Heute gehen auch die Kinder wieder zur Schule. Ihre Lehrer traten schon gestern ihren Dienst wieder an, sahen in den Klassenzimmern zum Rechten, rückten Stühle und putzten. Curfew ist seit Samstag aufgehoben, aber samstags arbeitet niemand.
Es war mein zweites/r curfew in diesem Land, wenn nicht in meinem Leben überhaupt. Die erste Ausgangssperre erlebte ich Ende März, sie dauerte nur ein paar Stunden und war begrenzt auf die Innenstadt und das Regierungsviertel. Als ich meinen damaligen Nepali-Lehrer fragte, wie curfew in nepali heißt, antwortete er, dafür gebe es kein Wort. Man sage बन्द - banda, was ganz allgemein geschlossen bedeutet. Kann für alles und jedes zu jeder Zeit benützt werden. Jeder shutter, der seinen Rollladen unten hat, ist बन्द - wie geschlossen nach Ladenschluss. Auch der Kohlkopf (Gruß nach Dithmarschen!) ist banda - बन्दाकोबी bandakopi - ein geschlossener Kopf. Das ist logisch, oder? Und jeder Streik ist banda. Wenn die Busse nicht fahren, herrscht banda. Geschlossene Gesellschaft. Auf mich wirkt das Wort, wie so viele andere in dieser Sprache, konträr. Die deutsche Bande kann eine Affenbande oder eine Gaunerbande sein. Nun, beim zweiten und richtigen, mehrere Tage anhaltenden landesweiten curfew fragte ich google - gurubaa musste ja zu Hause bleiben, und bekam zur Antwort कर्फ्यू - karphyu (komplizierte Schreibweise mit dem r auf dem letzten senkrechten Strich oben und dem u darunter - aber das r wird an ganz anderer Stelle, vor dem Konsonantencluster ausgesprochen und mit dem u klingt das Wort aus). Ich traute meinen Augen nicht, schrieb aber das Wort getreulich in mein Heft. Und zeigte es gestern stolz gurubaa zur Begrüßung. Der nickte und sagte, ja कर्फ्यू. Er habe jetzt erst gelernt, dass das Wort aus dem Englischen komme. Er dachte, es sei umgekehrt. Und wiederholte sein Lebensmotto: jeden Tag etwas lernen!
Curfew stammt aber aus dem Altfranzösischen: couvre feu. Das Feuer bedecken. Eine Feuerbrünsten vorbeugende Maßnahme. Das Gesinde in den Küchen wurde zu einer gewissen Abendstunde per Glockenschlag oder Nachtwächterruf aufgefordert, das Feuer auszumachen, abzudecken. Die Engländer, des Französischen nicht mächtig, machten daraus ihr curfew. In den Pubs wurde der Glockenschlag irgendwann abgewandelt zum Ruf last order. Die deutsche Sperrstunde oder Ausgangssperre ist dagegen unelegisch und hölzern wie ein Schlagbaum.
Die Tharu- und Madhesifrauen feiern heute - Trauerbeflaggung hin oder her - ihre Jitiya Parva. Holiday for women who celebrate, sagt mein Kalender. Auch sie haben Glück - wie die Schulkinder - und dürfen sich wieder versammeln. Rund um meinen Shivatempel hocken sie seit dem frühen Morgen und plaudern und fasten, das tun sie am liebsten zusammen. Fasten und plaudern. Schon wieder für die Gesundheit ihrer Nachkommen und Geliebten.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen