Rot sind hier die Äpfel. Nepalesische Äpfel sind unglaublich süß und glänzen dunkelrot. So schöne Äpfel habe ich meiner Lebtag nicht gesehen, so saftige nicht gegessen! Die Ernte hat begonnen und jeder Shutterstore, egal was er sonst verkauft, bietet die Früchte kistenweise an. Sie sind kleiner als die indischen und nicht einzeln von orangegelben Plastiknetzen umschlungen wie die chinesischen. Mittlerweile ist mein Blick geschärft.
Rot sieht die Jugend. Die Generation Z (die bis 28-Jährigen) protestiert heute in Baneshwar und anderswo im ganzen Land gegen einen dummen Internetbann und die grenzenlose Korruption der Regierenden. Unser Bürgermeister, Balendra Shah - einstiger Rapper, Musiker und Poet, Markenzeichen: schwarze Sonnenbrille bei jedem Wetter - unterstützt die Demonstrierenden und bedauert, dass er aufgrund seines Alters nicht aktiv mitlaufen kann. Er zählt als Mayor einer Capital City weltweit zu den Jüngeren und ist hier doch schon zu alt. Vielleicht zu unser aller Glück, brauchen wir ihn doch in seinem Amt. Es wird nämlich Tränengas versprüht, Wasserkanonen kommen zum Einsatz und harte Munition. Scharfschützen! Wer sieht hier röter? Der erste junge Demonstrant stirbt durch den Schuss eines security personel. Was immer das heißt. Danach nimmt die Wut naturgemäß zu. 7 weitere sind bereits ihren Schussverletzungen erlegen, im Krankenhaus oder auf dem Weg dorthin. Von Kopfschüssen ist die Rede. Die Zahl der Toten kann steigen, der Tag ist so jung wie das Leben. Über Hundert Verletzte. Ausgangssperren werden schon am Mittag verhängt, kaum haben sich die Demonstrierenden versammelt: rund um die Residenz des Präsidenten, im Gebiet Shital Niwas, Maharajgunj, rund um die Residenz des Vize-Präsidenten in Lainchaur, auf allen Seiten von Singha Durbar, rund um die Residenz des Premierministers in Baluwatar und in umliegenden Gebieten. Was immer das heißt. Kann jederzeit ausgeweitet werden. Wer sieht hier am rötesten?
Bilanz in der Nacht: 19 tote junge Menschen, alle von Kugeln in den Kopf oder die Brust getroffen. 17 in Kathmandu, 2 in Ithahari. Ungefähr 450 Verletzte, einige schwer und in kritischem Zustand auf Intensivstationen. Ausgangssperren in Kathmandu, Birtamod, Ithahari, Birgunj, Pokhara, Butwal und Bhairahawa bis auf Widerruf. Homeminister Lekhak übernimmt die "moralische" Verantwortung und tritt zurück. Der Druck auf PM Oli steigt. Nie zuvor in der Geschichte des Landes - weder bei den Unruhen 1950, 1990 noch 2006 - töteten bewaffnete nepalesische Staatsbedienstete an einem Tag so viele unbewaffnete nepalesische Staatsbürger wie heute. Der Mond steht immer noch voll am Himmel.

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