Mittwoch, September 17, 2025

Tag der Trauer

Es kommt alles auf einmal. Der 17. September und der 1. Ashoj. Public holiday im ganzen Lande, alles auf Halbmast, Trauerbeflaggung, Tag der Trauer im Gedenken an die Gen Z-Märtyrer. Von der Interimsregierung angeordnet, dem neuen Heimatminister in Absprache mit der PMin. Die Kinder haben schon wieder schulfrei. Auch ich habe frei. Ich beschloss mitten im curfew, dass wir, gurubaa und ich, einen Monat Pause machen. Er hat das verstanden, obwohl er jung ist und zur Gen Z gehört. Mir war klargeworden, dass ich nicht einfach weitermachen kann, als wäre nichts geschehen. Mein Kopf ist voller Rufzeichen vom Himmel. Und die Seele verloren. 

Vor einem Jahr, am 17. September 2024 AD sind wir in Kathmandu angekommen, es war auch der 1. Ashoj, des Jahres 2081 BS. Das wusste ich damals nicht. Ich wusste vieles nicht. Und von heute an wiederholt sich alles. Heute wird Bishwakarma verehrt - er gilt als der Meistermechaniker der Götter. Die Hindus feiern ihn als den Schöpfer aller fliegenden und fahrenden Geräte. So werden heute Mopeds und Autos, aber auch alle anderen Dinge des täglichen Lebens aus Metall, mit Marigold- oder Ringelblumengirlanden sowie rotweißen Schleifen geschmückt und bekommen ihr Tika! Damit sie weiterhin ihren Dienst tun. Das war schon am Tag unserer Ankunft so. Heute kommt erschwerend dazu, dass der neue Minister für Verkehr und Infrastruktur sich um den Abtransport tausender verkohlter und verschmolzener Karosserien rund um die abgebrannten staatlichen Verwaltungsgebäude kümmern muss.   

Vor ein paar Tagen schrieb meine Schuhfrau, sie hätten gerade das Zweitausendste Einsingen (Eu9) absolviert. Die singen immer noch jeden Morgen um Neun! Dieser Gedanke jagte mir einen Schauer über den Rücken. Hier denkt zwar niemand an die Zukunft, es tritt aber auch keine/r auf der Stelle. Alles ist in ständiger Bewegung und das Land, in dem wir noch älter werden wollen, als wir schon sind, gibt es gar nicht (mehr). Da braucht man sich nur eines der unzähligen Videos anzugucken, wie derzeit Brandruinen aufgeräumt werden. Hier einer der abgefackelten Bhatbhateni-Supermärkte. In Kathmandu ist kein einziger verschont geblieben, vielleicht im ganzen Land nicht. Die Wut war mächtig und das Feuer gierig. Ich glaube, Canetti hat die Reise mit mir angetreten vor einem Jahr, in einem der zerbeulten DHL-Kartons. Mit rostigen Metallstäben und Drahtkleiderbügeln wird die Asche nach menschlichen Knochen und Kiefern durchsiebt. Nach dem, was übrig bleibt von der Masse, wenn sie verbrennt. DNA-Spuren. Frauen sortieren derweil Porzellan. Teller und Tassen. Wo immer es etwas zu tun gibt, versammeln sich Frauen. Viele, viele, viele, ganz viele ganz bunt angezogene Frauen. Verrichten wie Ameisen, was ihnen aufgetragen wird. 

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