Montag, Dezember 29, 2025

Grenzverletzung Zwo

"You made my day!" sagte mir eines Mittags im April oder Mai ein बाइक चालक baik chalak - ein Biketaxidriver, der mich in die Sprachschule nach Thamel brachte. Er hatte gerade seinen Dienst angefangen und ich war seine erste Kundin. Das bringt Glück, strahlte er, eine Ausländerin. "You made my day!" 

Man stelle sich vor, ein deutscher Taxifahrer fährt in einer deutschen Großstadt mitten im deutschen Berufsverkehr eine türkische Studentin zur Uni, sie womöglich mit Kopftuch, er Christ oder Antichrist - was würde er wohl zu ihr sagen, beim Ein- oder Aussteigen, auch wenn sie mit Trinkgeld nicht knausert? Vielleicht ist die Frage müßig, weil es in Deutschland keine deutschen Taxifahrer mehr gibt. 

Anderes Beispiel. Kürzlich sprach uns im Sukunda - सुकुन्दा नेवारी खाजा घर unserer neuen Newari-Lieblingskneipe - einer der rauchenden Gäste an. Er wollte wissen, woher wir kommen und warum wir hier sind. Dann verabschiedete er sich mit dem Satz: "Thank you for your love for our country!"  

Ich frage alle meine deutschen Leserinnen und Leser: wer hat schon einmal zu einer afghanischen Mutter, einem afghanischen Opa auf dem Kinderspielplatz gesagt: Danke, dass Du da bist! Zu einem türkischen Obst- und Gemüsehändler, einem syrischen Arzt, einem arabischen Frisör, einer polnischen Gynäkologin, einer ukrainischen Zahnärztin ... Es muss ja nicht gleich Liebe sein, Dank wäre schon schön genug. 

Soviel als Antwort auf die Frage in einem anonymen Kommentar. Ich weiß natürlich, wer sie punktgenau an Heilig Abend gelandet hat. Es ist aber nach fast genau zwei Jahren erst die zweite Grenzverletzung. Da will ich nicht meckern. Weder über Scheinheiligkeit noch über Hochmut. 

Vor vielen vielen Jahren erklärte mir eine Freundin im damals noch sozialistischen Polen, warum sie, eine Nichtraucherin, wenn sie Zug fährt, sich immer in ein Raucherabteil setzt. Das gab es damals noch. Und es gab die popularne, die populären und einzigen Zigaretten, ein fürchterliches Kraut. Aber: "Da sitzen einfach die netteren Leute." Zu Deutschland hatte ich nie eine emotionale Beziehung. Dort sind Raucher wie Nichtraucher unauffällig muffig. Von daher ist eine Frage, ob es in Deutschland "doch besser" sei (mit einem, wie ich vermute, gedachten "nicht" davor), bei mir (einer potentiell zu Remigrierenden) ganz falsch platziert. Zur Schweiz habe ich meine biografisch bedingte Beziehung erfolgreich abgearbeitet. Wenn es ein Land in Europa gibt, das mir nach wie vor am Herzen liegt, dann ist es Polen. Dort sind die Menschen einfach nett, die rauchenden etwas netter als die nicht rauchenden.

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