Januar 04, 2025

Der neue Mond

Der neue Mond liegt (!) nach Sonnenuntergang im hellen Abendhimmel genau unter der Venus. Seit gestern ist er wieder zu sehen und seit gestern wird rund um den kleinen Shivatempel aufgeräumt. Mit Spitzhacke zerschlug als erstes ein kräftiger junger Mann mit Rastalocken und in Slippers die alten Betonteile. Während ich noch Himmel und Erde verband oder trennte. Ein zweiter schichtete ebenso barfuß die Brocken auf der Seite auf. Heute wird Sand verteilt. Und eine Ziegelsteinmauer gemauert. Die schiefe Ebene soll begradigt werden, erklärt mir mein Mönch am Morgen, und aller Müll entfernt. Sprich: verbrannt. Tagsüber wärmen sich alle an der Sonne auf. Auch mein Joghurtmann. Und die Katzen. See-Gee hat merklich zugenommen und von einem Tag auf den anderen jede Scheu verloren. Sie miaut mich vorwurfsvoll an, nachdem sie - entgegen meiner mütterlichen Ermahnungen - gierig zwei Portion verschlungen hat. Sicherlich würde sie durch das Fenster in die Küche einsteigen, wenn ich ihr das erlauben könnte. Ihre Zähne sehen gesund aus, die Augen etwas verkrustet und das Fell ist bestimmt verlaust. Ich wage nicht, sie anzufassen. Mein Carusotrauma. Sie putzt sich und ich bleibe stur. Ich war immer schon eine konsequente Futterrationiererin.   

Januar 02, 2025

Mero naam [naam]

Mero naam [naam] ho - Mein Name [bitte hier den Namen einsetzten] ist. 

Bei der Begrüßung oder Vorstellung (Introduction) wird der Name, das Alter, der Wohnort und die Nationalität  abgefragt. Mero naam Judith ho. Ich heiße Judith oder wörtlich: Ich Name Judith habe. Mero naam Judith ho.  

Nach dem Alter wurde ich schon öfters gefragt. Im Supermarkt an der Kasse zum Beispiel, ganz ohne Alkohol im Korb! Das Land wollen alle wissen. Immer und überall. Ich flunkere auf Nepali: Ma Germany ha. Die wichtigen Wörter sind globalized

Januar 01, 2025

Ein ganz normaler Tag

Nach einer ganz normalen Nacht beginnt ein ganz normaler Tag. Ich absolviere mein Morgentraining auf dem Trampolin und überbeanspruche vielleicht einen der Großzehenstrecker am linken Fuß. Jedenfalls tut es weh beim Treppabsteigen. Ich laufe trotzdem zum Shivatempel und lasse mich von der Sonne aufwärmen in meiner Ausrichtung nach Osten. Absolviere unverdrossen, wie seit Jahren die 8 Übungen des Shaolin Qigong BaDuanJin. Kämpfe ein bisschen mit dem festen Stand auf sandigem Untergrund. Und mit dem Gleichgewicht, da ich den linken Fuß spontan schone. Laufe weiter auf die Golfutar und lasse vom Konditor den Henkelmann mit open Dahi auffüllen und mir zwei Packungen Erdnusskekse über die Theke reichen. Und kaufe endlich - mein neues Jahr beginnt mit guten Vorsätzen - zwei Zahnputzbecher. In Form von zwei Trinkbechern. Die Shuttershopkeeper haben meist die patenteste Lösung für meine mickrigen Nöte parat. Plastik will ich partout nicht, Glas oder Keramik hat er nicht. Also steel. Stainless steel. Unverwüstliche Becher, die stabiler stehen als ich, und aus denen man trinken kann. Oder in die man etwas hineinstellen kann, ohne dass sie gleich umkippen. Bleistifte oder Zahnbürsten. Happy New Year! 

Zurück am Schreibtisch räume ich auf. Dateien und Datenmüll, fülle Papierkörbe und leere sie kontinuierlich, verschiebe den mir heute unverzichtbar scheinenden Rest, ganze Jahrgänge, die schon morgen überflüssig sind, in eine externe Festplatte, die ich in der Schublade verwahre. Ich liebe Schubladen und mein neuer Schreibtisch hat zwei! Am Nachmittag trinken wir Kaffee auf dem Dach an der Sonne. W. zum ersten Mal in seiner neuen Brille mit aufsteckbarem Magnetsonnenschutz, und essen den Rest des Orangenkuchens auf. Lecker! Schmeckt nach dem Herzen Europas, aus dem ausgerechnet dieses eine Wort (lecker) für immer verbannt werden soll. Aber das gemeine Volk spricht, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Ich lerne von Barsha (Nepali for beginners) bereits in der ersten Lektion, dass das Verb in ihrer Sprache immer an letzter Stelle steht.