Januar 07, 2025

subterranean energy

Um 6:50 Uhr meiner, also nepalesischer Zeit bebt die Erde! Und wie! Ich merke nichts davon, weil ich gerade auf dem Trampolin mein Guten-Morgen-work-out absolviere und in so etwas wie Schwerelosigkeit schwebe. Erfüllt von stressabbauenden Endorphinen! Ich sehe das Teeglas auf dem Fensterbrett und wundere mich darüber, dass sein Inhalt plötzlich bedenklich auf und ab schwabbt. Zum Glück ist es nicht randvoll, denke ich noch unsinnigerweise. Auch die Vorhänge bewegen sich plötzlich, als ob alle Fenster sperrangelweit offen stünden, zu dieser frischen Morgenstunde, und herrlichster Durchzug wäre. Ich steige von der elastischen Sprungmatte und befinde mich auf wieder festem Boden. Der Spuk ist vorbei. Die Nachbarn haben sich mit den Kindern auf dem Parkplatz versammelt, eine entnervte Mutter wirft ihrem Sohn unsinnigerweise noch Schuhe hinterher. Dann betrachten alle ehrfurchtsvoll das Schwanken der unzähligen Blumenampeln auf dem Dach des letzten Hauses in der Reihe, sowie die eleganten Verneigungen der heiligen Bäume rund um den Shivatempel. W. schläft noch, oder ist gerade aufgewacht, macht aber keine Anstalten, in Panik das Haus zu verlassen, sondern textet mir vom zweiten in den dritten Stock: 5.3. 

Das erweist sich im Nachhinein als weit untertrieben, die US-Erdbebenwarte ermittelt eine Stärke von 7.1. Das Beben ist also powerful, Epizentrum in Dinggye [Bezirk Dingri in der Stadt Xigaze], in Tibet, die Konvulsionen sind nach Süden bis Indien spürbar, auch in Bhutan und natürlich bei uns, in Kathmandu, im Valley und auf dem Hill! Es gibt über 150 (!) Nachbeben der Stärke 4 und mehr, nach vorläufigen Berichten an die hundert Tote, fast doppelt so viele Verletzte, Tausende beschädigte Häuser, update hier.

Wir leben in bewegten Zeiten und bewegten Zonen. Hier treffen höchst gegensätzliche Energien aufeinander. Nicht nur in meinem Hinterhof am Katzenbuffet. Die Erde bewegt sich immerfort und die Kontinentalplatten reiben sich. Nichts von friedlicher Koexistenz! Plattentektonik ist nicht beherrschbar, die Kontinentaldrift nicht aufhaltbar. Seit dem 22. Dezember gab es in Nepal mindestens 10 Erdbeben mit einer Stärke über 4. Was darunter liegt, geht nicht in die Statistik ein. Das heutige ist das stärkste in der Region seit 10 Jahren. 

Vor 10 Jahren starb in Warszawa mein Meister, rip!

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