Der Mond wird am Mittag neu auf dem Hill. Und das Internet verabschiedet sich. Der Strom ist da, auch das Wasser, die Sonne und der blaue Himmel.
Was gibt es schöneres als internetfrei - ich setze mich aufs Dach mit Thjom,as Bells Buch über Kathmandu. Und stolpere sofort über das Zitat, das er Sylvain Lévi entlehnt und dem 6. Kapitel voranstellt:
"To be sure Hindus are far too little concerned with chronology to be in a position to claim that they introduce plausibility or logic into it, even when they invent it".
Ich verstehe wohl, wovon die Rede ist - von der schwierigen Beziehung der Hindus zur Zeit (das gilt in nach-monarchistischen Zeiten in diesem Land auch für die Maoisten, Marxisten, Leninisten usw.). Ich verstehe aber die syntaktische Logik des Satzes nicht. Weil es eine Übersetzung aus dem Französischen ist, kehre ich an meinen Schreibtisch zurück und suche das Original. Dazu brauche ich das Internet und es ist wie durch ein Wunder wieder da. Der französische Orientalist Sylvain Lévi war 1898 auf Forschungsreise im Kathmandu Valley. Wieder zu Hause am Schreibtisch, schrieb er seine Ergebnisse nieder. Der von Bell englisch zitierte Satz lautet im Original so: "Sans doute les Hindous sont trop peu soucieux de la chronologie pour se piquer d'y introduire, même quand ils l'inventent, la vraisemblance et la logique" (Sylvain Lévi, Le Népal. Etude historique d'un royaume hindou. Paris Ed. Leroux 1905, S. 93)
Google übersetzt mir das mit meiner minimalen Hilfe folgendermaßen: "Zweifellos kümmern sich Hindus zu wenig um die Chronologie, als dass sie sich die Mühe machen würden, Plausibilität und Logik hineinzubringen, selbst wenn sie sie erfinden."
Ich verstehe in allen drei Sprachen nicht, was die Hindus erfinden: die Chronologie, die Plausibilität oder die Logik? Wie auch immer. Kausalitäten verfälschen und Zeitläufte zurechtbiegen tun auch Menschen anderer Religionen oder Nationalitäten nicht ungerne. Lèvi bezieht sich auf Stammesfürsten und Herrscher diverser Splitterkönigreiche im 13 Jahrhundert (AD - oder in ganz anderen Weltzeitaltern!). Er weist nach, dass "les Hindous" - wie er sie nennt - nicht nur ein Problem mit der Zeit und der historischen Einordnung ihrer vorsintflutlichen Oberhäupter haben, sondern auch mit den Zahlen. Dass sie etwa - dies nur beispielhaft, ohne historische Bedeutung - aus den Jahreszahlen 1234 und 1389 so etwas kreieren wie 3124 und 3189. Nur weil in beiden ursprünglichen Jahreszahlen die Zahlen 3 und 1 vorkommen.
Das ist das, was ich täglich in den shutters auf der Golfutar erlebe. Die Gemüse- und Obstverkäufer können nicht rechnen. Sie addieren alles auf ihren Taschenrechnern. Weil ich die Preise eh nicht verstehe, ist das praktisch. Denn ich kann lesen. Auch das Wechselgeld wird über die kleine Maschine, manchmal ist es auch das Smartphone, errechnet. Und die Noten in der Hand werden dreimal nachgezählt. Auch im Supermarkt mit elektronischer Kasse.
Vielleicht geht die Unfähigkeit der heutigen Nepali, die Welt oder das Leben in einer (auch) zeitlichen Dimension wahrzunehmen und zum Beispiel einen Kalender im Kopf zu haben, zu wissen, was heute ist und was sie morgen. übermorgen, oder nächste Woche tun werden, auf die Unfähigkeit zurück, Zahlen zu (er)kennen?
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