Montag, November 24, 2025

Arbeit

Ich arbeite am Schreibtisch. Von meinem Fenster sehe ich hinunter auf das kleine Tal. Der hintere Teil ist bebaut mit bunten Häusern, der vordere ein verwilderter Dschungel. Links davon, auf der Höhe erstreckt sich der sehr ordentlich angelegte öffentliche Jagannath Park. Er gehört zum Jagannath Tempel, das ist der größte Tempel in meiner Umgebung, aber ich kann ihn nicht sehen von meinem Schreibtisch aus. Es ist hier arg hügelig, und hinter dem Park geht es so steil hinunter, dass sich alles meinen Blicken entzieht. Auch in der Nacht. Im Park, auf der abgeflachten Hochebene drehen Nepalis im Morgengrauen ihre Runden. Frauen machen zu zweit Liegestützen. Am Nachmittag spielen Kinder. Zu meiner Rechten sehe ich hinter dem letzten Haus unserer Siedlung meinen kleinen Shivatempel - auch nicht! Der großartige und wunderbare Laxmibaum verdeckt ihn. Aber ich weiß, dass er da ist, denn ich besuche ihn jeden Morgen. Von meinem Schreibtisch aus sehe ich die neuen Bänke, den neuen Zaun, das neu gepflasterte Rondell um den Bodhibaum und diesen selbst. Dahinter, verdeckt von allerlei Gestrüpp sehe ich gerade zwei Ecken der Hinterseite des verkanteten Budhanilkantha Municipality-Gebäudes, unserer Kommunalverwaltung. Die wäre sicherlich für uns zuständig, hätten wir hier irgendetwas Behördliches zu regeln. Von hinten - von meinem Fenster unter dem Dach aus - ist das Gebäude weiß getüncht, hoch und schmal - von vorne, von der Golfutar Road aus, sieht es langgestreckt und ebenerdig aus, gebaut aus roten Ziegelsteinen. Der Widerspruch ist dem Gelände geschuldet, nach hintan fällt die Böschung so steil ab, dass da mehrere Untergeschosse Platz haben. Diese steile Böschung wird schon lange bearbeitet, ungefähr so lange wie wir hier wohnen. Also ein Jahr! Immer wieder wurde Erde ausgehoben und Beton hineingeschüttet. Wir konnten uns Sinn und Zweck dessen, was wir beobachteten nicht erklären. Vielleicht wurde eine Erdbebensicherungsanlage angelegt? W ist sicher, dass Nepali in solchen Dingen die absoluten Experten sind und hier vorsorgen, damit das Verwaltungsgebäude nicht eines Tages ins Tal kippt. Die Arbeiten lagen auch immer wieder wochenlang brach. Weil es regnete oder nicht regnete. Weil Material fehlte. Weil der Bagger nicht kam oder kam, aber der Fahrer weglief, kaum war er gekommen. Derweil wurde unten die Straße bis auf die halbe Höhe fertig. Auch das dauerte mindestens ein halbes Jahr und auf der halben Höhe endet sie nun an einem Kiesberg, der mittlerweile grün überwuchert ist. Die Natur nimmt sich, was sie kann und schenkt uns einen neuen Hügel in der hügeligen Stadtlandschaft. Dass sich darunter Baumaterial verbirgt, ahnt wahrscheinlich niemand mehr. Und die Schulkinder balancieren mittlerweile jeden Tag mehrmals geschickt darum herum. Während der Regenzeit spülte das Wasser vom Himmel vieles wieder fort, was vorher aufgeschüttet, begradigt oder bereinigt worden war. Nach der Regenzeit musste erstmal wieder gerodet werden. Letzte Woche wurden Lastwagenweise Pflastersteine abgeladen und die ganze schräge Fläche Tag für Tag, immer ein Stück weiter zugepflastert. Gestern - am Sonntag lärmten zwei Arbeiter bis nach Sonnenuntergang unsäglich. Sie schnitten Metallrohre zu und brachten ein massives Geländer rund um die gepflasterte Fläche an. Heute früh ist das ein Mopedparkplatz für die Mitarbeitenden der Municipality. Ich sehe, wie das erste kurz nach Sechs heruntergefahren kommt, einen eleganten Bogen schlägt und am hintersten Ende stehen bleibt. Danach reiht sich eines neben das andere, flugs und unkompliziert. Die letzten kommen vor zehn (da gehen die ersten schon bald wieder) und der neue Parkplatz ist voll. Meine vollkommen vergessene Moped(sehn)sucht erwacht wider Erwarten plötzlich wieder angesichts dieser schieren Masse in Reih und Glied in der Sonne glänzenden schweren Zweiplatzräder.

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