum und ein Kaffeebaum. Das ist höhere Poesie! Das an den Garten angehängte -ma ist ein Anhängsel, deren es wirklich wunderliche gibt. Und Namen für die Gärten und Bäume auch. Karesa bari ist der Hausgarten, also der Garten um das Haus herum, auch ghar bagaicha (ghar ist das Haus), goth bari, kothe bari, dumna oder berabari und so weiter und so fort. Ziergärten gibt es wohl keine in Nepal, weil alles seinen Nutzen hat in diesem Land. Blumengärten auch nicht, weil Blumen überall in Töpfen herumstehen, auf den Dächern, auf den Terrassen, den Hauswänden entlang und bei der Hitze ständig mit dem Gartenschlauch gewässert werden müssen. Aber es gibt den Küchengarten, der im Gegensatz zum Hausgarten nur für die Küche oder die Köchin da ist, diese beiden aber nur saisonal mit Gemüse und Kräutern versorgt. Das verstehe ich natürlich nicht. Der Hausgarten  hingegen soll dem ganzen Haus und all seinen Bewohnern das ganze Jahr über Proteine, Vitamine und andere nutritional needs, wie ich lese, liefern.

Sonntag, Mai 18, 2025

Nachtgespräche

W's Flug war verspätet, so dass er erst nach Mitternacht ankam. Ich hatte schon geschlafen, stand aber wieder auf. Wir saßen bis um 2 Uhr auf der Dachterrasse. Es war angenehm kühl. Wir sahen den Mond aufsteigen und tranken ein Glas Hoya de Cadenas, Cava brut. Unser Ritual zum 17., diesmal erst am 18. Den Cava brut hatte ich gestern früh auf der Golfutar besorgt, zusammen mit kutto kodalo sowie zwei pot pads, heat proof, damit ich mir beim Momo-Dämpfen nicht wieder die Finger verbrühe. Ich trage liebend gerne Unzusammenhängendes in einer Tasche nach Hause. Unsere Investitionen in die Zukunft. Unsere nunmehr 8 Monate Kathmandu, unsere beiden frisch gepflanzten Bäume, die schon nächstes Jahr Früchte tragen sollen. Auch aus grünen Kaffeebohnen können wir unseren eigenen Kaffee zubereiten. Am Morgen sehen die Bäume glücklich aus, wenn es in der Nacht regnet. Tom ist nicht in seiner Hütte und verzichtet auf sein Frühstück. Ich steige auf das Trampolin und trainiere mein Gleichgewicht. W schläft den Schlaf des Gerechten. Er war mir in den letzten Tagen ein paar Stunden voraus und ist nun wieder resettet. 

Samstag, Mai 17, 2025

kutto kodalo

Zur Feier des Tages kaufe ich für unsere Zukunft in diesem Land ein(en) kutto kodalo. Ich wusste nicht, wie das Werkzeug heißt, an dem nun kein Weg mehr vorbei führt. Ich muss es haben! Ich fragte die Hilfsgärtnerin gestern, wo ich das herbekomme. Sie wusste es nicht, riet mir aber, zu einem Metallwarenhändler zu gehen. Der würde es, falls er es nicht hat, an Ort und Stelle herstellen. Leider vergaß ich sie zu fragen, wie es heißt, das Ding oder Zeug. Das wusste sie vielleicht auch nicht. Der Hauptgärtner, ihr Gatte, war verhindert. Und die Bäume eingepflanzt hat ihr driver, wie jeder driver ein freundlicher und hilfsbereiter Mensch, vielseitig einsetzbar. Er hat W. und mich schon oft zum Flughafen gefahren oder dort abgeholt.

Der machte auch die Fotos, die ich später am Tag bekam, gemacht wie für die Presse: Zwei weißgewandete Frauen mit lackierten Zehennägeln lassen den Wurzelballen eines Feigenbaums in ein vorgefertigtes Erdloch sinken. 

Auf allen Fotos ist - Shiva sei Dank! - auch das Hexenwerkzeug oder die Wunderwaffe kutto kodalo zu sehen. Also lief ich heute früh nach meiner QiGong-Meditation unter dem Laxmibaum auf die Golfutar und zeigte dem Shutterkeeper meines Vertrauens das mit den Fingern auseinandergezogene Detail eines Bildes meiner Smartphonegalerie. Er schüttelte den Kopf und zeigte auf die andere Straßenseite. Wie immer muss ich höchstens eine viel befahrene Straße überqueren - und das hatte ich früh gelernt! Vor fast genau einem Jahr in Lalitpur! - um mein Ziel zu erreichen. Mittlerweile kennen mich alle, auch die, bei denen ich zum ersten Mal vorspreche. Man sieht mich und wundert sich nicht über meine Wünsche. So etwas Unentbehrliches braucht natürlich jeder Mensch in Nepal, auch in der Hauptstadt!         

Kutto ist ein traditionelles, eher kleines Hand-Werkszeug. Die Bäuerinnen lockern damit im Garten die Erde auf. Kodalo ist so etwas wie der größere Bruder, (dai unter den Menschen), hat vorne eine breite Kante, damit kann man oder frau im nu richtige Löcher ausheben. Und Bäumepflanzen zum Beispiel. Mein kutto-kodalo ist die Verschmelzung der beiden. Im wahrsten Sinne des Wortes. Das ist so raffiniert, wie vieles in diesem Land. Man braucht nur ein Ding mitzunehmen aufs Feld oder in den Garten. Auf der einen Seite die Spitze, auf der anderen die Hacke. Es liegt schwer und gut in der Hand! Jetzt muss ich nur noch lernen, barfuß in slippers im Garten zu arbeiten, ohne mir den Fuß aufzuschlitzen. 

Freitag, Mai 16, 2025

anjirko rukh

Freitag ist Zeit für Pflanzenpoesie. Die jungen Bäume kamen zu Zweit. Jeder mit einem bereits kräftigen Wurzelballen. Rechtzeitig vor dem Siebzehnten.

Der eine will im Schatten des anderen wachsen. 

Kaffeebaum (kaphiko rukh) und Feigenbaum (anjirko rukh).

Außerdem am Pfeiler (nicht im Bild) eine Kletterrose und Zitronengras.

Donnerstag, Mai 15, 2025

Ice Funeral

Auch im Himalaya sterben die Gletscher. Der Yala Gletscher in Langtang hat seit 1970 zwei Drittel seiner Masse verloren, seit 1974 steht er unter ständiger Beobachtung der Wissenschaft. Nun haben die Buddhisten das Requiem für ihn abgehalten. Ice Funeral - Eisbestattung. Feuerbestattung wäre zynisch. 

Auch der Everest beklagt bereits Tote. Im Camp IV starb an Erschöpfung oder Selbstüberschätzung ein Filipino. Er gilt nun als das erste ausländische Bergsteigeropfer dieser Saison. Ein trauriger Superlativ. Auch zwei Sherpas sind bereits umgekommen, aber die kommen in eine andere Statistik. Arbeitsunfall. 

Auch meine Statistik weist erbärmliche Fehldeutungen auf. Während der ersten vier Wochen fand mein Nepali for foreigners-Unterricht in Thamel von 1-2 pm statt. Ich hatte keine Chance, über inDrive meinen now personal driver zu buchen. Denn der geht zu dieser Tageszeit seiner Hauptbeschäftigung im Filmstudio nach. Ab der 5. Woche, also seit dem 21. April lernen wir zu einer kühleren Stunde, von 5-6 pm. Am 12. Schultag nach der Verlegung fuhr ich zum ersten Mal auf Black Hero nach Hause. Ergänzend - oder die Statistik um einen Tag erleichternd - kommt dazu, dass ich am 30. April mit meiner australischen Klassenkameradin nach einer frustrierenden Stunde zum dinner ging. Wir mussten unsere wirren Gedanken sortieren und ich bestellte mein Bike erst spät zu stockdunkler Nacht. Da parkte die Black&Red Hero bereits irgendwo und ihr artist-driver hatte anderes zu tun, als durch die Stadt zu brausen. Er wiegte seine Tochter in den Schlaf mit purzelbaumschlagenden Muskelprotzen auf grünen Wiesen vom winzigen Smartphonebildschirm. 

Ich kann bei inDrive meine history abrufen, jede Minute Fahrt mit Maschinentyp und -Farbe, Kennzeichen, Status des Fahrers, Foto und Fahrpreis. Wie lange das alles gespeichert bleibt, weiß ich nicht. In meinem Fall seit Anbeginn, seit ich eine nepalesische Telefonnummer nutze. Trotzdem steigt unsere Überlebenschance nicht. Die Dauerüberwachung rettet weder das ewige Eis noch schützt sie vor Fehltritten.

Mittwoch, Mai 14, 2025

outdoor experiment

Das Haus heizt sich tagsüber sehr auf. Am Mittag, wenn es an meinem Schreibtisch unter dem Dach unerträglich wird, kühle ich mich im Pool ab. Die Nächte will ich endlich auf dem Dach verbringen. Nachdem alle Bambusleitern und Bambusgerüste abgebaut sind und kein Handwerker mehr unbemerkt hochsteigen kann. 

Ich bestellte eine Ultra-Light Foldable Inflatable Mattress. Die kam prompt und erwies sich als überraschend angenehm. Zwar nicht vollständig selbstaufblasend, aber mit ein paar wenigen Atemstößen von mir tatsächlich optimal gefüllt für mein Gewicht. Gestern, nachdem der schwere Mann mit dem schweren Koffer mit einem geräuscharmen und keine Abgase ausstoßenden E-Taxi zum Flughafen aufgebrochen war, schlug ich mein Nachtlager auf der Dachterrasse auf. Zündete ein Rahat - citronella incense stick - gegen Mücken an. Kroch in den ultraleichten Schlafsack, in dem ich in einem früheren Leben in Dithmarschen die wenigen warmen und trockenen Sommernächte im Garten verbracht hatte. Und guckte in den Himmel.

Ich hatte nicht damit gerechnet, dass ich auf einem Steinboden liege, der tagsüber in der brütenden Sonne soviel Wärme speichert, dass er sie die ganze Nacht über abgeben kann. Ich lag auf einem Ofen, einbem Feuer, einem brodelnden Vulkan, so schien es mir. Und erwachte kurz nach Mitternacht schweißgebadet. Der Schlafsack war für eine Achttausenderbesteigung oder das feuchtkühle Klima an der Nordsee gemacht, aber nicht für Kathmandu im Mai! Mir war viel zu warm. Das Räucherstäbchen war abgebrannt und ich geriet schnell in Panik, dass sich nun alle Moskitos in meinen feuchten Hautfalten suhlten. Ich floh in mein kühles Schlafzimmer.

Experiment abgebrochen, nicht aufgegeben. Jede Panik gerät bei Tageslicht leicht ins Lächerliche. Unter der Dusche entdecke ich an meinem ganzen Körper keinen einzigen frischen Mückenstich! Ich werde einen ultralight cotton sleeping bag besorgen. Und dann sehen wir weiter.

Dienstag, Mai 13, 2025

Red Hero

Gestern abend habe ich in der Dunkelheit, aber bei Vollmondschein zum Haarschneidegerät gegriffen und die Haare auf 6mm gekürzt. Bei der Hitze und mit täglichem Schwimmen wurde mir die Mähne zu anstrengend, außerdem sah ich allmählich altbacken aus. Heute fragt Pranai natürlich, ob ich die Haare geschnitten habe und ich bestehe darauf, dass ich sie nicht schneiden ließ, sondern selbst Hand anlegte, und zwar gestern, nicht heute. Also: Hijo maile afnu kapal afail katae.

Heute ist normaler Arbeitstag, also holt mich mein personal driver ab. Die Black Hero erweist sich bei näherem Hinsehen als Red Hero, oder zumindest red&black. Sie ist blitzeblank geputzt. Und mein driver entpuppt sich als artist! Macht 3D Animationen. War früher mit dem Fahrrad unterwegs und hat sich vom ersten guten Gehalt diese Red&Black Hero gekauft. Mein artist-driver kann denken und hat in seine Zukunft investiert! Er ist ein bisschen eitel, aber voller positiver Energie! Hinten auf dem Bike bekomme ich einiges mit, was mir der Fahrer vorne lieber nicht verraten will. Wir sitzen 20 Minuten lang, oder länger, je nach Chaos auf den Straßen, ziemlich eng aneinander. Bei Regen unter dem dem doubblecape noch enger. Dass Rajesh erst an meinem 30. Schultag aufgetaucht ist, bedeutet nichts. Zeit spielt keine Rolle in diesem Land. Nur Punkte, Linien, Koordinaten. Nach Schulschluss gebe ich meine Position und mein Fahrziel ein. Es ist immer dieselbe Route, immer gute 6 km, immer kurz nach 6 pm, oder später, wenn Pranai nicht zu stoppen ist. Es melden sich immer sofort ein halbes oder ganzes Dutzend Biker, in und um Thamel wimmelt es von freien Bike- und anderen Taxis, auch Rikschas wären zu haben. Ich gebe immer dem ersten, ungeachtet der Farbe und der Marke, den Zuschlag. Die Black Hero befand sich letzten Mittwoch auf pole position, und ich kann heute bereits akzentfrei den Namen ihres drivers aussprechen! Wie alle Nepali nennt er mich höflich maam, ma'am, ma'dm. Letzten Mittwoch war er im ersten Moment perplex und sagte: oh! I didn't think you are not Nepali ... Er hat sich also auch nichts dabei gedacht, als er mir auf meine Anfrage sein Angebot unterbreitete. So funktioniert inDrive. 

Unsere Heimwege kreuzen sich nicht, sie liegen bis auf den letzten Kilometer exact aufeinander. Vor der Haustür zeigt er mir ein paar Kungfu ähnliche Animationen auf dem Smartphone. Dann braust er davon, happy über den Hill ins Tal hinunter zu Frau und Kind (two years old daughterchild). 

Ich happy hinein zu Mann mit bereits gepacktem Koffer. Die beiden fliegen heute Nacht nach China. Vorher haben wir Hunger. Ich lege die letzten Momos in die Dämpftöpfe.

Montag, Mai 12, 2025

Gautam Buddha Jayanti

Feiertag: Lord Buddhas Geburtstag. Und Vollmond. Maivollmond, Mikromond, weil er im Apogäum, am erdentferntesten Punkt steht. Auch flower moon, planting moon, milk moon oder hare moon genannt. Alle, die Heiden und Nichtheiden, die Buddhisten und Nichtbuddhisten, die Christen und Nichtchristen, die Floristen, die Naturalisten, die Baumverehrer und -umarmer verbinden mit diesem Mond ein- und dasselbe: Fruchtbarkeit, Wachstum, Regeneration, Wiedergeburt, Neuanfang, Magie. Unser Feigenbaum, anjirko rukh, frönt sein Dasein noch im GATE-Garten und wird uns das Umpflanzen zu einem späteren Zeitpunkt hoffentlich nicht verübeln.

Sonntag, Mai 11, 2025

rukha

Ungeachtet der Zeit, die unerbittlich abläuft und doch unbestimmt verbleibt, pflanzen wir einen Baum - haami rukha ropchau - in unseren kleinen Garten. Nachdem das letzte heftige Gewitter alle Renovierungsmängel auf einen Schlag zutage gebracht und der letzte Klempner die letzten verstopften Abläufe gesäubert, der letzte Maurer die letzten lauten Handgriffe verrichtet, der letzte Maler das letzte Grau ohne zu kleckern aufgetragen hat, ist nun endlich der Baum an der Reihe. Wir wollten einen Mangobaum, das sagte ich schon. Nun kommt aber ein Feigenbaum, weil der schnell wächst und uns bald süße Früchte beschert.

Er kommt NICHT. Der Pflanzer sagt im letzten Moment ab. Terminkollision. So ist das hier. Ich lerne stattdessen, dass es 36 einheimische Ficus Arten gibt, die als Futterbäume, Brennholz oder in der Medizin Verwendung finden. Nur am Rande werden die Früchte von Menschen verzehrt. Zehn Fici gelten den Hindus und Buddhisten als heilig, darunter die Ficus religiosa (Pipal), F. benghalensis (Bar), benjamina (Sami) und racemona (Dumri). Jede Art hat mindestens zehn verschiedene local names. Ich erfrage wenigstens den Namen des jungen Sprösslings, der in unserem Garten aufwachsen soll. Und erhalte zuerst die Antwort Anjir. Und eine Minute später: or Newara. Das Verzeichnis der Feigenbäume in Nepal nennt Anjir als umgangssprachlich hindi oder nepali für Ficus palmata oder Ficus auriculata. Newara kennt es nicht. Es bleibt also weiterhin geheimnisvoll.

Samstag, Mai 10, 2025

kharani rang

Es gibt zwei Farben in der nepalesischen (Hoch-)Sprache, die gleichzeitig eine Sache bezeichnen und darum, wenn die Farbe gemeint ist, das Wort für Farbe - rang, wie wir nicht erst seit gestern wissen - hintangesetzt werden muss. Es werden noch viele andere Silben und Wörter hintangesetzt in dieser Sprache, eigentlich ist sie ein einziges Hint- oder Voransetzen, aber dazu vielleicht ein andermal mehr. 

Heute ist der bisher heißeste Tag des laufenden Jahres (egal nach welchem Kalender wir leben) und heute trägt der letzte Maler die letzte, perfekt glatte Schicht auf unser Dach auf in imprägnierendem Grau! Kharani rang. Das ist die wohl allerletzte Etappe der Renovierung. Die wasserdurchlässigen Fenstersimse im Erdgeschoss wurden gestern früh allesamt mit lautem Getöse abgeklopft und neu im Gefälle nach außen unten wieder angebracht. Kharani rang ist grau. Ich bin ergraut, dh meine Haare sind grau. Mero kapal kharani rang cha. Kharani heißt auch Asche. Deshalb muss die Farbe dazugesetzt werden, wenn nicht von Asche die Rede ist. Irgendwann wird alles an mir zu Asche zerfallen sein, einschließlich der grauen oder bis dahin schlohweißen Haare.

Die andere Farbe ist lebensfroher: suntale rang ist orange und suntale die Orange zum Essen oder Trinken, wenn ausgepresst. Suntale in Nepal haben die Größe italienischer Mandarinen und sind sehr süß, saftig und voller Kerne. Auch die hatten wir schon. 

Freitag, Mai 09, 2025

Rang haru

Heute fahre ich mit brown hero. Mein personal driver hat sich abgemeldet. Er ist out of the valley. Das hat er mir gestern abend angekündigt und heute Vormittag bestätigt. Vorbildlich!

Freitag ist der glücklichste Tag der Woche, sagen die Nepali, weil es der letzte Arbeitstag ist. Dies, obwohl sie, wie Pranai sagt, nicht an die Zukunft denken und keine Vorstellung von Zukunft haben. Das erklärt manches, aber nicht, warum sie freitags glücklicher als an allen anderen Tagen der Woche sind. 

Wir bekommen den Song "Rang haru" der Topiband ins Ohr. Den Text auf Papier in die Hand. Den Titel würde ich frei mit farbenfroh übersetzen. Die Musik sagt mir nichts. Ich habe keine Ahnung, worum es geht, Tara auch nicht. Die anderen beiden sind nicht da. Um Adoleszenz - verrät der Lehrer schließlich. Dieses Lebensgefühl liegt weit hinter mir, und Tara steckt möglicherweise noch am Rande drin. Also gibt es doch eine Ahnung von Zukunft? Frage ich. Wenn das Erwachsenwerden Angst bereitet, Unsicherheit, Einsamkeit, Verlorenheit ... wir sollen uns zu Hause das Video anschauen, rät der Lehrer. Die Unterrichtsräume sind so gut technisch nicht eingerichtet. Macht nichts. Wir würden uns wundern, verspricht er. Das kann man auch am Abend. Er kommt in Fahrt. Was ich als mangelndes Gefühl für Zeit, für unerbittlich ablaufende Fristen, für fallende Kalenderblätter bezeichne - rückt er in ein anderes Licht. Nicht nur sprachlich. Auch emotional, mental, historisch, kulturell, politisch. Er ist nicht mehr zu stoppen und überzieht gnadenlos. Letztlich bin ich dem Schicksal dankbar, dass die black hero heute in Budhanilkantha parkt und nicht im Gedränge auf der engen Amrit Marg vergeblich auf mich wartet.

Donnerstag, Mai 08, 2025

Pachali Bhairav

Pranai quält uns mit Monsteraufgaben, wir sollen 2 x 5 Sätze zu den beiden Fragen: Was Nepal auszeichnet und was die Nepali auszeichnet, aufschreiben. Und dann noch beliebig viele Sätze wohl geformt formulieren zu der Frage, was uns an Nepal gefällt - oder nicht gefällt. Ich seufze, wie immer, und sage, das schaffe ich nie. Er lacht, wie immer und sagt, wie alle Nepali: don't worry, think! Zur Belohnung erzählt er uns am Schluss die Geschichte des Dämonen Pachali Bhairav und seiner Geliebten Ajima. Pranais Version der Geschichte ist reichlich wirr und ich verstehe, wie so oft, das Grundprinzip dieser Sagen nicht. Warum liebt eine ganz gewöhnliche Frau ausgerechnet einen Dämonen? Auch dann noch, als er ihr sein wahres Wesen offenbart. Das ist im wahren Leben wahrlich nicht anders. Ajima wird aber vom Götterhimmel belohnt für ihre Liebe. Sie steigt selbst in den Olymp auf, wird nach einem fulminanten Ausbruch rein negativer Gefühle (Liebeskummer, ungestillte Sehnsucht, rasende Wut, tiefe Verzweiflung) zur Göttin Indrayani erhoben. Hier könnt Ihr sämtliche Versionen nachlesen und Euch selbst ein Bild machen. Götter sind unberechenbar!

Die Straße hingegen ist berechenbar. Rajesh hat sich bereits 3 x gemeldet, dass er unterwegs sei, aber aufgrund von huge traffic jam sich ein paar Minuten verspäten könne. Tut er nicht und ich komme früher auf den Hill als je zuvor.

Mittwoch, Mai 07, 2025

Black Hero

Endlich ist er am Horizont aufgetaucht: Rajesh, my personal driver! Seit bald 7 Wochen bestelle ich an 5 Tagen der Woche täglich zweimal einen Fahrer von inDrive. Der erste bringt mich auf seiner Honda oder Yamaha nach Thamel, der zweite auf ebenso einem Teil zurück nach Hattigauda. Manche reden, manche nicht. Mir ist es lieber, wenn sie sich nicht reden und sich auf das Fahren konzentrieren. Manche wollen wissen what's your country oder how long are you in Nepal. Alle, ob sie schweigen oder nicht in dem höllischen Lärm rundum, bewegen sich absolut souverän mit ihren Maschinen durch das absolute Chaos. Um nicht als blöde Touristin hinten zu sitzen, sage ich jedem, der es hören will, dass ich im Chhaya Center - meiner immergleichen Hinbring- oder Abhol-Destination - weder shoppe noch zum Frisör gehe oder Filme gucke, sondern ihre Sprache lerne: Ma nepali bhasa sikdai chhu.  

Als ich heute abend auf dem Hill von Rajeshs Black Hero stieg, fragte er mich, ob ich jeden Tag zu dieser Zeit nach Hause gefahren werden möchte. Yes, antwortete ich und zählte ihm sein Honorar mit Trinkgeld auf die Hand, every day. Monday til friday, sombaar dekhi sukrabar. Unterwegs hatte er mich gefragt, ob ich die location, zu der er mich bringen soll, kenne. Diese Frage stellen viele, und alle sind erleichtert, wenn ich bejahe. Dann entlaste ich sie nämlich auf den letzten Metern und führe sie mittlerweile routiniert und höflich, noch ein bisschen geradeaus, sidha janus, und hier bitte nach rechts, daayaa modnus bis vor meine Haustür. Rajesh hatte mir außerdem unterwegs erzählt, dass er nicht weit von meiner location sein Zimmer (my room) habe. Also wohnt er bescheiden und ist ein kluger Kopf! Ein Mann, der denken kann. Der seinen Heimweg mit meinem kombiniert. Er könne mich jeden Abend, verspricht er, zu dieser Zeit abholen. Und bittet mich, nicht mehr über inDrive zu buchen. Gesagt, getan. Same time, same price. Handschlag. My private driver!  

Auf diese brillante Geschäftsidee kam in genau 29 Schultagen (2 x war Feiertag, 1 x sagte Pranai ab und 1 x schwänzte ich, weil die Maler im Haus waren) mit genau 58 Fahrten resp. 57 Fahrern (sie waren ausnahmslos männlich, und nur einer, der erste, dieser Tausendsassa kam zweimal) keiner. Bis heute - am 30. Schultag der 58. Fahrer auf seiner Black Hero.

Dienstag, Mai 06, 2025

Das imprägnierte Haus

Das frisch renovierte Haus lebt. Es kann atmen und trinken. Es ist Wind- und Wasserdurchlässig. Oben auf das Dach und auf alle vorstehenden Simse und Zinnen bekam es Marmor und frischen Beton, rundum eine dicke Schicht weißer Farbe. Unten hat es nasse Füße.

So ein Wetter wie diesen Winter, sagen unsere hier geborenen Freunde, gab es noch nie. Ein viel zu warmer Winter, viel zu trockener Frühling, viel zu heißer April, viel zu nasser Start in den Mai ... Die Frage, ob der Monsun bereits da sei, wird immer verneint. Nein, unmöglich! 

Alles ist möglich, nur das nicht. 

Gestern abend regnete es heftig und heute Mittag noch heftiger. Statt Vokabeln zu lernen oder den Pool zu nutzen, lege ich das Wohnzimmer trocken und laufe mit Lappen treppauf, treppab auf der Suche nach weiteren Pfützen. 

Montag, Mai 05, 2025

Jacarandasegen

Nach dem Wochenende wieder auf dem Bike in meine Schule. Und wieder ist die Stadt ganz anders. In leuchtendes Violett getaucht. Ich mag es gar nicht glauben und kann während der rasanten Fahrt nicht knipsen. Das tun andere von Berufs wegen geschickter als ich.

Im Klassenzimmer sitze ich allein mit Pranai. Er bringt mir, auf meinen ausdrücklichen Wunsch hin, die 36 nepalesischen Konsonanten bei. Ich schwitze wie eine Erstklässlerin. Das ungeschickte Malen der ungewohnten Linien und Bogen ist das Eine. Das ungewohnte Artikulieren das Andere. Konsonanten sind hier Silben, die in einem geometrischen Netz angeordnet werden können. 7 Linien, 5 Positionen. Barsha macht das überzeugend vor.

Auf dem Heimweg wird es dunkel, der Jacarandasegen ist wie ein Abendgebet.

Sonntag, Mai 04, 2025

Schmetterlingseisenbahn

Es hat in der Nach geregnet und es regnet den ganzen Morgen in Strömen. Um das Haus bildet sich wieder ein See. Ganz ohne geplatzte Wasserleitung. So muss es während der Regenzeit sein. Vielleicht hat sie bereits begonnen. Tom bettelt nicht und will nicht aus seiner Hütte kommen. Ich serviere ihm das Frühstück unter der offenen Küchentür. Kaum hat er es verputzt, zieht er sich wieder unter seine frisch gestrichene Spüle in seine zerbeulte Schlafbox zurück. Vielleicht ist auch er einfach nur froh, dass keine fremden Menschen mehr in unserem kleinen Hinterhof herumstehen, herumlärmen, herumsteigen, herummachen, herumtelefonieren, herumfuhrwerken, herum ... herum ... herum ...

W schläft bis zum Mittag und will gar nicht glauben, dass es in Strömen geregnet hat. Die Sonne scheint und der See ums Haus ist ausgetrocknet. So schnell ändert sich hier alles. Ständig und rapide. Im Schnellzugstempo, obwohl es in diesem Land keine Schnellzüge gibt. Am Freitag kam in dem lyrischen Heimatliebessong, den mir Pranai mitgebracht hat, die interessante Metapher der vielleicht elektrisch hell erleuchteten und [durch die Nacht?] fahrenden "Schmetterlingseisenbahn" vor: Bijuli baleko hola maj janey putali relaima ... auch mal schlecht nachgesungen, dafür einleuchtend visualisiert.

Es gibt zum Origininalvideo ein "Behind the scenes" - wie immer ist so ein dahinter auch einleuchtend, lustig, tiefsinnig, viel spannender und weniger romantisch im Regen hinter Scheibenwischern, und so weiter und so fort. Höchst sehens- und hörenswert!

Samstag, Mai 03, 2025

Naya Patrika

Ich marschiere am Morgen mit meinem bis auf wenige MB vollen Notebook zu meinem Gewährsmann auf der lauten Golfutar. Er schläft in der Ecke hinter dem Tresen, auf dem Bildschirm vor ihm spult sich in derselben Ecke die Geschichte irgendeines Heimatfilms ab. Auf mein namaste springt er sofort auf und macht sich an die Arbeit. Schraubt das Teil auf, setzt eine neue Festplatte ein, steckt die alte mit meinen sensiblen und unsensiblen Daten in ein schwarzes Kästchen, das ich mit Kabel und USB-Stecker mit der neuen Festplatte verbinden kann. Dann installiert er mir alle meine Programme. Weil das ein bisschen dauert, unterhalten wir uns gepflegt. Auf dem Tresen liegt die heutige Ausgabe der नयाँ पत्रिका. Der Computerspezialist transkribiert mir den Titel und erklärt: Naya = new, Patrika = paper. Newspaper. Wie alle Nepali sagt auch er, ich würde die Sprache im Nu lernen. No problem. Easy. Die einfachste Sprache der Welt! 

Den Rest des Tages verbringe ich damit, meine alte Routine mit der neuen Festplatte wieder zu erlangen.       

Freitag, Mai 02, 2025

2. Mai

Die Handwerker packen ihr Zeug zusammen. Bauen die Bambusstangen ab. Putzen den letzten Dreck weg. Nehmen den Müll, ihre Arbeitsklamotten und ihre Slippers mit. Slippers heißen hier chapaal, feste Schuhe jutta. Chapaal erinnert von ferne an Antons Schlärpli, Jutta an eine Mitsängerin. Mit anderen Worten: Der Sprache ist nicht zu trauen. Sie führt nur in die Irre. Und ich traue meinen Augen nicht, als ich nach meiner Privatstunde, die anderen foreigners sind alle ausgeflogen übers lange Wochenende, vor dem Haus vom Bike steige. Nach genau zwei Monaten ist der Spuk einfach vorbei.

Donnerstag, Mai 01, 2025

1. Mai

Aufatmen. Ein heftiges Gewitter in der Früh, danach viel Regen. Feiertag auch in Nepal. World Workers Day. W kommt so wie er gegangen ist, über Istanbul. Am Nachmittag klart es auf und die Wäsche trocknet im Nu. Wir trinken unter den wieder flatternden buddhistischen Fahnen den ersten sundowner. Ich musste sie im Zuge der Fassadenarbeiten abnehmen, ein paar Farbkleckse haben sie trotzdem abbekommen. Macht nichts. Wir leben in einer bunten Welt. 

Mittwoch, April 30, 2025

Mangowald

Wir wollten einen Mangobaum in den Garten setzen. Aber Mangobäume verbreiten sich ungestüm über Rhizome. Wie Bambus. Der Gärtner riet uns ab. Dann würde nämlich unsere Siedlung bald wie ein Mangowald aussehen. 

Die Ernte beginnt. Mangos gibt es plötzlich an jeder Ecke zu kaufen. So etwas ändert sich immer schlagartig. Sie sind süß und saftig. Bis unsere eigenen Früchte herangereift wären, würde es so oder so lange dauern.

Dienstag, April 29, 2025

यो बिरालोको घर हो।

Meines Katers Toms Hütte muss ich ständig vor Angriffen von allen Seiten retten. Alle - die Maler, die Maurer, die Elektriker, der plumber, die Putzmannschaft, die landlady und ihr paffender staff - wollen die verstaubten, schon x mal vom Regen durchnässten und immer wieder getrockneten alten, wie Sätze ineinander geschachtelten Schachteln unter der frisch gestrichenen Außenspüle entsorgen. Und Tom liebt sie! Gerade jetzt im allgemeinen Chaos rund um das Haus mit der magischen Tür, aus der pünktlich um 6 am und 6 pm Futter kommt, sind diese verdreckten und zerbeulten, übereinander und ineinander liegenden Doppel- und Dreiwand-Schlafboxen der einzige Garant für den sensiblen Raufbold, dass er hier weiterhin geduldet und gefüttert wird. 

Pranai korrigiert in der heutigen lesson meinen Satz yo ghar biraloko ho zu yo biraloko ghara ho (this is the cats house) - eine rein kosmetische Verschönerung - und erklärt, nepali people würden Katzen grundsätzlich nicht mögen, weil sie überzeugt sind, dass Katzen Unglück bringen. Nicht nur schwarze. Jede, die deinen Weg kreuzt! Erhobener Zeigefinger unseres Nepaliteachers. Ich lache und erzähle, dass ich in Dithmarschen zwei schwarze Kater hatte. Nun sei ich für deren Fürsorge reichlich belohnt und von Glück überschüttet, eine wahre Glückspilzin in Hattigauda neben dem Shivatempel angekommen. Und natürlich bekommt hier jede Katze und jeder Kater Futter von mir. Um es zu besorgen, nehme ich weite Wege auf mich. 

Unsere Mitbewohner in der Community wollen nämlich die wilden Katzen, die nicht wild sind, sondern sehr häuslich, loswerden. Weil sie - mangels ordentlicher Katzenklos - ihr Geschäft in den Vorgärten verrichten. Wo sonst? Auch mein Vorgarten dient dazu, jetzt, wo das Bambusgerüst an die Nordwand gewandert ist und alle Plastikplanen verschwunden sind. 

Ich baue derweil Kartonhäuser, lerne Wörter und male Buchstaben. Schreibe Geschichten über meines Katers Toms Hütte mit dem schönen Titel:

the cats house - यो बिरालोको घर हो। - Yō birālōkō ghara hō

Montag, April 28, 2025

Doppelregenpellerine

Das Gewitter brachte Abkühlung und eine klare Sicht auf die Hügel im Süden und im Norden. Ein valley - ein Tal ist selbstredend umgeben von hills - Hügeln. Die kleineren Hügel innerhalb des Tals sind um geben von größeren, die sie überragen aber noch keine Berge sind. Denn Berge tragen weiß. 

Am Abend trage ich dunkel. Wir sind spät dran mit unserer lesson, weil wir nicht aufhören wollen, zu lernen. Es fängt an zu regnen, als ich mein Bike besteige. Vor dem Ambassador (=Hotel) hält mein driver an und sagt raincoat. auch ich muss absteigen, denn der double layer bike raincoat liegt schön verpackt im Fach unter meinem Sitz. Er passt - zu meiner übergroßen Überraschung - über unser beider Köpfe. Auch das muss ich nun zuerst lernen, wie ich darunter komme und den Kopf mitsamt Brille und Maske oben wieder herausstrecken kann. Zu sehen ist eh nichts. Wir brausen die Lazimpat hoch, sausen im letzten Moment (unsere Grünphase ist bereits unter Null abgelaufen) über die Ringroadkreuzung und weiter auf die Golfutar. Ein herrliches Gefühl im strömenden Regen!

Hier gibt es eine Anleitung: how to wear a 2 person motorcycle poncho in Kathmandu!

Sonntag, April 27, 2025

Mata Tirtha Aunsi

Aunsi = Neumond. Heute ist der erste Neumond im Monat Baisakh, dem ersten Monat des neuen Jahres 2082. An diesem Neumond wird der Mütter gedacht, aller Mütter, der lebenden und nicht mehr lebenden. Aamako mukh herne din. Das verstehe ich fast vollständig: aama = Mutter, mukh = Mund (manche benützen das Wort auch für das ganze Gesicht), ko = so etwas wie Genitivpartikel (ich beginne allmählich die Syntax zu verstehen, Pranai weigert sich standhaft, uns mit Grammatik zu langweilen), herne wahrscheinlich vom Verb hernu für (an)sehen, betrachten, frei übersetzt vielleicht auch "besorgt sein um" oder "seligen Gedenkens", din = Tag. Der langen Rede kurzer Sinn: Muttertag. Das Gesicht der Mutter ansehen (verehren) zum Dank für alles, was sie für uns getan hat.

Ich bin keine Mutter, auch keine Großmutter. Auf dem Hill gibt es unglaublich viele Kinder. Sie freuen sich immer, wenn sie mich sehen. Alle Kinder in diesem Land freuen sich, wenn sie foreigners sehen. Und alle Kinder lachen auch ganz ohne Grund. Es ist nun bereits mein sechster Neumond hier, und der zweite Neumondsonntag. Von diesem Sonntag habe ich Kinderlose so viel, dass über meinem Kopf wieder geklopft und gehämmert wird, unten auf dem Rasen wieder Steinplatten zugeschnitten werden und ein Gewitter über dem Valley aufzieht, das hoffentlich Abkühlung bringt. 

Samstag, April 26, 2025

Sanibar

Sanibar ist Samstag in diesem Land. Und sansaara ist die Welt. Freitag, sukrabar, gilt als der glücklichste Tag, weil er der letzte Arbeitstag der Woche ist, vor dem freien Samstag.

W fährt gerade mit einer Probebahncard und einem papierlosen Ticket auf dem DB Navigator von Frankfurt nach München. Ist das nicht absurd? Ich habe all diese Apps längst gelöscht und wüsste nicht einmal mehr, wie Zugfahren geht. 

Ich genieße den freien Samstag ohne Bike, aber bis Montag wird die Sucht danach wieder ungestillt sein. Weil Freitag der glücklichste Tag der Woche ist, bekommen wir von Pranai immer einen Song vorgesetzt. Gestern war es phoolko aankhama (in the eyes of flowers) - gesungen von der buddhistischen Rock-Star-Nonne Ani Choying Drolma, hier mit english translation. 

Freitag, April 25, 2025

10

Die Zahlen geben keine Ruhe. Heute vor 10 Jahren erschütterte das sogenannte Himalaya-Erdbeben Nepal. Das Epizentrum lag rund 80 km nordwestlich von Kathmandu. Stärke 7.8! Bis Mitte Juni folgten mehrere und heftige Nachbeben. Kathmandu und das Valley waren am schlimmsten betroffen. Neuntausend Menschen starben, fast eine Viertelmillion wurde verletzt, mindestens eine halbe Million Häuser beschädigt oder zerstört. 

Ich kann mich hier den Gedanken an Erdbeben nicht entziehen. Seltsamerweise bin ich froh, dass wir damals in Tsukuba von einem Erdbeben aus dem Schlaf gerissen wurden. Damals wusste ich nicht, wie mir geschieht - beim nächsten Mal, denke ich jetzt, weiß ich wenigstens, was geschieht. Wahrscheinlich ist auch das ein Irrglaube. Und ich bleibe gelassen. Jeden Tag auf dem Bike nach Thamel denke ich an Natasza G., die damals, heute vor zehn Jahren um die Mittagszeit, in einem Taxi in Kathmandu saß und eine Freundin im Norden der Stadt treffen wollte. Sie beschreibt in ihrem - hier schon mehrmals erwähnten, leider nur polnisch erhältlichen - Buch Tam eindrücklich, wie diese Taxifahrt endet. Daran denke ich regelmäßig, wenn ich über die Ringroad nach Süden brause, hinten auf einer Yamaha, Honda, Bajaj, TVS oder wie sie alle heißen, diese schwarzen, blauen oder roten zweirädrigen Wunderfortbewegungsmittel. Ungeschützt, wie alle Mitfahrenden. Ich bleibe, wie gesagt, gelassen. Dann ist es so. Ausgerechnet heute fragt mich mein freundlicher driver: Are you in a hurry or can we drive slowly?

I am not in a hurry. Never again, I will be in a hurry. Derzeit lerne ich am meisten auf meinem Schulweg. Ich glaube, das war schon in der frühen Kindheit so. Heute geht die 5. Woche zu Ende.

Donnerstag, April 24, 2025

dash hajar

Das ist wirklich easy. Ich schwimme am Mittag 40 Längen. Sie sind nicht sehr lang, aber das macht nichts. Es geht um das zählen - egal in welcher Sprache. Zählen schafft Ordnung. Sortiert die Gedanken im Hirn wieder in die Schubladen zurück, aus denen sie entflohen sind. Zählen bändigt das Sprunghafte. Bahnenzählen ist wie Bach auf dem Klavier. Mangels Klavier gehe ich nun täglich in den Pool. 

In Thamel werden wir in ein "außen" classroom versetzt. Sehr zur Freude aller foreigners. Mit fans und ohne Nebengeräusche aus den benachbarten chinesisch-, französisch-, englisch- oder gar deutsch-language-classes. Wir lernen endlich ganz normale Sätze sagen wie: Haami kushi chau (we are happy)!  

Zehntausend sind einfach zehn mal tausend: dash (10) hajar (1000). Eintausend sind ek (1)  hajar und Fünftausend (eine Füllung unseres Wassertanks auf dem Dach) paanch hajar. Mal zwei ergibt besagte dash hajar. 

Mittwoch, April 23, 2025

anbaden

Diese Wassergeschichte hat mich soviel Schweiß gekostet - da wird einerseits ein Haus "wasserdicht" gemacht, andererseits juckt es außer mich und Herrn K. überhaupt niemanden, dass gerade 10 000 Liter Wasser nicht den Bach, aber das Tal hinunterrauschten. Heute brauche ich eine Abkühlung und springe zum ersten Mal in unseren Communityeigenen Swimmingpool, den Herr K regelmäßig mit größter Hingabe reinigt. Ich drehe meine Runden und bewahre einen kühlen Kopf.

Danach rausche ich erfrischt und beglückt nach Thamel. Ich muss Pranai fragen, wie 10 000 in Nepali heißt. Vielleicht verstehen das meine bodybilderboys am Bambusgerüst. Sie sind kräftig, absolut schwindelfrei und fleißig, das muss ich ihnen zugestehen. Das monströse Gerüst wandert unter ihrer kundigen Anleitung immer ein Stück weiter unserer Fassade entlang. Kürzlich schwankten die schweren Stangen bedrohlich in die falsche Richtung. Sie wollten wohl weglaufen und wären fast über die glänzenden Autodächer auf dem Parkplatz gestiegen.

W ist ausgerechnet in Istanbul - als ob hier nicht genug Unruhe wäre, bebt nun dort die Erde. Und wie! Das erste Beben mit 4.1, das zweite mit 6.2. Es folgen 127 Nachbeben.

Dienstag, April 22, 2025

10 000

Zehntausend Liter Wasser sind letzte Nacht aus dem Wassertank auf unserem Dach ungehindert in den winzigen schmalen Garten abgeflossen. 

Tja. Seit gestern findet unser Unterricht wie berichtet am späten Nachmittag statt, so dass ich nach 16 Uhr das Haus verließ - wo ich normalerweise längst wieder da bin. Als ich gegen 19 Uhr vom Bike stieg, hungrig und müde - ich mache nun zuerst eine Biege auf den Hill, um Tom zu füttern, der auch hungrig ist - fand ich das Haus umgeben von einem See vor. Aus den Wasserleitungen kam kein Wasser mehr. Die Klospülung funktionierte noch einmal, dann war der Spülkasten leer. Ich lief zum Dragon und aß Glasnudeln. Auf dem Heimweg kaufte ich Joghurt und 2 Sommerhosen. Was sein muss, muss sein. Als ich nach Hause kam, war es dunkel. Es gluckerte geheimnisvoll ums Haus herum. Ich textete der landlady, dass hier eine unerklärliche Katastrophe im Gange sei. Sie (im Urlaub, außerhalb des Landes) bat mich, den Community Manager zu kontaktieren. Der kam sofort. Das Plätschern hatte aufgehört. Ruhig lag der See. Ich erklärte ihm, dass mE das Wasser aus dem sogenannten "Bedienstetenbad" kommen müsse. Er besah sich die Sache, stieg mit dem Smartphone als Taschenlampe aufs Dach, kam herunter und sagte, der Tank sei leer. Es war nun 20:37 Uhr.  

Gelernt habe ich bei dem malheur, dass die Wassertanks auf unseren Häusern, die uns nicht mit Trinkwasser, sondern mit Schmutzwasser versorgen - zum waschen, duschen, putzen, Blumen gießen usw - , 3 x täglich aufgefüllt werden: um 8 am, 2 pm und 8 am. W ist in Istanbul. Ich habe nach 14 Uhr höchstens noch einmal eine Klospülung betätigt. Die Maler waren nur kurz da, ich habe sie nicht zu Gesicht bekommen, nur gehört. Als mich um 16:13 mein driver abholte, um mich sicher nach Thamel zu bringen, war niemand hier. Von der 20-Uhr-Füllung ist restlos alles in den Garten geflossen und vor 20 Uhr war der Tank leer, denn um 19 Uhr kam kein Wasser aus den Leitungen. Also ist auch die 14-Uhr-Füllung mehr oder minder restlos im Garten angelandet.

Gelernt habe ich außerdem bei dem malheur, wo die Wasseruhr am Boden im Garten liegt, fast vollständig von Gras überwuchert. Der CM wusste, wo er graben musste. Er kam heute früh rechtzeitig, bevor der Tank wieder vollgeworden wäre und noch einmal 5000 Liter fröhlich glucksend ihren Weg in den Garten gefunden hätten. Mr K - so heißt er! - hatte nämlich beim swimmingpoolputzen das Übel durch reines Nachdenken und logische Deduktion gefunden: eine gebrochene Wasserleitung zur Toilette im sogenannten Bedienstetenbad, im Außenbereich, deshalb war im Haus alle trocken. Er stieg noch einmal aufs Dach und drehte alle Leitungen zu, die vom Wassertank wegführen. 

Das Bedienstetenbad dient seit bald zwei Monaten als Müllhalde (s.o.). Als Materialsammelplatz. Wo die Handwerker in der ganzen Zeit ihr Geschäft verrichteten, falls sie mal mussten, entzieht sich meiner Kenntnis. Umziehen tun sie sich vor meinem Küchenfenster und waschen an der Außenspüle - sehr zum Entsetzen von Tom!

Nun war der plumper da und alles ist wieder gut.

Montag, April 21, 2025

Der 267. Pontifex

Ich muss gestehen, dass Ostern mich in diesem Jahr in keiner Weise berührt. Gestern war sonniger Sonntag, wie immer Arbeitstag in Nepal. Die Maler turnten auf dem schwankenden Bambusgerüst herum und verschoben es am Abend an die Westfassade. Heute beginnt die Hitze, der Hochsommer, Tagsüber Temperaturen um die 30° plus. Wie jeden Montag haben wir foreigners wieder Unterricht, aber ab heute erst am späten Nachmittag, von 5-6 pm. Thanks to Shiva - oder Pranai, der seinen Tag anders sortiert und ganz unbeabsichtigt für mich die Zeit entzerrt. Die Fahrt durch die vergleichsweise leere Stadt ist wesentlich entspannter, die pollution weder schlechter noch besser.  

Der Tod des Papstes berührt mich nun aber doch. Meine christliche Sozialisation kann (und will) ich nicht ablegen. Bei mir ist es bereits heller Mittag, 11:20 Uhr. Und als die Glocken im Petersdom endlich erklingen, bin ich, wie gesagt auf dem Bike und rase gerade ungefähr am Wohnsitz des Pretenders vorbei nach Süden weiter. Ostern ist aus christlicher Sicht das perfekte Sterbedatum, und schon Franziskus' Vorvorgänger, der sogenannte "polnische" Papst, quälte sich über die anstrengenden Kar- und Ostertage hinweg, ehe er endlich aufatmen durfte. Nur der deutsche Papst wählte die Rente als Abschied aus dem Amt. Bürokratisch. Bayerisch. Er vergaß dabei - und zog die ganze katholische Weltordnung mit in den Schlund des Unerklärlichen - , dass es im Vatikan ist wie überall: einmal König, immer König, einmal Papst, immer Papst. Die Suche nach dem 267. Pontifex hat hinter verschlossenen Türen und vorgehaltenen Händen längst begonnen. Machen wir uns nichts vor, niemand wartete den heutigen Ostermontag, 07:35 MEZ ab. 

Pranai schreibt uns die Formen des "present progressive tense" der Verben an die Tafel, in einer affirmativen (bejahenden) und einer negativen (verneinenden) Variante. Ich runzle wieder einmal die Stirn. Erstens begreife ich nicht, was progressives Präsens ist, warum es nicht einfach Futur wird. Und zweitens kann ich mir nichts, aber auch gar nichts vorstellen, was in der progressiven Präsensform sprachlich auch noch verneint werden will. Ich bin gerade am Fahren, Sterben, Schwitzen. Ok, ca va! Aber: ich bin gerade nicht am fahren, sterben oder schwitzen? Wer spricht denn so und will damit was sagen? Pranai gibt mir Recht (a very good question). Er ist ein guter Lehrer und putzt kurzerhand die negative Spalte wieder von der Tafel weg. Braucht ihr nicht zu lernen.

Sonntag, April 20, 2025

897: Gerumuhar chanchar

Aller guten Dinge sind drei. Der 897. in Nepal - auf einem Apfelbaum in Mustang im April 2024 - gesichtete Vogel ist die Rotschwanzdrossel. Naumann's trush oder Turdus naumanni. Der Name Naumann führt natürlich nach Sachsen-Anhalt, nach Ziebigk bei Köthen. Ja, dort ist der Ornithologe Johann Andreas Naumann 1744 geboren und 1826 gestorben. Die Nepali nennen die Rotschwanzdrossel Gerumuhar chanchar und ihr Land "a haven for birding", einen Zufluchtsort für Vögel und deren geduldige Gucker!

Die christliche Welt feiert Ostern und wieder einmal verkündet ein kranker und alter Papst in Rom das urbi et orbi. Gekürzt und im Rollstuhl, aber ohne künstlich zugeführten Sauerstoff. Die Stimme ist schwach, die Handbewegung auch. Gekleidet ist er wie immer ordentlich. Schneeweiß. Die Osterbotschaft lässt er von seinem Zeremonienmeister verlesen.

Samstag, April 19, 2025

Regen

Endlich Regen. Ich rette die Vorhangstangen aus W's Arbeitszimmer von der Terrasse. Niemand kümmert es hier, wo Dinge, die vielleicht noch gebraucht werden, liegen bleiben. Die Wände sind frisch gestrichen, der Schimmel wurde vorbehandelt, jedenfalls roch es entsprechend. Die Vorhänge hatte ich selbst abgenommen und in Sicherheit gebracht. Die Stangen waren mir zu schwer. Die landeten draußen, was auch sein Gutes hat. Nun sind sie entstaubt und ich stelle sie zum Trocknen ins Bad. Die Maler haben bei dem Wetter frei und ich kann arbeiten.

Freitag, April 18, 2025

898: Baijani Dhade Bungechara

Es gibt noch mehr zwiebelfarbene und andere bunte Vögel im Lande. Der 898. Vogel wurde am 19. Februar in Kankadbhitta im Distrikt Jhapa entdeckt. Ein violetter Nektarvogel, ein Honigsauger der Familie der Nactariniidae mit markant lilafarbenem Rückengefieder! Laut nepalesischen Ornithologen ist dies bereits der achte bestätigte Nektarvogel im Land. Er bekam den wunderschönen Namen Baijani Dhade Bungechara, den ich leider sprachlich nicht vollständig erklären oder auflösen kann. Baijani hatten wir gestern schon, das ist die Farbe der nepalesischen Zwiebel, purple, violet oder lila. Chara ist der Vogel ganz allgemein, dhad oder dhaad (mit langem a) der Rücken, auch des Menschen. Wahrscheinlich ist also der nepalesische Name wörtlich übersetzt aus dem Englischen purple-backed sunbird oder spiderhunter.

Heute bin ich ausnahmsweise zwei Stunden früher auf dem Bike, da Pranai etwas vor hat nach der Lektion. Und siehe da: mein persönlicher spiderhunter oder eher daredevil bringt mich durch die Stadt. Derselbe Fahrer, der mich zu meiner allerersten Lektion nach Thamel gefahren hatte und mir die allererste Lektion im Bike-Taxi-Fahren in the Metropolitan City of Kathmandu erteilte. Er fuhr damals wie der Teufel höchstpersönlich und ich legte sofort alle Bedenken ab. Heute kam die Steigerung dazu: er raste hauptsächlich auf der Gegenfahrbahn, ob sie frei war oder nicht. Aber: arrived safely!

Donnerstag, April 17, 2025

899: Baijani Koili

Kaum identifiziere ich einen Kuckuck, kommt schon der nächste angeflogen. Der 899. Vogel des Landes wurde am 7. April um 11:20 Ortszeit im Osten gesichtet, im Sukhani Forest im Distrikt Ilam (kennen wir schon, das Serpentinenland): chrysococcyx xanthorhynchus, violet cuckoo oder in nepali baijani koili. Baijani ist die Farbe violet oder purple, koili das nepalesische Wort für Kuckuck. Wieder etwas gelernt. Wobei Pranai uns für purple pyaji an die Tafel geschrieben hat. Mit der Erklärung, dass die graphische und phonetische Variante pyaj onion bedeute, Zwiebel - weil, wie wir alle wissen, Zwiebeln violett sind. Da musste ich kurz eingreifen und ergänzen, dass nur in Nepal Zwiebeln violett sind. Anderswo gibt es gelbe, weiße, rote Zwiebeln und sogar Schalotten. Der neu unter der Nummer 899 ins Landesregister eingefügte Kuckuck ist aber tatsächlich "lebhaft" (vibrant) violett. Ein Zugvogel, ein Zaun- oder Fressgast, momentan jedenfalls, wie ich lese. Solange er nicht brütet, bzw seine Eier in fremde Nester legt, gilt er unter Ornithologen als nicht ansässig.

Mittwoch, April 16, 2025

Bodhibaum

In der Nacht fällt der Strom aus. Totaler blackout bis in den späten Vormittag hinein. Der Community Manager schaltet den Generator ein, sobald er aufgewacht ist und die Misere bemerkt. Die allermeisten Nachbarn verschlafen den power cut. Ich bleibe heute zu Hause, weil die Maler W's Arbeitszimmer und meine winzige Waschküche streichen. Das sind die beiden Räume, die von der Feuchtigkeit affected sind. Ein Lieblingswort in diesem Land. Alles, jedes Ding, jedes Wesen und jeder Zustand, kann von irgendetwas affected - negativ beeinflusst sein. 

Der Bodhibaum aber, von dem ich schon dachte, er sei am Sterben, ist durch den Regen wieder aufgewacht. Auch er litt unter der - was affected by - pollution. Wie wir alle, ob Menschen, Götter, Engel, Tiere, Hunde, Katzen, Ameisen ... oder Könige. Heute morgen ist zwar der Strom weg, dafür aber die Luft rein. Es riecht feucht und erdig. Ich bestaune den Fortgang der Mauer, die nun deutlich über den Boden hinauswächst. Und die grünen Triebe im blauen Himmel.

Dienstag, April 15, 2025

Asienkoel

Heute hat mich die Sucht nach Wind um die Nase wieder und ich rausche hinten auf dem Bike durch die Stadt. Auf dem Hinweg fragt mich der driver, ob 40 km/h ok sei. Ich hatte schon schnellere Fahrer und lerne viel bei diesen Höchstgeschwindigkeiten mitten im Gewusel beim linksabbiegen auf überfüllten Kreuzungen. Und so. Der Verkehr fließt besser, wenn kein Polizist ihn zu regeln versucht. Aber wenn ein Polizist regelt, mit Handzeichen und Trillerpfeifen, dann gehorchen alle. Und es kommt zu Stockungen. Auf dem Heimweg verpasse ich knapp das Gewitter. Danach poltert der Himmel es regnet heftig bis spät in die Nacht. 

Seit Tagen, Nächten, Wochen, schreit ein Vogel, ein liebeskranker einsamer Vogel in den Bäumen unseres Hills. Sein Ruf schallt über das Minivalley zu unseren Füßen und holt uns regelmäßig aus dem Schlaf und begleitet uns durch den Tag. Nun habe ich ihn endlich gesichtet. Er ist schwarz wie eine Amsel, aber größer. Sitzt am liebsten ganz oben im Baum, ganz oben über der kleinen Tempelanlage. Und schreit, dass Shiva erbarm. Ich gucke in das gut sortierte Verzeichnis des Ranibariforest und finde ihn. Asienkoel oder Indischer Koel. Eine Kuckucksart aus der Unterfamilie der Altweltkuckucke (Cuculinae). Ein Brutparasit, wie alle Kuckucke. Aber dieser hier schreit sich noch die Kehle aus dem Hals (oder wie sagt man?) nach seiner perfekten Gespielin. Vielleicht ist es auch nicht nur einer, sondern viele, allesamt männlich, liebestoll und allein.