Sonntag, November 16, 2025

Der Zwist

Ich verstehe nicht, warum Manjushri als Bodhisattva der Weisheit und eine der wichtigsten Figuren des Mahayana Buddhismus gilt. Für mich ist er ein Schlitzohr. Ein Waffenträger. Ein Draufgänger. Einer, der zuerst zuschlägt und erst dann die Folgen seines Tuns bedenkt. Einer, der Zerwürfnisse in Kauf nimmt, um seine Ideen durchzusetzen. Auch ein heiliges Schwert, ein Flammenschwert - vajra sword of discriminating light - rechtfertigt nicht den Frevel! 

Im Valley, in der Legende nach Swayambhu Purana war zuerst Kacchapal Parvata, der Schildkrötenberg erzürnt, verwundet und zutiefst verletzt. Manjushri hatte ihn ohne Vorwarnung entzweigehauen. Dann die Schlangen, denen mit dem abfließenden Wasser jede Lebensgrundlage entzogen wurde. Der Berg besänftigte Manjushri mit dem Versprechen, auf seinem lädierten Gipfel einen Schrein für Karunamaya, den Allbarmherzigsten zu errichten. Damit werde ein heiliger Ort installiert, der Pilger aus der ganzen Welt zur spirituellen Einkehr einlade. Der Schildkrötenberg nickte. Was blieb ihm anderes übrig? 

Die Schlangencommunity hingegen war unrettbar entzweit. Die Nagarajas hatten im Gegensatz zum Kacchapal Parvata den Vorteil, mobil zu sein. Nichts hielt sie nicht mehr in ihrem gelobten Lande. König Taksaka Nagaraja verließ mit seiner Familie hoch erhobenen Hauptes das Valley. Auf die Bücklinge des Bodhisattvas erwiderte er unmissverständlich: "Du hast meine Heimat - den See - zerstört. Ich gehe zur Konkurrenz - zum Meer!" Kulika Nagaraja, der zweite Schlangenkönig war nicht auf den Kopf gefallen und ließ sich auf einen Handel mit dem falschen Gönner ein. Manjushri versprach ihm ein ruhiges Gewässer als neue Heimat und Kulika rechnete damit, dass der Bodhisattva nicht ewig im Valley bleiben würde. Sobald er wieder verschwunden wäre, würden seine Schlangen Mittel und Wege finden, das Loch zuzustopfen und den See wieder mit Wasser zu füllen. Er zog guter Dinge mit seiner Familie nach Tokha an die Vishnumati Quelle. Nur Karkotaka, der König der Könige der Nagarajas, Besitzer des Nagarasahrada, des Königreichnagasees, akzeptierte das Angebot Manjushris ohne Hintergedanken und zog in eine neuerschaffene Residenz innerhalb des Valleys, an den Taudaha See.

Manjushri hatte Schmerz, Vertreibung, Unfrieden und böse Gedanken ins Valley gebracht - unter dem Vorwand, den Boden urbar zu machen, damit sich Menschen ansiedeln konnten, die Swayambhu verehren würden. Die Geschichtsbücher des Abendlandes kennen für so eine Konstellation den Begriff "Religionskrieg".

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