Mittwoch, Juli 02, 2025

Lamo pucchara tila

Tom, der Kater ist auf dem Weg zurück zur Natur. Selbstversorger. Trockenfutterverächter. See-Gee, seine stahläugige Schwester und Geliebte, wie ich vermute, neuerdings Katzenmutter, wagt sich derweil vorsichtig und scheu, wie eh und je, an seinen Futterplatz in meinem Hinterhof. 

Er legt mir in der Nacht seine Beute auf die rote Fußmatte vor der Vordertür, wie zum Beweis, dass er weder hungert noch es nötig hat, das erlegte Tier aufzufressen. Er will nur, dass ich es zur Kenntnis nehme und alle, die hier ein und ausgehen, wenn der Tag anbricht, darüber stolpern. Angefangen von meinem Gurubaa, der in der Früh auf dieser Matte seine Schuhe auszuziehen pflegt. Ich bitte also Herrn Tom, das pelzige Bündel mit dem auffällig langen Schwanz woanders zu platzieren. Er tut es auch, aber erst, nachdem ich ihn ausgiebig lobe. Er legt es unter die frisch umgesetzte Passionsfrucht. Drapiert den Schwanz und die Hinterbeine mit den feingliedrigen Krallen aufs Schönste!

Vielleicht ist es ein Langschwanzmaulwurf. Lamo pucchara tila. Ich mag ihn nicht anfassen und umdrehen. Mein Sprachunterricht beginnt gleich. Die beiden Wörter vorne und hinten kann ich schon schreiben. Das mittlere eigentlich auch. Das "la" kommt praktischerweise zweimal vor und umrahmt den Rest. Es soll aussehen wie ein Herz, wie Valentinstag, like love, sagt Gurubaa und rügt mich, wenn ich es oben in meinem Schulzimmer unter dem Dach an der Tafel nicht so ästhetisch vollkommen und in einem Schwung hinmale wie der Kater den Kadaver in meinem Garten abgelegt hat. You have to write nicely! Auch wenn es sich um ein totes Tier handelt.

Dienstag, Juli 01, 2025

simpel

So ein simples Wort wie "money" (Knete zu gut deutsch) habe ich in drei Monaten Sprachunterricht in der Touristenhochburg Thamel nicht gelernt. Und heute kann ich es bereits schreiben. Auch Thamel kann ich schreiben. Allerdings vorerst nur von Hand. Zwar ist es mir gelungen, das nepali language package auf meinem batterielosen Gerät zu installieren. Ganz ohne Stromunterbrechung. Nun fehlt mir nur noch der Weg zu den richtigen Buchstaben, Vokalen, Konsonanten, Halbkonsonanten, similarities usw. 

Also von Hand und in Umschrift: Ma sanga paisa cha / chaina. Ich habe Geld / kein Geld. Ich kann auch schon in nepali simpel (saral oder sajilo) schreiben, und Wald (ban), Klamotten (kapoda oder luga), Stift (kalam), Haus (ghar), Brunnen (jug), Kathmandu! Sämtliche wichtigen Wörter der Welt in meiner Hand! 

Montag, Juni 30, 2025

kopflos

Lord Shiva hat den Kopf verloren und das Lingam erscheint mächtiger denn je. Manchmal sehen die Heiligtümer bei den Tempeln wahrlich wie Schlachtfelder aus. Das Anbeten und Verehren ist hier eine bunte Angelegenheit und das Crimson, das Purpurrot wird in Unmengen verschmiert. Rote Farbe. Blumen. Gaben. Kein Blut. Crimson ist die heilige Farbe des Hinduismus und die Nationalfarbe Nepals.

Vor meinem Haustempel ist Lord Shiva vor ein paar Tagen der Kopf abgeschlagen worden. Als ob hier eine jüdische Judith ihr Unwesen triebe ...

Als wir auf den Hill zogen, waren viele andere Teile abgeschlagen, aber der Kopf saß fest.

In der Zwischenzeit wurde und wird hier ständig gewerkelt und verschönert. Zu Ram Navani war alles noch in bester Ordnung.

Sonntag, Juni 29, 2025

Dahi Chiura Khane Din

15 Ashad - nationaler Reispflanztag. Es gießt vom Himmel Und wie! Was gibt es Besseres als Regen für Reis? 

Was gibt es Schöneres als Regen am Sonntag - dem ersten Arbeitstag der Woche? Heute soll man spielen mit dem Regen. Mit dem Matsch. Mit den Reispflanzen und mit dem Reisanpflanzen. Man soll Joghurt (Dahi) essen, am besten mit Chiura (beaten rice, Reisflocken). Und Mango. Dahi chiura khane din ist eigentlich der Tag des Joghurt-und-gestampfte-Reisflocken-essens. Wir machen alles wie vorgeschrieben, nur in anderer Reihenfolge. Die Bauern sollen viel (Reis) pflanzen und wenig (Reis) essen. Also den Ertrag steigern und die Bilanz verbessern. Anders gesagt: Fleißig sein und hungern. Ich laufe mit bunten Lappen durchs Haus. Fast unter jedem Fenster in jedem Zimmer sammeln sich bei Sturzbachregen Pfützen. Vom neu versiegelten Dach tropft es nun immer. Beständig und beharrlich, auch wenn es nicht regnet und die Mittagssonne unsere müden Gedanken anfeuert. Es tropft von den neuen Marmorplatten auf den Zinnen. Es tropft mir in den Nacken, wenn ich unten im Garten meine Pflanzen einpflanze. Nicht Reis sondern Blumen. Oben muss sich ein Reservoir im Schatten gebildet haben, das bei jedem Regenguss aufs Neue randvoll wird. Wenn es nämlich nicht regnet, ist es so drückend heiß, dass alles rund ums Haus blitzartig trocknet. Die Steinplatten, meine Terrasse, das obere Dach und der untere Hinterhof. Alle Pfützen verdampfen buchstäblich vor meinen Augen und unter meinen Füßen. Ich bin ständig schweißgebadet. Und vom Dach tropft es weiterhin. Steter Tropfen ... zieht nun eine schnurgerade Rinne vor meinem Blumenbeet.

Samstag, Juni 28, 2025

Aquila nipalensis

Jetzt, wo ich Buchstaben erkenne, kann ich wieder Wörter einsammeln. Und in die Luft gucken. Vögel beobachten. Vor meinem Fenster oder virtuell. In Gaumukhi (Lumbini Provinz) wurde eine wissenschaftliche Studie zur Biodiversität durchgeführt. Zählungen von September und Oktober letzten Jahres sowie April und Mai diesen Jahres ergaben eine Summe von 4538 Vögeln aus 217 Arten. Viele davon sind selten und oder gefährdet. So der Steppenadler - Aquila nipalensis, der im Winter aus der Mongolei ins warme Terai zieht und hier Gomayu Chil heißt. Seine Verlobte, die demoiselle crane oder zu deutsch Jungfernkranich ist hier bekannt als Karyang Kurung. Beide sind obligate Zugvögel und in Europa höchstens als seltene Irrgäste oder Gefangenschaftsflüchtlinge bekannt.  

In Gaumukhi sind auch zwei der geschützten Species Nepals beheimatet: der Rostschwanzglanzfasan (himalayan monal - Lophophorus impejanus) und der Schopffasan (cheer pheasant - catreus wallichii) sowie einige der stark gefährdeten Geier wie der Dünnschnabelgeier, der Kahlkopfgeier, der Bengalgeier, der Schneegeier und der Bartgeier. Außerdem wurden 15 Schmetterlings-, 5 Süßwasserfisch-, 4 Amphibien-, 8 Reptilien- und 18 Säugetierarten registriert. Gaumukhi soll nun als biologischer hotspot unter besonderen Schutz gestellt werden.

Freitag, Juni 27, 2025

na amen

Die Freude hielt nur kurz. Die Batterie entlud sich über Nacht restlos, während ich schlief, der Strom ohne Unterbrechung floss und das Gerät ohne Unterbrechung an der Steckdose hing. Auf polnisch sagt man "na amen" - aber nicht in der Kirche! Auf der Straße, beim Frisör, unter Freundinnen, im online-chat, am Telefon oder leibhaftig im Café, wo auch immer: na amen - für immer und ewig, definitiv, endgültig. Unrettbar. Vorbei!

Seltsamerweise treibt mein Polnisch seit drei Monaten die wunderlichsten Blüten in meinem Hirn und in meiner Hand. In meinem Mund. Im Language Hub, auf dem Bike die Lazimpat hoch (am blue moon vorbei, immer mit ein bisschen Wehmut) durch die ärgste pollution, zu Hause auf dem Hill auf dem Dach oder darunter an meinem Schreibtisch, in meinem Schulheft. Seit ich versuche, in englisch Nepali zu lernen, drängt sich in jede Gedächtnislücke und Wortfindungsstörung ungestüm der perfekt passende polnische Ausdruck. Heute also "na amen". Völlig unangebracht im Lande Buddhas und der Abertausend Hindugöttinnen.  

In den nächsten Tagen werde ich in einer Regenpause zum Computerspezialisten meines Vertrauens spazieren. Derweil arbeite ich am anderen laptop oder schreibe von Hand. Der Mann freut sich immer, wenn ich um die Ecke biege. Bei ihm liegt die Tageszeitung auf dem Tresen, wie andernorts in der Kneipe. Ich kann ihm nun berichten, dass mir nur noch 4 Konsonanten fehlen.

Donnerstag, Juni 26, 2025

fully charged

Nun geht es wieder aufwärts. Ich kann Kathmandu lesen! Und ich erkenne auf der Government Website, wo ich auf "nepali" umschalten kann. Das heißt, ich kann nun auch das Wort nepali lesen. Ich kann schon ganz viel lesen und das nach nur 9 Lektionen Alphabetisierung! Augen geöffnet! Alle Sinne auf Vorderfrau gebracht. Auch die Stadt ist immer noch im Werden. Vor dem Shivatempel wird eine Straße gebaut. Eine richtige Straße. Ein richtiger Bagger bewegt richtige Berge von Steinen, Sand und Erde. Die neuen Stützmauern ins Tal hinunter verschwinden fast ganz unter seinen Rädern und Umschichtungen. 

Oberhalb des Tempels wäscht der Regen den Hang bereits wieder aus. Die Stadt ist im Kommen und Gehen. Im Werden und Wachsen. Irgendwann wird alles ganz ohne Erdbeben ins Rutschen geraten.

Ich trainiere Gelassenheit. Pflanze Basilikum und Chilies in Töpfe. Versuche meine wahrscheinlich in Grund und Boden entladene laptop-Batterie wieder zum Leben zu erwecken. Manuell! Emanuelle. Es lohnt sich, Handgriffe zu wiederholen und nicht gleich beim ersten Mal zu kapitulieren. Als ich nach mehreren Gängen wieder nach oben komme und einen letzten Versuch starten will, bevor ich das Gerät zu meinem Mann des Vertrauens um die Ecke trage, leuchtet - ohne dass ich wissentlich irgendetwas Besonderes getan hätte - das grüne Lämpchen und die Anzeige teilt mit: "fully charged (100%)". Die Klammer ist freundlicherweise für des Englischen nicht Mächtige gedacht.