Samstag, Mai 31, 2025

badal

Kürzlich lernten wir das Wort für Wolken: badal. Es ist fast gleichlautend mit dem Wort für Affe: badar. Kaum hatte ich die beiden Wörter in mein Schulheft geschrieben, entdeckte ich auf dem Heimweg auf den Stromleitungen über der Golfutar eine im Abendlicht turnendende Affenbande. Kaum hatte ich zu Hause mein Anki (Sprachlernprogramm) auch noch mit badam (Erdnüsse) und hade badam (Mandeln) gefüttert, ist es heute offiziell: der Monsun hat vorzeitig begonnen. Die Wolken sind vorletzte Nacht von Osten in den Himmel über dem Land eingezogen, 15 Tage zu früh. Vor der Zeit, vor dem Plan - ahead of schedule oder talika bhanda agadi. Gestern und heute hat es bei uns auf dem Hill tagsüber gar nicht geregnet und in der Nacht nur wenig. Der Regen beginnt im Osten, sagen die Monsunbeobachter und Wettervorhersager, und braucht voraussichtlich etwa eine Woche, um das ganze Land zu versorgen. 

Schlimmer sind die Prognosen: rund 2 Millionen Menschen (1,997,731) aus 457,145 Haushalte sollen durch Monsunschäden wie Erdrutsche und Überschwemmungen beeinträchtigt werden. Die Tarai-Provinz Lumbini wird am stärksten betroffen sein, gefolgt von Bagmati (das sind wir, the Capital City und Umgebung), Gandaki, Koshi, Madhesh, Sudurpaschim und Karnali. Die NDRRMA - National Disaster Risk Reduction and Management Authority - teilt in ihrem Bericht für die genannten Provinzen genaue Zahlen mit, man bereite sich auf worst case Szenarien vor (das kennen wir nun aus dem Lötschental). Starkregen, Sturzfluten, Landerosionen. Nach einem zu warmen Winter und zu trockenen Frühling.

Freitag, Mai 30, 2025

chhoto puchchhre samundri chara

Der 900. Vogel ist in Nepal eingetroffen! Ein Seevogel im Himalay, gesichtet schwimmend im Terai, im Flachland. Der Kurzschwanz-Sturmvogel tummelte sich am 2. Mai vormittags vergnügt im Koshi Staudamm in Saptari in der Provinz Lumbini. Bei seinen "typical water activities" wurde er von einem Ornithologen etwa eine halbe Stunde lang beobachtet, bis kein Zweifel mehr bestand: es ist ein Seevogel! Nun ist chhoto puchchhre samundri chara der 900. Vogel im ornithologische Register Nepals. Sein schöner Namen lehnt an die englische Bezeichnung an: short-tailed shearwater und ich kann ihn sprachlich stolz und restlos aufschlüsseln: chhoto = small, short; pucchar = tail; samundri nach samudra = ocean, sea;  chara = bird. Also short tailed sea bird, Kurzschwanzseevogel. Vereinfacht für Sturmtaucher oder Sturmvogel. Ohne Sturm und trotzdem very easy oder dherai sajilo.

Donnerstag, Mai 29, 2025

Ganatantra Diwas

Tag der Republik. Feiertag. Public holiday. Oder kein Feiertag. No public holiday. In Erinnerung an die konstituierende Sitzung vom 28. Mai 2008, die dem 240-jährigen Himalaya-Hindu-Königreich ein würdevolles oder kein würdevolles Ende bereitete. Alles ist möglich und heute weiß niemand, wann der Tag eigentlich gefeiert wird, ob heute oder gestern oder gar nicht. Ganatantra Diwas war schon vor einem Jahr, als ich zum ersten Mal nepalesischen Boden betrat. Auch wir sind damals am 28. aufgebrochen und am 29. angekommen. Weil wir, wie gesagt, in die Zukunft flogen. Ganatantra Diwas ist vielleicht so etwas wie der Tag der Zukunft. Noch gestern konnten uns im Language Hub niemand sagen, ob heute Unterricht ist oder nicht. Wie so oft ernte ich herzliches Lachen, wenn ich eine ernsthafte Frage stelle. Sie sagten, sie würden sich an keine Kalender halten. Niemand weiß, ob heute eine Militärparade stattfindet oder nicht. Ob die Monarchisten marschieren, oder die Maoisten, ob gemäßigte Kräfte oder ungemäßigte. Ob die Sttraßen frei sind oder gesperrt. Ob es regnen wird, oder nicht, und falls ja, wie heftig und wie lange. Nichtsdestotrotz feiern wir, W und ich, auf dem Dach mit Kaffee und Kuchen, in der größten Mittagshitze, wie immer, unsere bescheidenen Erfolge und Misserfolge.

Gestern bin ich auf dem Heimweg mit meinem chalak auf der Hero so verhagelt worden, wie noch nie. Ungefähr zeitgleich mit der Eis- und Gerölllawine, die Blatten im Lötschental verschüttete. Wir hatten beide nichts dabei, und die Gegenfahrbahn blieb staubtrocken. Bis ich vor dem Dragon vom Hintersitz abstieg, waren auch meine Klamotten im warmen Fahrtwind wie tumblergetrocknet. Trotzdem bestellte ich "hot water", denn heißes Wasser tut immer gut. Aber der neue Keller wollte oder konnte es absolut nicht verstehen, bis ich es ihm, von google übersetzt, in Nepali auf meinem Smartphone zeigte: tato pani.

Mittwoch, Mai 28, 2025

chalak

Vor einem Jahr habe ich Dithmarschen zum ersten Mal Richtung Kathmandu verlassen. Traf mit 40 Kilogramm Gepäck meinen Gatten nach 10 Jahren Trennung in Hamburg am Flughafen und wir steuerten unsere gemeinsame Zukunft an. 

Heute weiß ich, was Pilot auf Nepali heißt - Pilot ist ein driver, wie mein Bikefahrer oder Ws Taxifahrer, ein Flussschifffahrtskapitän oder einfach Bootsführer: chalak.

Der Pilot steuert sein Gefährt durch die Luft, ist also ein hawai jahaj chalak - von hawai = wind und jahaj = Fahrzeug oder Schiff. Der Taxifahrer ist ein gadi chalak - von gadi = Auto. Mein personal driver ist selbstredend ein motorcycle chalak. Ich könnte ihn auch etwas gestelzt dui pangrae chalak nennen, das tut aber kein vernünftiger Mensch! Von dui = 2 und pangrae = Rad. Der motorisierte Zweiradfahrer. Oder korrekter der Fahrer eines motorisierten Zweirads. Oder onomatopoetisch bhatbhate chalak - der Brummbrummdriver.

Dienstag, Mai 27, 2025

Neumond

08:47 local time. Neumond. Ich bin pünktlich zurück vom Laxmibaum, dem frisch ergrünten Bodhibaum, dem Shivatempel, meinem Qigong, meiner Meditation, meinen Gedanken am Morgen. Aussortiert und wohlgeordnet. Nun kann alles von vorne neu anfangen.

Verheiratete Hindufrauen feierten gestern Vata Savriti. Sie versammeln sich um einen Banyanbaum, umwickeln den Stamm mit Baumwollfäden, beten und fasten bereits seit drei Tagen für die Gesundheit und ein langes Leben ihrer Ehemänner und Kinder. Heute dürfen sie wieder essen. 

Montag, Mai 26, 2025

Rollentausch

Nicht nur Bäume nehmen plötzlich ein anderes Wesen an. Ich fuhr heute happy nach zwei Tagen Abstinenz hinten auf einer Benelli (hatte ich noch nie!) durch die Stadt. Sehr viel Verkehr, die Fahrt dauerte so lang wie noch nie. Trotzdem war ich pünktlich im Language Hub. Aber Pranai, unser Lehrer nicht! Er nennt sich "guru", obwohl es gleich mehrere nepalesische Wörter für Lehrer im Sinne von Education gibt - siksak oder pradhyapak. Guru ist nicht nur in meinem Kopf eher der spirituelle Führer und geistige Lehrer als Vokabeleinpeitscher. Wie auch immer. Im Hauptberuf ist Pranai Arzt und in dieser Funktion ist er heute unserem Sprachunterricht ferngeblieben. Er konnte das Krankenhaus nicht rechtzeitig verlassen, ob aufgrund eines Notfalls oder falscher Schichtplanung, weiß ich nicht. 

Ich kontaktierte meinen personal driver. Der übt tagsüber einen Officejob aus. Zeichnet tricks am Bildschirm. Schreibt I will come, maam. Dieses maam versuche ich ihm seit Tagen auszutreiben. Er solle mich beim Vornamen nennen. Schließlich bin ich auch artist.

Der driver ist kein driver, der guru kein guru, die maam keine maam. Der Baum ein Strauch und der Kaffee Passion. 

Sonntag, Mai 25, 2025

Passion

Immer, wenn es regnet, denke ich an meine Bäume. Nun sagt der Gärtner, der verhindert war und den driver schickte zum Einpflanzen, dass der Kaffeebaum ein Passionsfruchtbaum sei. Und das Internet sagt, der Passionsfruchtbaum sei gar kein Baum, sondern eine Kletterpflanze. Ein Strauch genauer gesagt, der Rankhilfe brauche. Einen Kaffeebaum könnten wir aber auch noch bekommen, verspricht der Gärtner. Das heißt, dass der Baumschüler, der als Kaffeepflanze meinen Garten betrat umgesetzt werden muss, denn er besetzt den Platz - im Schatten eines anderen Baumes - den der Kaffeebaum bevorzugt und kann sich selbst an dieser Stelle, Regen hin oder her, als wild wuchernder Strauch gar nicht entwickeln. 

Samstag, Mai 24, 2025

Muna Madan

Samstag. Feiertag. Frei-Tag. Ich lese endlich Muna Madan. Fange noch einmal von vorne an und lese, während es regnet ohn' Unterlass, auf dem Sofa in einem Schwung. Traurig. Am Ende. Romantisch zwischendurch. Und unverständlich. Natürlich gibt es viele wunderschöne Sätze, die wahrscheinlich im Original noch poetischer sind als im schroffen Oxford-Englisch. Aber die Geschichte ist nicht hieb- und stichfest erzählt, es sind nicht alle Ritzen zugekittet. Warum stirbt Muna, bevor Madan nach Hause zurückkehrt? Die Mutter liegt auf dem Sterbebett, erkennt ihren spät Heimgekehrten Einzigen Sohn rechtzeitig vor dem letzten Atemzug. Aber die Geliebte, Muna, die Schwiegertochter und Ehefrau ist bereits nicht mehr. Mit einem Satz dahingerafft: Poor Muna turned blue all over within seconds. Mit einer Frage alleingelassen: how could the city wretch fabricate a letter saying Madan was dead? Ich verstehe das nicht. Mir erschließt sich die Logik nicht. Danach seitenweise das Jammern des Unglücklichen, der unterwegs seine Zeit vertrödelte und die Liebe leichtsinnig aufs Spiel setzte. Mit Geschäftemachen und Goldscheffeln. Krankheit und Genesung. Der, zu spät zurückgekehrt nicht den Mut hat, ihr sofort zu folgen mit Gift, sondern es vorzieht an gebrochenem Herzen eines natürlichen Todes zu sterben, nach weiteren langen 159 Versen. Endlich! 

Freitag, Mai 23, 2025

Der rote Regenschirm

Die einzige Person, die hier bisher offen von monsoon spricht, ist eine Mitarbeiterin des zum Cafè Soma gehörenden Shops. Ich stehe mit ihr ziemlich lange vor der verschlossenen Toilettentür an, im Trockenen wohl bemerkt, aber rund um uns herum staut sich das Wasser bereits knöcheltief und der Regen rauscht unvermindert laut und heftig auf das schmale Dach über uns. Wir fragen uns beide, was eine Frau eigentlich so lange hinter dieser Tür tun kann, wechseln aber schnell das Thema und kommen auf das Naheliegende: das Wetter. Sie fragt mich, wie mir der monsoon in Nepal gefalle. Ich weiß wirklich nicht, was ich sagen soll. Solange ich ein Dach über dem Kopf habe ... Bisher hatten alle, wirklich alle meine Gesprächspartnerinnen unisono bestritten, dass es sich bei den derzeitigen unwetterartigen Regengüssen um monsoon handele. Nein, der beginnt erst am 13. Juni. Was jetzt vom Himmel fällt, ist einfach Regen. Manchmal begleitet von Blitz und Donner. Also Gewitter.

Dieser Regen ist so einfach, dass die Kellnerin galant mit einem riesigen roten Regenschirm bedient, Tische abräumt und säubert, und den Schirm in Bedienpausen an Gäste ausleiht, damit die einigermaßen trocken vom Gartentisch zum Wagen gelangen. Das Café Soma ist, wie so viele dieser Einrichtungen, eine reine outdoor-Gaststätte mit ausladenden Pflanzen, schattenspendenden Bäumen und blühenden Blumen, wilden Blätterdächern sowie einem handfesten Blechdach. Darunter trinken wir unseren Expresso aus und stöbern, bis der Regen nachlässt und von der Shopkeeperin dazu ermuntert, im Innenbereich im nicht kulinarischen Sortiment herum, kaufen zwei Bücher und endlich die in unserem Haushalt noch fehlende tissue box, ecofriendly crafted with natures touch by native tribes and local women in Nepal.

Donnerstag, Mai 22, 2025

Cha-Am

Wir haben alle die Angewohnheit, nett zu sein. Solange es folgenlos bleibt. Es regnet jetzt immer nachts, so dass auf dem Dach schlafen keine Option ist. Tom ist nach Tagen der Abwesenheit verletzt wiedergekommen. Die Tochter der Nachbarin hat ihn auf der lauten Golfutar herumstreunen gesehen. Wahrscheinlich ist er einer Verehrtesten nachgestiegen. Das kommt davon, wenn man geschützte Räume verlässt. Er hat gefressen und danach fast den ganzen Tag in seiner Box unter der Außenspüle verschlafen. Seit heute früh beißen sich ganz dünne aber nicht minder fleißige Ameisen durch einen winzigen Spalt in der Holztür von der Terrasse in den trockenen Hausflur hinein. Der Strom fällt ständig aus und das Internet stolpert. Wir sind müde und erschöpft, essen Momos und überlegen uns ernsthaft, ob wir in Urlaub fahren sollen. Ausgerechnet nach Cha-Am, aus gerechnet zum Beginn der monsoon saison.

Mittwoch, Mai 21, 2025

ne baani cha

Ich kenne mittlerweile auch alle Tankstellen auf meinem Schulweg. Alle driver müssen irgendwann den Tank ihrer Bajaj, Maruti Suzuki Alto oder TVS auffüllen. Mache fragen höflich, ob sie tanken dürften (wird erwartet, dass ich die Frage verneine?). Andere kündigen freundlich an, dass sie gleich die Straße zur Tankstelle queren müssten. Ich sage immer kehi chaina - no problem. Das Auftanken verläuft zügig, und ich bin nie in Eile. Einer füllt, der andere kassiert. Das Problem stellt sich anderswo. Auf dem Heimweg nach einer anstrengenden Nepalistunde über diverse Verbanhängsel wie ne bichaar cha (thinking of plan, for example: khanebichaar cha - I or we think of eating, jaanebichaar cha - I or we think of going, sutnebichaar cha - I or we think of sleeping. Aber: filim hernebichaar chaina - we don't think of watching the movie) ist red&black Hero mitten auf der Strecke stehen geblieben mit einem sogar für mich eindeutigen Seufzen. Die Tankstelle in Panipokhari liegt weit hinter uns und die in Budhanilkanta weit vor uns. Mein personal driver hat seine Hero vorsorglich rechtzeitig nach links außen manövriert. Er kennt sie besser als ich und lacht natürlich auf meine Frage, ob wir jetzt die schwere Maschine schieben müssten. Nein, nein! Sie läuft tatsächlich nach kurzer Pause artig wieder an, wie er das zustande gebracht hat, verstehe ich natürlich nicht. Ich verstehe vieles nicht in diesem Land und hatte noch nie in meinem Leben mit Motorrädern zu tun. 

Er ist artist, Zeichentrickfilmkünstler, trägt heute bunte geschlossene Schuhe und Strümpfe! Auch nach Sonnenuntergang noch seine blau verspiegelte Sonnenbrille. Er steuert nun die mir bekannte nächste Tankstelle an und fragt mich, ob ich ihm with petrol helfen könne. Ich verstehe die Frage richtig und kann. Ich will ja nach Hause kommen. Er auch. Ich frage mich nur, wie er das Problem ohne mich hinten aufsitzendes grammatikalisches Anhängsel gelöst hätte. Wir lernten nämlich heute auch verb + ne baani cha = has the habit of: ramailo garne baani cha. Ich habe die Angewohnheit, nett zu sein.

Dienstag, Mai 20, 2025

Gartenschere

Auch für unsere Zukunft besorge ich mir auf der Golfutar eine Gartenschere und Gartenhandschuhe. Die Gartenschere bekomme ich dort, wo ich das erste Katzenfutter gekauft hatte. Den Shop hatte ich damals als Tierapotheke eingeordnet. Es gibt Hundeleinen, Fellbürsten, Vogelkäfige, Gießkannen, Säcke voller Samen oder Dünger, jede Menge Medikamente nicht für Menschen und eben: eine erstklassige Gartenschere. Mit austauschbarer, präzisionsgeschliffener Hartstahlklinge für saubere Schnitte, ein Gelenkschmiedestück, Chromnickel in Seidenglanzausführung bietet ausgezeichnete Abriebbeständigkeit, arretierbar mit einem praktischen Schlaufenriege. Alles in korrektem deutsch auf der Verpackung, wiewohl made in China. Die Gartenhandschuhe hingegen, erklärt mir der Shutterkeeper, bekäme ich im plastic shop. Das ist in gewissem Sinne sogar logisch, denn üblicherweise sind die aus Kunststoff gefertigt. Trotzdem laufe ich zurück zu dem Mann, der mir kuttokodalo verkauft hatte, also alles andere als einen plastic shop führt. Der zieht tatsächlich einen linken und einen rechten orangen Gartenhandschuh aus einem riesigen Sack voller oranger Gartenhandschuhe. Und ich laufe happy zurück in meine guarded community auf dem Hill.      

Montag, Mai 19, 2025

Karesa bari

Auch die Gärten haben vielfältige, für mich leider schlecht memorierbare Namen. Pranai hat mir, aus aktuellem Anlass und weil mehrere Stunden hintereinander auf mich allein herabfielen, er also nur mich zum Reden motivieren konnte, das Wort bagaicha beigebracht. Im Satz mero bagaichama anjir ra cofeeko rukh cha. In meinem Garten steht ein Feigenbaum und ein Kaffeebaum. Das ist höhere Poesie! Das an den Garten angehängte -ma ist ein Anhängsel, deren es wirklich wunderliche gibt. Und Namen für die Gärten und Bäume auch. Karesa bari ist der Hausgarten, also der Garten um das Haus herum, auch ghar bagaicha (ghar ist das Haus), goth bari, kothe bari, dumna oder berabari und so weiter und so fort. Ziergärten gibt es wohl keine in Nepal, weil alles seinen Nutzen hat in diesem Land. Blumengärten auch nicht, weil Blumen überall in Töpfen herumstehen, auf den Dächern, auf den Terrassen, den Hauswänden entlang und bei der Hitze ständig mit dem Gartenschlauch gewässert werden müssen. Aber es gibt den Küchengarten, der im Gegensatz zum Hausgarten nur für die Küche oder die Köchin da ist, diese beiden aber nur saisonal mit Gemüse und Kräutern versorgt. Das verstehe ich natürlich nicht. Der Hausgarten  hingegen soll dem ganzen Haus und all seinen Bewohnern das ganze Jahr über Proteine, Vitamine und andere nutritional needs, wie ich lese, liefern.

Sonntag, Mai 18, 2025

Nachtgespräche

W's Flug war verspätet, so dass er erst nach Mitternacht ankam. Ich hatte schon geschlafen, stand aber wieder auf. Wir saßen bis um 2 Uhr auf der Dachterrasse. Es war angenehm kühl. Wir sahen den Mond aufsteigen und tranken ein Glas Hoya de Cadenas, Cava brut. Unser Ritual zum 17., diesmal erst am 18. Den Cava brut hatte ich gestern früh auf der Golfutar besorgt, zusammen mit kutto kodalo sowie zwei pot pads, heat proof, damit ich mir beim Momo-Dämpfen nicht wieder die Finger verbrühe. Ich trage liebend gerne Unzusammenhängendes in einer Tasche nach Hause. Unsere Investitionen in die Zukunft. Unsere nunmehr 8 Monate Kathmandu, unsere beiden frisch gepflanzten Bäume, die schon nächstes Jahr Früchte tragen sollen. Auch aus grünen Kaffeebohnen können wir unseren eigenen Kaffee zubereiten. Am Morgen sehen die Bäume glücklich aus, wenn es in der Nacht regnet. Tom ist nicht in seiner Hütte und verzichtet auf sein Frühstück. Ich steige auf das Trampolin und trainiere mein Gleichgewicht. W schläft den Schlaf des Gerechten. Er war mir in den letzten Tagen ein paar Stunden voraus und ist nun wieder resettet. 

Samstag, Mai 17, 2025

kutto kodalo

Zur Feier des Tages kaufe ich für unsere Zukunft in diesem Land ein(en) kutto kodalo. Ich wusste nicht, wie das Werkzeug heißt, an dem nun kein Weg mehr vorbei führt. Ich muss es haben! Ich fragte die Hilfsgärtnerin gestern, wo ich das herbekomme. Sie wusste es nicht, riet mir aber, zu einem Metallwarenhändler zu gehen. Der würde es, falls er es nicht hat, an Ort und Stelle herstellen. Leider vergaß ich sie zu fragen, wie es heißt, das Ding oder Zeug. Das wusste sie vielleicht auch nicht. Der Hauptgärtner, ihr Gatte, war verhindert. Und die Bäume eingepflanzt hat ihr driver, wie jeder driver ein freundlicher und hilfsbereiter Mensch, vielseitig einsetzbar. Er hat W. und mich schon oft zum Flughafen gefahren oder dort abgeholt.

Der machte auch die Fotos, die ich später am Tag bekam, gemacht wie für die Presse: Zwei weißgewandete Frauen mit lackierten Zehennägeln lassen den Wurzelballen eines Feigenbaums in ein vorgefertigtes Erdloch sinken. 

Auf allen Fotos ist - Shiva sei Dank! - auch das Hexenwerkzeug oder die Wunderwaffe kutto kodalo zu sehen. Also lief ich heute früh nach meiner QiGong-Meditation unter dem Laxmibaum auf die Golfutar und zeigte dem Shutterkeeper meines Vertrauens das mit den Fingern auseinandergezogene Detail eines Bildes meiner Smartphonegalerie. Er schüttelte den Kopf und zeigte auf die andere Straßenseite. Wie immer muss ich höchstens eine viel befahrene Straße überqueren - und das hatte ich früh gelernt! Vor fast genau einem Jahr in Lalitpur! - um mein Ziel zu erreichen. Mittlerweile kennen mich alle, auch die, bei denen ich zum ersten Mal vorspreche. Man sieht mich und wundert sich nicht über meine Wünsche. So etwas Unentbehrliches braucht natürlich jeder Mensch in Nepal, auch in der Hauptstadt!         

Kutto ist ein traditionelles, eher kleines Hand-Werkszeug. Die Bäuerinnen lockern damit im Garten die Erde auf. Kodalo ist so etwas wie der größere Bruder, (dai unter den Menschen), hat vorne eine breite Kante, damit kann man oder frau im nu richtige Löcher ausheben. Und Bäumepflanzen zum Beispiel. Mein kutto-kodalo ist die Verschmelzung der beiden. Im wahrsten Sinne des Wortes. Das ist so raffiniert, wie vieles in diesem Land. Man braucht nur ein Ding mitzunehmen aufs Feld oder in den Garten. Auf der einen Seite die Spitze, auf der anderen die Hacke. Es liegt schwer und gut in der Hand! Jetzt muss ich nur noch lernen, barfuß in slippers im Garten zu arbeiten, ohne mir den Fuß aufzuschlitzen. 

Freitag, Mai 16, 2025

anjirko rukh

Freitag ist Zeit für Pflanzenpoesie. Die jungen Bäume kamen zu Zweit. Jeder mit einem bereits kräftigen Wurzelballen. Rechtzeitig vor dem Siebzehnten.

Der eine will im Schatten des anderen wachsen. 

Kaffeebaum (kaphiko rukh) und Feigenbaum (anjirko rukh).

Außerdem am Pfeiler (nicht im Bild) eine Kletterrose und Zitronengras.

Donnerstag, Mai 15, 2025

Ice Funeral

Auch im Himalaya sterben die Gletscher. Der Yala Gletscher in Langtang hat seit 1970 zwei Drittel seiner Masse verloren, seit 1974 steht er unter ständiger Beobachtung der Wissenschaft. Nun haben die Buddhisten das Requiem für ihn abgehalten. Ice Funeral - Eisbestattung. Feuerbestattung wäre zynisch. 

Auch der Everest beklagt bereits Tote. Im Camp IV starb an Erschöpfung oder Selbstüberschätzung ein Filipino. Er gilt nun als das erste ausländische Bergsteigeropfer dieser Saison. Ein trauriger Superlativ. Auch zwei Sherpas sind bereits umgekommen, aber die kommen in eine andere Statistik. Arbeitsunfall. 

Auch meine Statistik weist erbärmliche Fehldeutungen auf. Während der ersten vier Wochen fand mein Nepali for foreigners-Unterricht in Thamel von 1-2 pm statt. Ich hatte keine Chance, über inDrive meinen now personal driver zu buchen. Denn der geht zu dieser Tageszeit seiner Hauptbeschäftigung im Filmstudio nach. Ab der 5. Woche, also seit dem 21. April lernen wir zu einer kühleren Stunde, von 5-6 pm. Am 12. Schultag nach der Verlegung fuhr ich zum ersten Mal auf Black Hero nach Hause. Ergänzend - oder die Statistik um einen Tag erleichternd - kommt dazu, dass ich am 30. April mit meiner australischen Klassenkameradin nach einer frustrierenden Stunde zum dinner ging. Wir mussten unsere wirren Gedanken sortieren und ich bestellte mein Bike erst spät zu stockdunkler Nacht. Da parkte die Black&Red Hero bereits irgendwo und ihr artist-driver hatte anderes zu tun, als durch die Stadt zu brausen. Er wiegte seine Tochter in den Schlaf mit purzelbaumschlagenden Muskelprotzen auf grünen Wiesen vom winzigen Smartphonebildschirm. 

Ich kann bei inDrive meine history abrufen, jede Minute Fahrt mit Maschinentyp und -Farbe, Kennzeichen, Status des Fahrers, Foto und Fahrpreis. Wie lange das alles gespeichert bleibt, weiß ich nicht. In meinem Fall seit Anbeginn, seit ich eine nepalesische Telefonnummer nutze. Trotzdem steigt unsere Überlebenschance nicht. Die Dauerüberwachung rettet weder das ewige Eis noch schützt sie vor Fehltritten.

Mittwoch, Mai 14, 2025

outdoor experiment

Das Haus heizt sich tagsüber sehr auf. Am Mittag, wenn es an meinem Schreibtisch unter dem Dach unerträglich wird, kühle ich mich im Pool ab. Die Nächte will ich endlich auf dem Dach verbringen. Nachdem alle Bambusleitern und Bambusgerüste abgebaut sind und kein Handwerker mehr unbemerkt hochsteigen kann. 

Ich bestellte eine Ultra-Light Foldable Inflatable Mattress. Die kam prompt und erwies sich als überraschend angenehm. Zwar nicht vollständig selbstaufblasend, aber mit ein paar wenigen Atemstößen von mir tatsächlich optimal gefüllt für mein Gewicht. Gestern, nachdem der schwere Mann mit dem schweren Koffer mit einem geräuscharmen und keine Abgase ausstoßenden E-Taxi zum Flughafen aufgebrochen war, schlug ich mein Nachtlager auf der Dachterrasse auf. Zündete ein Rahat - citronella incense stick - gegen Mücken an. Kroch in den ultraleichten Schlafsack, in dem ich in einem früheren Leben in Dithmarschen die wenigen warmen und trockenen Sommernächte im Garten verbracht hatte. Und guckte in den Himmel.

Ich hatte nicht damit gerechnet, dass ich auf einem Steinboden liege, der tagsüber in der brütenden Sonne soviel Wärme speichert, dass er sie die ganze Nacht über abgeben kann. Ich lag auf einem Ofen, einbem Feuer, einem brodelnden Vulkan, so schien es mir. Und erwachte kurz nach Mitternacht schweißgebadet. Der Schlafsack war für eine Achttausenderbesteigung oder das feuchtkühle Klima an der Nordsee gemacht, aber nicht für Kathmandu im Mai! Mir war viel zu warm. Das Räucherstäbchen war abgebrannt und ich geriet schnell in Panik, dass sich nun alle Moskitos in meinen feuchten Hautfalten suhlten. Ich floh in mein kühles Schlafzimmer.

Experiment abgebrochen, nicht aufgegeben. Jede Panik gerät bei Tageslicht leicht ins Lächerliche. Unter der Dusche entdecke ich an meinem ganzen Körper keinen einzigen frischen Mückenstich! Ich werde einen ultralight cotton sleeping bag besorgen. Und dann sehen wir weiter.

Dienstag, Mai 13, 2025

Red Hero

Gestern abend habe ich in der Dunkelheit, aber bei Vollmondschein zum Haarschneidegerät gegriffen und die Haare auf 6mm gekürzt. Bei der Hitze und mit täglichem Schwimmen wurde mir die Mähne zu anstrengend, außerdem sah ich allmählich altbacken aus. Heute fragt Pranai natürlich, ob ich die Haare geschnitten habe und ich bestehe darauf, dass ich sie nicht schneiden ließ, sondern selbst Hand anlegte, und zwar gestern, nicht heute. Also: Hijo maile afnu kapal afail katae.

Heute ist normaler Arbeitstag, also holt mich mein personal driver ab. Die Black Hero erweist sich bei näherem Hinsehen als Red Hero, oder zumindest red&black. Sie ist blitzeblank geputzt. Und mein driver entpuppt sich als artist! Macht 3D Animationen. War früher mit dem Fahrrad unterwegs und hat sich vom ersten guten Gehalt diese Red&Black Hero gekauft. Mein artist-driver kann denken und hat in seine Zukunft investiert! Er ist ein bisschen eitel, aber voller positiver Energie! Hinten auf dem Bike bekomme ich einiges mit, was mir der Fahrer vorne lieber nicht verraten will. Wir sitzen 20 Minuten lang, oder länger, je nach Chaos auf den Straßen, ziemlich eng aneinander. Bei Regen unter dem dem doubblecape noch enger. Dass Rajesh erst an meinem 30. Schultag aufgetaucht ist, bedeutet nichts. Zeit spielt keine Rolle in diesem Land. Nur Punkte, Linien, Koordinaten. Nach Schulschluss gebe ich meine Position und mein Fahrziel ein. Es ist immer dieselbe Route, immer gute 6 km, immer kurz nach 6 pm, oder später, wenn Pranai nicht zu stoppen ist. Es melden sich immer sofort ein halbes oder ganzes Dutzend Biker, in und um Thamel wimmelt es von freien Bike- und anderen Taxis, auch Rikschas wären zu haben. Ich gebe immer dem ersten, ungeachtet der Farbe und der Marke, den Zuschlag. Die Black Hero befand sich letzten Mittwoch auf pole position, und ich kann heute bereits akzentfrei den Namen ihres drivers aussprechen! Wie alle Nepali nennt er mich höflich maam, ma'am, ma'dm. Letzten Mittwoch war er im ersten Moment perplex und sagte: oh! I didn't think you are not Nepali ... Er hat sich also auch nichts dabei gedacht, als er mir auf meine Anfrage sein Angebot unterbreitete. So funktioniert inDrive. 

Unsere Heimwege kreuzen sich nicht, sie liegen bis auf den letzten Kilometer exact aufeinander. Vor der Haustür zeigt er mir ein paar Kungfu ähnliche Animationen auf dem Smartphone. Dann braust er davon, happy über den Hill ins Tal hinunter zu Frau und Kind (two years old daughterchild). 

Ich happy hinein zu Mann mit bereits gepacktem Koffer. Die beiden fliegen heute Nacht nach China. Vorher haben wir Hunger. Ich lege die letzten Momos in die Dämpftöpfe.

Montag, Mai 12, 2025

Gautam Buddha Jayanti

Feiertag: Lord Buddhas Geburtstag. Und Vollmond. Maivollmond, Mikromond, weil er im Apogäum, am erdentferntesten Punkt steht. Auch flower moon, planting moon, milk moon oder hare moon genannt. Alle, die Heiden und Nichtheiden, die Buddhisten und Nichtbuddhisten, die Christen und Nichtchristen, die Floristen, die Naturalisten, die Baumverehrer und -umarmer verbinden mit diesem Mond ein- und dasselbe: Fruchtbarkeit, Wachstum, Regeneration, Wiedergeburt, Neuanfang, Magie. Unser Feigenbaum, anjirko rukh, frönt sein Dasein noch im GATE-Garten und wird uns das Umpflanzen zu einem späteren Zeitpunkt hoffentlich nicht verübeln.

Sonntag, Mai 11, 2025

rukha

Ungeachtet der Zeit, die unerbittlich abläuft und doch unbestimmt verbleibt, pflanzen wir einen Baum - haami rukha ropchau - in unseren kleinen Garten. Nachdem das letzte heftige Gewitter alle Renovierungsmängel auf einen Schlag zutage gebracht und der letzte Klempner die letzten verstopften Abläufe gesäubert, der letzte Maurer die letzten lauten Handgriffe verrichtet, der letzte Maler das letzte Grau ohne zu kleckern aufgetragen hat, ist nun endlich der Baum an der Reihe. Wir wollten einen Mangobaum, das sagte ich schon. Nun kommt aber ein Feigenbaum, weil der schnell wächst und uns bald süße Früchte beschert.

Er kommt NICHT. Der Pflanzer sagt im letzten Moment ab. Terminkollision. So ist das hier. Ich lerne stattdessen, dass es 36 einheimische Ficus Arten gibt, die als Futterbäume, Brennholz oder in der Medizin Verwendung finden. Nur am Rande werden die Früchte von Menschen verzehrt. Zehn Fici gelten den Hindus und Buddhisten als heilig, darunter die Ficus religiosa (Pipal), F. benghalensis (Bar), benjamina (Sami) und racemona (Dumri). Jede Art hat mindestens zehn verschiedene local names. Ich erfrage wenigstens den Namen des jungen Sprösslings, der in unserem Garten aufwachsen soll. Und erhalte zuerst die Antwort Anjir. Und eine Minute später: or Newara. Das Verzeichnis der Feigenbäume in Nepal nennt Anjir als umgangssprachlich hindi oder nepali für Ficus palmata oder Ficus auriculata. Newara kennt es nicht. Es bleibt also weiterhin geheimnisvoll.

Samstag, Mai 10, 2025

kharani rang

Es gibt zwei Farben in der nepalesischen (Hoch-)Sprache, die gleichzeitig eine Sache bezeichnen und darum, wenn die Farbe gemeint ist, das Wort für Farbe - rang, wie wir nicht erst seit gestern wissen - hintangesetzt werden muss. Es werden noch viele andere Silben und Wörter hintangesetzt in dieser Sprache, eigentlich ist sie ein einziges Hint- oder Voransetzen, aber dazu vielleicht ein andermal mehr. 

Heute ist der bisher heißeste Tag des laufenden Jahres (egal nach welchem Kalender wir leben) und heute trägt der letzte Maler die letzte, perfekt glatte Schicht auf unser Dach auf in imprägnierendem Grau! Kharani rang. Das ist die wohl allerletzte Etappe der Renovierung. Die wasserdurchlässigen Fenstersimse im Erdgeschoss wurden gestern früh allesamt mit lautem Getöse abgeklopft und neu im Gefälle nach außen unten wieder angebracht. Kharani rang ist grau. Ich bin ergraut, dh meine Haare sind grau. Mero kapal kharani rang cha. Kharani heißt auch Asche. Deshalb muss die Farbe dazugesetzt werden, wenn nicht von Asche die Rede ist. Irgendwann wird alles an mir zu Asche zerfallen sein, einschließlich der grauen oder bis dahin schlohweißen Haare.

Die andere Farbe ist lebensfroher: suntale rang ist orange und suntale die Orange zum Essen oder Trinken, wenn ausgepresst. Suntale in Nepal haben die Größe italienischer Mandarinen und sind sehr süß, saftig und voller Kerne. Auch die hatten wir schon. 

Freitag, Mai 09, 2025

Rang haru

Heute fahre ich mit brown hero. Mein personal driver hat sich abgemeldet. Er ist out of the valley. Das hat er mir gestern abend angekündigt und heute Vormittag bestätigt. Vorbildlich!

Freitag ist der glücklichste Tag der Woche, sagen die Nepali, weil es der letzte Arbeitstag ist. Dies, obwohl sie, wie Pranai sagt, nicht an die Zukunft denken und keine Vorstellung von Zukunft haben. Das erklärt manches, aber nicht, warum sie freitags glücklicher als an allen anderen Tagen der Woche sind. 

Wir bekommen den Song "Rang haru" der Topiband ins Ohr. Den Text auf Papier in die Hand. Den Titel würde ich frei mit farbenfroh übersetzen. Die Musik sagt mir nichts. Ich habe keine Ahnung, worum es geht, Tara auch nicht. Die anderen beiden sind nicht da. Um Adoleszenz - verrät der Lehrer schließlich. Dieses Lebensgefühl liegt weit hinter mir, und Tara steckt möglicherweise noch am Rande drin. Also gibt es doch eine Ahnung von Zukunft? Frage ich. Wenn das Erwachsenwerden Angst bereitet, Unsicherheit, Einsamkeit, Verlorenheit ... wir sollen uns zu Hause das Video anschauen, rät der Lehrer. Die Unterrichtsräume sind so gut technisch nicht eingerichtet. Macht nichts. Wir würden uns wundern, verspricht er. Das kann man auch am Abend. Er kommt in Fahrt. Was ich als mangelndes Gefühl für Zeit, für unerbittlich ablaufende Fristen, für fallende Kalenderblätter bezeichne - rückt er in ein anderes Licht. Nicht nur sprachlich. Auch emotional, mental, historisch, kulturell, politisch. Er ist nicht mehr zu stoppen und überzieht gnadenlos. Letztlich bin ich dem Schicksal dankbar, dass die black hero heute in Budhanilkantha parkt und nicht im Gedränge auf der engen Amrit Marg vergeblich auf mich wartet.

Donnerstag, Mai 08, 2025

Pachali Bhairav

Pranai quält uns mit Monsteraufgaben, wir sollen 2 x 5 Sätze zu den beiden Fragen: Was Nepal auszeichnet und was die Nepali auszeichnet, aufschreiben. Und dann noch beliebig viele Sätze wohl geformt formulieren zu der Frage, was uns an Nepal gefällt - oder nicht gefällt. Ich seufze, wie immer, und sage, das schaffe ich nie. Er lacht, wie immer und sagt, wie alle Nepali: don't worry, think! Zur Belohnung erzählt er uns am Schluss die Geschichte des Dämonen Pachali Bhairav und seiner Geliebten Ajima. Pranais Version der Geschichte ist reichlich wirr und ich verstehe, wie so oft, das Grundprinzip dieser Sagen nicht. Warum liebt eine ganz gewöhnliche Frau ausgerechnet einen Dämonen? Auch dann noch, als er ihr sein wahres Wesen offenbart. Das ist im wahren Leben wahrlich nicht anders. Ajima wird aber vom Götterhimmel belohnt für ihre Liebe. Sie steigt selbst in den Olymp auf, wird nach einem fulminanten Ausbruch rein negativer Gefühle (Liebeskummer, ungestillte Sehnsucht, rasende Wut, tiefe Verzweiflung) zur Göttin Indrayani erhoben. Hier könnt Ihr sämtliche Versionen nachlesen und Euch selbst ein Bild machen. Götter sind unberechenbar!

Die Straße hingegen ist berechenbar. Rajesh hat sich bereits 3 x gemeldet, dass er unterwegs sei, aber aufgrund von huge traffic jam sich ein paar Minuten verspäten könne. Tut er nicht und ich komme früher auf den Hill als je zuvor.

Mittwoch, Mai 07, 2025

Black Hero

Endlich ist er am Horizont aufgetaucht: Rajesh, my personal driver! Seit bald 7 Wochen bestelle ich an 5 Tagen der Woche täglich zweimal einen Fahrer von inDrive. Der erste bringt mich auf seiner Honda oder Yamaha nach Thamel, der zweite auf ebenso einem Teil zurück nach Hattigauda. Manche reden, manche nicht. Mir ist es lieber, wenn sie sich nicht reden und sich auf das Fahren konzentrieren. Manche wollen wissen what's your country oder how long are you in Nepal. Alle, ob sie schweigen oder nicht in dem höllischen Lärm rundum, bewegen sich absolut souverän mit ihren Maschinen durch das absolute Chaos. Um nicht als blöde Touristin hinten zu sitzen, sage ich jedem, der es hören will, dass ich im Chhaya Center - meiner immergleichen Hinbring- oder Abhol-Destination - weder shoppe noch zum Frisör gehe oder Filme gucke, sondern ihre Sprache lerne: Ma nepali bhasa sikdai chhu.  

Als ich heute abend auf dem Hill von Rajeshs Black Hero stieg, fragte er mich, ob ich jeden Tag zu dieser Zeit nach Hause gefahren werden möchte. Yes, antwortete ich und zählte ihm sein Honorar mit Trinkgeld auf die Hand, every day. Monday til friday, sombaar dekhi sukrabar. Unterwegs hatte er mich gefragt, ob ich die location, zu der er mich bringen soll, kenne. Diese Frage stellen viele, und alle sind erleichtert, wenn ich bejahe. Dann entlaste ich sie nämlich auf den letzten Metern und führe sie mittlerweile routiniert und höflich, noch ein bisschen geradeaus, sidha janus, und hier bitte nach rechts, daayaa modnus bis vor meine Haustür. Rajesh hatte mir außerdem unterwegs erzählt, dass er nicht weit von meiner location sein Zimmer (my room) habe. Also wohnt er bescheiden und ist ein kluger Kopf! Ein Mann, der denken kann. Der seinen Heimweg mit meinem kombiniert. Er könne mich jeden Abend, verspricht er, zu dieser Zeit abholen. Und bittet mich, nicht mehr über inDrive zu buchen. Gesagt, getan. Same time, same price. Handschlag. My private driver!  

Auf diese brillante Geschäftsidee kam in genau 29 Schultagen (2 x war Feiertag, 1 x sagte Pranai ab und 1 x schwänzte ich, weil die Maler im Haus waren) mit genau 58 Fahrten resp. 57 Fahrern (sie waren ausnahmslos männlich, und nur einer, der erste, dieser Tausendsassa kam zweimal) keiner. Bis heute - am 30. Schultag der 58. Fahrer auf seiner Black Hero.

Dienstag, Mai 06, 2025

Das imprägnierte Haus

Das frisch renovierte Haus lebt. Es kann atmen und trinken. Es ist Wind- und Wasserdurchlässig. Oben auf das Dach und auf alle vorstehenden Simse und Zinnen bekam es Marmor und frischen Beton, rundum eine dicke Schicht weißer Farbe. Unten hat es nasse Füße.

So ein Wetter wie diesen Winter, sagen unsere hier geborenen Freunde, gab es noch nie. Ein viel zu warmer Winter, viel zu trockener Frühling, viel zu heißer April, viel zu nasser Start in den Mai ... Die Frage, ob der Monsun bereits da sei, wird immer verneint. Nein, unmöglich! 

Alles ist möglich, nur das nicht. 

Gestern abend regnete es heftig und heute Mittag noch heftiger. Statt Vokabeln zu lernen oder den Pool zu nutzen, lege ich das Wohnzimmer trocken und laufe mit Lappen treppauf, treppab auf der Suche nach weiteren Pfützen. 

Montag, Mai 05, 2025

Jacarandasegen

Nach dem Wochenende wieder auf dem Bike in meine Schule. Und wieder ist die Stadt ganz anders. In leuchtendes Violett getaucht. Ich mag es gar nicht glauben und kann während der rasanten Fahrt nicht knipsen. Das tun andere von Berufs wegen geschickter als ich.

Im Klassenzimmer sitze ich allein mit Pranai. Er bringt mir, auf meinen ausdrücklichen Wunsch hin, die 36 nepalesischen Konsonanten bei. Ich schwitze wie eine Erstklässlerin. Das ungeschickte Malen der ungewohnten Linien und Bogen ist das Eine. Das ungewohnte Artikulieren das Andere. Konsonanten sind hier Silben, die in einem geometrischen Netz angeordnet werden können. 7 Linien, 5 Positionen. Barsha macht das überzeugend vor.

Auf dem Heimweg wird es dunkel, der Jacarandasegen ist wie ein Abendgebet.

Sonntag, Mai 04, 2025

Schmetterlingseisenbahn

Es hat in der Nach geregnet und es regnet den ganzen Morgen in Strömen. Um das Haus bildet sich wieder ein See. Ganz ohne geplatzte Wasserleitung. So muss es während der Regenzeit sein. Vielleicht hat sie bereits begonnen. Tom bettelt nicht und will nicht aus seiner Hütte kommen. Ich serviere ihm das Frühstück unter der offenen Küchentür. Kaum hat er es verputzt, zieht er sich wieder unter seine frisch gestrichene Spüle in seine zerbeulte Schlafbox zurück. Vielleicht ist auch er einfach nur froh, dass keine fremden Menschen mehr in unserem kleinen Hinterhof herumstehen, herumlärmen, herumsteigen, herummachen, herumtelefonieren, herumfuhrwerken, herum ... herum ... herum ...

W schläft bis zum Mittag und will gar nicht glauben, dass es in Strömen geregnet hat. Die Sonne scheint und der See ums Haus ist ausgetrocknet. So schnell ändert sich hier alles. Ständig und rapide. Im Schnellzugstempo, obwohl es in diesem Land keine Schnellzüge gibt. Am Freitag kam in dem lyrischen Heimatliebessong, den mir Pranai mitgebracht hat, die interessante Metapher der vielleicht elektrisch hell erleuchteten und [durch die Nacht?] fahrenden "Schmetterlingseisenbahn" vor: Bijuli baleko hola maj janey putali relaima ... auch mal schlecht nachgesungen, dafür einleuchtend visualisiert.

Es gibt zum Origininalvideo ein "Behind the scenes" - wie immer ist so ein dahinter auch einleuchtend, lustig, tiefsinnig, viel spannender und weniger romantisch im Regen hinter Scheibenwischern, und so weiter und so fort. Höchst sehens- und hörenswert!

Samstag, Mai 03, 2025

Naya Patrika

Ich marschiere am Morgen mit meinem bis auf wenige MB vollen Notebook zu meinem Gewährsmann auf der lauten Golfutar. Er schläft in der Ecke hinter dem Tresen, auf dem Bildschirm vor ihm spult sich in derselben Ecke die Geschichte irgendeines Heimatfilms ab. Auf mein namaste springt er sofort auf und macht sich an die Arbeit. Schraubt das Teil auf, setzt eine neue Festplatte ein, steckt die alte mit meinen sensiblen und unsensiblen Daten in ein schwarzes Kästchen, das ich mit Kabel und USB-Stecker mit der neuen Festplatte verbinden kann. Dann installiert er mir alle meine Programme. Weil das ein bisschen dauert, unterhalten wir uns gepflegt. Auf dem Tresen liegt die heutige Ausgabe der नयाँ पत्रिका. Der Computerspezialist transkribiert mir den Titel und erklärt: Naya = new, Patrika = paper. Newspaper. Wie alle Nepali sagt auch er, ich würde die Sprache im Nu lernen. No problem. Easy. Die einfachste Sprache der Welt! 

Den Rest des Tages verbringe ich damit, meine alte Routine mit der neuen Festplatte wieder zu erlangen.       

Freitag, Mai 02, 2025

2. Mai

Die Handwerker packen ihr Zeug zusammen. Bauen die Bambusstangen ab. Putzen den letzten Dreck weg. Nehmen den Müll, ihre Arbeitsklamotten und ihre Slippers mit. Slippers heißen hier chapaal, feste Schuhe jutta. Chapaal erinnert von ferne an Antons Schlärpli, Jutta an eine Mitsängerin. Mit anderen Worten: Der Sprache ist nicht zu trauen. Sie führt nur in die Irre. Und ich traue meinen Augen nicht, als ich nach meiner Privatstunde, die anderen foreigners sind alle ausgeflogen übers lange Wochenende, vor dem Haus vom Bike steige. Nach genau zwei Monaten ist der Spuk einfach vorbei.

Donnerstag, Mai 01, 2025

1. Mai

Aufatmen. Ein heftiges Gewitter in der Früh, danach viel Regen. Feiertag auch in Nepal. World Workers Day. W kommt so wie er gegangen ist, über Istanbul. Am Nachmittag klart es auf und die Wäsche trocknet im Nu. Wir trinken unter den wieder flatternden buddhistischen Fahnen den ersten sundowner. Ich musste sie im Zuge der Fassadenarbeiten abnehmen, ein paar Farbkleckse haben sie trotzdem abbekommen. Macht nichts. Wir leben in einer bunten Welt.