Freitag, Oktober 31, 2025

Regen

Es regnet. Was soll ich sagen. In den Bergen ist es schlimmer. Bergsteiger sterben, weil die Hilfe nicht rechtzeitig kommt. Weil die Helikopter nicht fliegen können. Weil auch beim schlimmsten Wetter zuerst die Zuständigkeiten geklärt werden müssen. Eine internationale Versicherung verlangte, dass der Versicherte selbst den Antrag auf den Rettungseinsatz stellen müsse. Der lag aber unansprechbar auf 6800 Metern. Die Sherpas übernahmen, wie immer, den Notdienst und brachten den Mann in das nächste Basislager. Er starb, bevor sie es erreichten. Ich mache mir Mo:Mos am Mittag, weil ich Hunger habe und nicht aus dem Haus will. Ich stelle den elektrischen Boiler an, weil die Sonne seit Tagen ihren Dienst versagt und kein warmes Wasser mehr vom Dach liefert. Ich sammle alle verfügbaren Eimer im Haus ein und platziere sie wieder in Ws leergeräumtem Arbeitszimmer. Der Regen sucht auch den Weg ins Trockene. W ist über den Wolken. Auf dem Rückflug. Maschinen aus dem Ausland landen meist so spät in der Nacht, dass es keine Rolle mehr spielt, ob die Sicht gut ist oder nicht. Hauptsache das ILS funktioniert und die Lotsen am Boden sind noch wach. In Bancharedanda blockieren die Anwohner die Zufahrtswege zur Müllkippe. Die Stadtverwaltung bittet uns freundlich, unseren Hausmüll zu Hause zu lagern. Die locals wollen, so erklären sie auf Transparenten und vor laufenden Kameras, wie die meisten Menschen dieser Welt nicht neben einer stinkenden Müllkippe leben. Schon ihre Eltern hätten dagegen gekämpft und ihre Großeltern. Auch ihre Kinder würden, da sind sich alle einig, weiter kämpfen müssen.

In meinem früheren Leben war ich zehn Jahre Schiedsfrau für Mitteldithmarschen. Mein ultimativer Rat an zerstrittene Nachbarn war immer: wegziehen!

Donnerstag, Oktober 30, 2025

Bancharedanda

Es regnet. So lange anhaltend (nun schon den dritten Tag in Folge) trüb war es in Kathmandu in der ganzen Regenzeit nie. In Bancharedanda wird gestreikt. Deshalb bleibt unser Müll vorläufig, wo er ist. In unseren Vorgärten oder Hinterhöfen. Wenn kein Feiertag und kein Unwetter, dann eben Streik. Ich bin in der glücklichen Lage, dass ich vorgestern Trinkwasser und gestern Kochgas bekommen habe. Müll produzieren wir verhältnismäßig wenig und der kann auch stehen bleiben. Ich wunderte mich gestern schon über die Unmengen an wildem Müll an allen Straßenrändern. Wahrscheinlich streiken nicht die Müllmänner, sondern die Anwohner von Kakani in Nuwakot und Dhunibensi in Dhading haben wieder einmal die Nase voll. Und lassen die stinkenden Kleinlaster aus der Metropole nicht durch ihre Dörfer fahren. Weil der Müll aus der Hauptstadt nicht, wie es längst vorgeschrieben wäre, säuberlich getrennt nach degredable und non-degredable angeliefert wird.

Mittwoch, Oktober 29, 2025

Mittwoch

Chaos in den Bergen. Heftiger Schneefall in allen höheren Regionen. Touristen wollen nicht verzichten und nicht hören. Seit dem frühen Morgen werden vom Schnee Eingeschlossene aus der Khumburegion ausgeflogen. Ein Helikopter rutscht auf der verschneiten Landebahn in Lobuche beim Everest Base Camp aus und geht zu Bruch. Der Pilot bleibt unverletzt. Er war allein an Bord, hätte eine Handvoll von den rund Tausend festsitzenden Ausländern zurück nach Lukla bringen sollen. Ein Team der Armee rückt in Manang aus und rettet zu Fuß 1500 Trekker. Die Annapurna Route ist vollkommen gesperrt. Pilger frieren am Muktinath Tempel und wissen nicht ein noch aus. Auch die Bauern verzweifeln. Der Reis verrottet gerade vor ihren Augen. 

Es soll noch schlimmer werden, warnen die Meteorologen. Das tropische Tief Montha zieht auch auf Nepal zu. Ich ziehe Strümpfe an und hole die Winterdecken aus dem Schrank.

Dienstag, Oktober 28, 2025

Arghya

Heute ist der vierte und letzte Tag von Chhat, usha arghya. Feiertag zur noch in der Provinz Madhesh. Die Hindufrauen, die die Nacht an den Flussufern gewacht haben, steigen in der Früh in das Wasser hinein und bringen der aufgehenden Sonne Arghya dar - ein Gemisch aus Wasser und Milch. Danach beten die Mütter zu Chhatti Maiya, zur Schwester der Sonnengöttin Surya, für das Wohl ihrer Kinder sowie der ganzen Familie.  

Von Sonne nichts zu sehen. Der Festtagskalender verpflichtet auch bei schlechtem Wetter. Dauerregen. Kalt! Wieder Warnungen vor Überflutungen und Erdrutschen. Frost und Schnee Bergsteiger und Bauern sollen die Warnungen ernst nehmen. Erntearbeiten auf Ende der Woche verschieben, an sicheren Orten bleiben.

Montag, Oktober 27, 2025

Parhelion

Feiertag im ganzen Land! Der dritte und wichtigste Tag von Chhath. Zur Feier des Tages bringt uns ein Tiefdruckgebiet über dem Arabischen Meer Wind von West und beschert den Hügeln Regen, den Bergen Schnee. Am Morgen erscheint die Sonne doppelt über dem Horizont. Ein selten zu beobachtendes Phänomen in Kathmandu, wie ich lese, eine Neben- oder Gegensonne, Parhelion oder sundog - nach den Hunden des Zeus, die, wenn er mit ihnen Gassi ging - auch im Himmel herrscht Leinenzwang! - vor Freude herumtollten und die Sonne nachäfften. Das Parhelion besagt soviel, dass in der unteren Atmosphäre Eiskristalle vorhanden sind, an denen sich das Licht der echten Sonne bricht. Also beginnt der Winter! Der Tag ist trüb, wie ich noch keinen auf dem Hill erlebt habe. Die Sonne zeigt sich nach dem trompe-l'oeil den ganzen Tag nicht mehr. Trotzdem fasten die Hindufrauen und warten am Abend (vergeblich) auf den Sonnenuntergang. Sie werden die ganze Nacht am Ufer eines Flusses wachbleiben.

Sonntag, Oktober 26, 2025

Sonntag

Weder Feiertag (außer in Madhesh: Chhat, day 2: Kharna) noch Wochenende noch Zeitumstellung. Ein normaler Sonntag, Sonne ist angesagt bis zum Abend. Der Mann ist auf dem Weg zu einer Konferenz, die Frau auf dem Weg zu ihrem Schreibtisch. 

Samstag, Oktober 25, 2025

Samstag

Ein normaler Samstag, denke ich. Wochenende und arbeitsfrei. Ich bin früh auf den Beinen und außer Haus. Es ist frisch. Kein Anzeichen von Herbst. Die Blätter sind saftig grün. Vom Bodhibaum wurden untenherum während Tihar alle grünen Blätter abgerissen, die von Hand auf Zehenspitzen erreichbar waren. Einer stieg sogar auf das neue Geländer und zog einen frischen Zweig herunter. Er wollte aber nur die Blätter, rupfte sie ab und stopfte sie in die Jackentasche. Den Rest ließ er fallen. Die Nepali tragen bereits Jacken und Mützen.    

Am Muktinath Tempel in Mustang kein normaler Samstag. Schon in der Früh kamen über 5000 Pilger. Die meisten sind domestic tourists, wie ich lese. Falls man Pilger als Touristen bezeichnen will. Und weiter: Nepali Hindu Devotees. Muktinath (auf einer Höhe von 3'610 Metern) gilt für Hindus und Buddhisten gleichermaßen als मुक्ति क्षेत्र - mukti ksetra - place of salvation. Nach hinduistischen Schriften erfuhr Lord Brahma hier nach einem Feuerritual die Erlösung, nach buddhistischen brachte ein tibetischer Mönch Wasser von Berg Kailash herunter und ließ damit 108 Quellen hervorsprudeln. Alle, die sich von dem Wasser, das bis heute fließt, berieseln lassen oder darin baden, werden selbstverständlich gereinigt. Und erlöst. Heerscharen von Freiwilligen und Offiziellen sind aufgeboten, die Pilgerströme zu steuern. Bis zum Abend werden noch mehrere Tausend erwartet. In Upper und Lower Mustang beklagt man aber den drastischen Rückgang internationaler Gäste nach den Gen Z Demos.

Und kein normaler Samstag in der Mithilanchal Region im Südosten. In Janakpur beginnt heute das viertägige Chhat Festival mit Najay-Khay. Die Sonne wird angebetet bei Aufgang und Untergang. Und es wird gebadet, gebadet, gebadet und gefastet, gefastet, gefastet. Ist alles gut für Körper und Geist. 

Freitag, Oktober 24, 2025

तृतीया

Tihar ist gestern zu Ende gegangen. Oder vorgestern. Tihar dauerte 5 oder 6 oder 3 Tage. Die Zeit ist dehnbar, die Tage sind dehnbar, und Zahlen sind eher Zufall. Die Feiertage reihen sich wie Perlen auf der Schnur. Heute ist immer noch Feiertag. Ein Resttihartag, der Siebente - oder etwas gänzlich anderes. Ich weiß es nicht. Es wurde kein Müll abgeholt und wir haben kein Wasser bekommen. Mein Nepali Calendar for Phone sagt heute schlicht तृतीया - Tritiya. Das sagt er ungefähr alle zwei Wochen. Immer am dritten Tag einer Mondphase oder Mondhälfte. Nach Neumond und nach Vollmond, beim zunehmenden (hellen) oder abnehmenden (dunklen) Mond. Aber nur heute ist तृतीया rot. Rot im Kalender bedeutet public holiday. Ein online calendar präzisiert: कार्तिक शुक्ल तृतिया - kartik shukla tritiya. Also der dritte Tag der hellen Mondphase im Monat Kartik. Der Mond wird tatsächlich von Nacht zu Nacht heller. Heute ist der 7. Kartik. In der Zeitung lese ich, dass nach Tihar die Vorbereitungen für छठ पर्व - Chhat Parva beginnen. In Madhesh. Also im Süden. Dort werden Flussufer und Brunnen gereinigt. Jedes Festival beginnt mit Putzen.  

Bei uns wird gerade der Kochgaszylinder leer. Jedenfalls so mein Eindruck nach händischer Gewichtskontrolle. Von den 14,2 Kilo Füllgewicht scheint nicht mehr viel übrig. Der Community Manager verspricht, einen vollen zu bestellen. Mal gucken, ob ich mit dem Rest bis ans Ende der noch anstehende Feiertagsperlenkette täglich einen espresso kochen kann.

Donnerstag, Oktober 23, 2025

bhaitika

Heute ist noch mehr Feiertag. Der allerwichtigste Tag von Tihar. Sagen die einen. Und die anderen sagen, Tihar sei gestern zu Ende gegangen und Bhaitika - der Geschwistertag, eigentlich der Tag, an dem der (jüngere = भाइ bhai) Bruder von der (älteren = दिदी didi) Schwester Tika empfängt - gehöre gar nicht mehr zu Tihar. Wie auch immer. Legenden gibt es ohne Ende. Bis auf eine, verehren, bewundern, verherrlichen alle Schwestern ihre Brüder, indem sie ihnen eine mehrfarbige Tika auf die Stirn malen, dabei Segenswünsche aussprechen und dem sunnyboy Süßigkeiten schenken. Traditionell soll die bhaitika von sechs bis zu zehn Farben appliziert werden. Wie eine doppelte oder dreifache Ampel: weiß, gelb, violett, rosa, grün, mehrere Blautöne von himmel- über hell- und dunkelblau bis Indigo und Lapislazuli), orange, rost- oder feuerrot. Siehe hier.  Die unglücklichste Schwester im ganzen Lande ist Pushpa Joshi. Ihr Bruder Bipin wurde vorgestern am Ufer des Mahakali kremiert.

Alle glücklichen Geschwister sollen sich heute so gegenüber setzen, dass die tikaspendende Schwester nach Osten guckt, der tikaempfangende Bruder nach Westen. Diese Sitzordnung folgt der derzeitigen Position des Mond in der Waage. Ich weiß nicht, ob sie die Plätze tauschen, wenn der Bruder Segenswünsche, Geschenke und Tika erwidert.

Die beste Zeit ist 11:39 am, das hat das ZK festgelegt. Präsident Paudel empfängt pünktlich zu dieser auspicous time Blumengirlanden und Tikas von seinen Schwestern. Alle andern dürfen vorher und nachher, den lieben langen Tag dranbleiben. Ohne Schaden! Um meinen bescheidenen Shivatempel versammeln sich seit Sonnenaufgang Brüder und Schwestern, die wie Verliebte auf den Bänken unter dem Laxmibaum und rund um den Bodhibaum sitzen und tuscheln. Vielleicht sind es tatsächlich Verliebte, die sich als Geschwister ausgeben und so öffentlich ohne Schelte turteln dürfen. Denn: wer keine Schwester oder keinen Bruder hat, der oder die soll das Ritual mit jeder beliebiggeliebten Person vollziehen. Hauptsache niemand geht leer aus. Irgendwann springt das Girl unter meinem Fenster auf, holt von Shivas Lingam ein bisschen Zinnoberrot - andere Farben bietet Shiva hier nicht an - auf die Zeigefingerspitze und tupft es dem Boy lachend mitten auf die Stirn. Sie umarmen und küssen sich und ziehen zufrieden ab. So geht das nun schon seit Stunden.

Mich hingegen beehrt, während ich auf dem Dach mein erstes Frühstück löffle, big brother aus gebührender Distanz. Ein kräftiger Affenbulle inspiziert die Dächer der gegenüberliegenden Häuser. Wahrscheinlich die Vorhut einer ganzen Bande. Er springt vom Laxmibaum auf das erste Haus an der Ecke, klettert behende die Fassade hoch und setzt über. Massig. Perfekt. Ohne sein Ziel je zu verfehlen. Von einer Terrasse auf die nächste. Steigt zwischendurch ganz hoch, auf die Dächer, die mehrstöckig sind, und kommt schnell wieder herunter. Dort oben gibt es gar nichts zu stibitzen. Am Eckhaus am anderen Ende denkt er lange darüber nach, ob und wie er wieder auf die Straße hinunter kommt. Die Gegenüber-Nachbars-Ehemänner sind alarmiert und treten mit Stöcken bewaffnet verschlafen auf die Dächer aus Türen, die sonst nur den maids mit ihren Wäschekörben und कुचो - kuco, dem nepalesischen Allerweltsbesen - vorbehalten sind.

Mittwoch, Oktober 22, 2025

Neujahr

Heute ist mehr Feiertag als gestern. So etwas liegt in der Luft und ich spüre es mittlerweile, kaum trete ich aus dem Tor unserer guarded community. Die meisten shutters auf der Golfutar sind geschlossen. Gestern herrschte da freudige Geschäftigkeit, heute träge Ruhe. Feiertag eben, verdient. Der Joghurtmann hat wie immer geöffnet, weil er auch Milch verkauft. Seine Frau bedient mich und spricht die ganze Zeit in das zwischen das linke Ohr und die linke Achsel geklemmte Smartphone. Trinkwasser wurde gestern nicht geliefert, also wird es heute erst recht keines geben. Die Newari feiern den Beginn des Jahres 1146 (Nepal Sambat). Und Mha Puja. Für sie ist heute der zweite Tag von Tihar und sie haben insgesamt nur drei. Für andere ist heute der vierte oder fünfte Tag von Tihar. Präsident Paudel und seine First Lady beehren schwarze (Holsteiner?) Kühe mit Delikatessen - also ist heute (und nicht, wie ich annahm, gestern) गाई तिहार - Gai Tihar. Die Kühe auf dem Bild in der Zeitung heute sehen nicht glücklicher aus als gestern die Ziegen vor dem Schlachter. Die wenigen Grasbüschel zwischen den Pflastersteinen scheinen ihnen besser zu schmecken als der von Menschenhand gereichte Leckerbissen.

Die Newari feiern heute nicht nur das neue Jahr, sondern in erster Linie sich selbst. Mit Mah Puja - worship of the (own) body. Das Ritual dient der Reinigung des Geistes, des Körpers, der Gedanken und der Sprache (!) zum Jahresanfang. Der Mensch soll zuerst sein Selbst und sein Bewusstsein schärfen (in einem Akt der Disziplin und Dankbarkeit), die eigenen Ressourcen mobilisieren und sich selbst physisch und spirituell stärken, ehe er oder sie den Beistand der Götter sucht. Das klingt für mich sehr überzeugend!  

Die Interimsregierung unter PMin Karki hat beschlossen, inskünftig auch das Nepal-Sambat-Datum auf die nepalesischen Rupee-Banknoten zu drucken. Besiegelt wird dieser Beschluss heute mit einem Festakt und Kranzniederlegung am Denkmal des legendären Kalendergründers संखधर साख्वा - Shankhadhar Sakhwa in Madhyapur Thimi bei Bhaktapur. 

Dienstag, Oktober 21, 2025

Neumond

In Kathmandu ist der Mond um 06:10 pm neu. Oder leer, wie meine Mutter zu sagen pflegte. Also nimmt er danach wieder zu. Bis er eines Tages voll ist. Also haben wir die finsterste Nacht hinter uns. Diese hier so genannte शुखरात्री - sukharatri (von शुख = glücklich, gut + रात्री = eigentlich Vorabend, zu रात Nacht) - die gute, glückliche Nacht, in der Laxmi zu Besuch kommt und ihren Reichtum über uns ausschüttet. Ich lerne, dass die Glücksgöttin Laxmi für die Anlieferung des materiellen Wohlstands zuständig ist, ihr Kollege Kuber aber für die Bewahrung und den Schutz desselben. Am Morgen nach dieser seltsamen Nacht laufe ich durch die Straßen und bewundere Rangolis. Mir gehört der Tag! Und die Hindus sind offenbar selbst nicht sicher, ob die Wohlstand garantierende Nacht schon vorbei ist. Jedenfalls werden immer noch Farben für Rangolis feilgehalten, und Nüsse, Rosinen, Topis für die Geschwister. Heute müssten, denke ich,  auch die Kühe verherrlicht werden. गाई तिहार - Gai Tihar, the cow festival. Aber sicher ist derzeit gar nichts. 

Mir kommt keine einzige Kuh entgegen, nur ein schwarzer Hund schläft vor einem Friseursalon seinen Kater nach Kukur Tihar aus, mit einer roten und einer lila Locke im Fell. 

Vor einem Fleischerladen angebunden sind zwei sehr unglücklich dreinschauende Ziegen. Daneben gackern mehrere muntere Hühner in einem Käfig. Man kann alle Tiere lebendig kaufen und selbst rupfen oder schlachten. 

Später laufe ich an einer Motorradfahrlehrschule vorbei, wo am Feiertag ein einsamer Schüler Kurvendrehen übt.

Es kommen mir viele singende und musizierende Kinder und Jugendliche entgegen. Die veranstalten देउसी भैलो -  deusi-bhailo - cultural singing and dancing. Natürlich zum Zwecke des Geldeinsammelns. Was Laxmi in der letzten Nacht nicht angeliefert hat, muss jede/r selbst bei den Nachbarn, auf der Straße, in den shutters erbetteln. Das wird sich zum Abend hin und wahrscheinlich über die nächsten Tage noch intensivieren. Laut einer Pressemeldung der Stadt darf deusi-bhailo nur bis 9 pm praktiziert werden, man soll dabei keine Verstärker mittragen und nicht den Verkehr behindern. 

Und last but not least: die Newari haben heute Silvester. Das Jahr 1145 nach dem Nepal Sambat Kalender geht zu Ende. Geknallt wird kaum noch und als ich nach Hause komme, ist kurz der Strom weg.

Montag, Oktober 20, 2025

Rangoli

Die Konkurrenz (zu Dragon) ist noch schwer am Arbeiten, als wir mit vollen Bäuchen nach Hause, in unsere hell erleuchtete namenlose Festung laufen. 



Kukur Tihar

कुकुर - kukur ist der Hund. Eines meiner ersten Wörter, nach बिरालो - biralo, der bei den Nepali so unbeliebten Katze. Früh am Morgen wird der Müll abgeholt, das ist immer ein gutes Zeichen an public holidays. Später läuft eine schwarze Katze durch die Siedlung. Nur mir zur Freude: eine der Zurückgekehrten. Am Vormittag werden die Hunde gefeiert, obwohl bereits der dritte Tag von Tihar angebrochen ist und die Hunde normalerweise am zweiten Tag an der Reihe sind. In diesem Jahr ist alles anders, das ZK - bzw NCDC - musste den Kalender berichtigen, anpassen, weil der Mond verrückt spielt. Die Hunde gelten hierzulande - anders als die Katzen - als Freund des Menschen. Sie schieben aber auch Wache vor den Toren zu Yamarajs Unterwelt. Also ist es besser, sich mit ihnen gut zu stellen. Traditionell werden an Kukur Tihar die Polizeihunde der Öffentlichkeit vorgeführt - in diesem Jahr weniger spektakulär als sonst. Auch die Polizeistellen wurden landesweit verwüstet im Zuge der Gen Z Manifestationen. Deshalb zeigt man jetzt lieber Demut als Zucht. Am Nachmittag empfängt Interims-PM Karki die sterblichen Überreste von Bipin Joshi, der letzten nepalesischen Geisel der Hamas, am TIA, bevor der Sarg mit einer Militärmaschine nach Dhangadhi und weiter zu seiner Familie nach Kanchanpur transportiert wird. Dies ist der einzige Ort im ganzen Land, in dem heute keine Lichter brennen. In diesem Jahr überschlägt sich alles. Präsident Paudel verkündet natürlich seine Tiharwünsche. Auf der Golfutar wurden am frühen Morgen die shutters geputzt und Bürgersteige gebürstet. Die dunkelste Nacht steht uns bevor und Laxmi wird mit unruhig hüpfenden LED-Lichterketten, aber auch mit Kerzen, Öllampen, kunstvollen Rangolis und Fußabdrücken, die die Richtung vorgeben, in jedes Haus, sicher über jeden Stolperstein und jede Treppenstufe gelockt. Die Farben für die Rangolis tauchen erst am Abend von fliegenden Händlern an allen Ecken der Stadt auf. Das ist etwa so, wie wenn in anderen Teilen der Welt der Weihnachtsbaumverkauf am 24.12. nach Sonnenuntergang begänne ... 

Hier der Eingang zu unserem Lieblings-Dragon. Die Spur für Laxmi führt nicht in die Küche, sondern an die Kasse. Wir essen scharfe Drunken noodles. Auf dem Heimweg kaufen wir eine Flasche 8848 und bekommen ein Selroti dazu geschenkt. Zu Hause setzen wir uns aufs Dach und erleben so etwas wie Silvester. Knallerei rund um, buntes Glitzern und Feuerwerke über der Stadt. Wir trinken eine halbe Flasche Hoya de Cadenas und lassen Laxmi in Ruhe. Wir zünden nur ein Räucherstäbchen gegen die Mücken an.  

Sonntag, Oktober 19, 2025

Dhanwantari day

Der heutige Tag begann schon gestern Abend und ist der Geburtstag von Lord Dhanwantari, dem Arzt der Götter oder Schöpfer von Ayurveda. Dhanwantari soll dem Milchozean oder dem Urmeer (wer kann das schon wissen) entstiegen sein, mit zwei oder vier Händen, in der einen hält er einen Krug mit dem Nektar des Lebens, dem Unsterblichkeitstrank Amrit, in der oder den anderen Kräuter, Schneckentrompeten, Blutegel und dergleichen mehr. Die Krähen werden auch heute gefüttert, damit sie die Unsterblichkeit nicht gefährden. Aber die gläubigen Hindufrauen fasten, der Gesundheit zuliebe, bis Laxmi kommt. Wer unbedingt einkaufen will, soll Gegenstände aus Stahl, Kupfer, Zink oder Messing besorgen, oder Gold, so viel wie möglich heranschaffen, und alles in der Nord-Ost Ecke des eigenen Hauses horten. Auf keinen Fall etwas davon abgeben, verschenken oder verpulvern!

Samstag, Oktober 18, 2025

Yama Panchak

Nun ist es soweit: der nächste Festivalmarathon nach Dashain beginnt. Der Monat Kartik beginnt und nach der Mithila Tradition beginnt तिहार - Tihar mit Dhanteras - das ist auch heute, aber erst nach Sonnenuntergang. Tihar ist das Lichterfest oder das Festival der Tiere oder eben Yama Panchak - das Ritual, das auch heute beginnt. Der Tanz um Yamaraj, den Gott der Unterwelt und das Besänftigen der Hüter der Tore zu derselben. Normalerweise dauert Tihar 5 Tage, von Kartik Krishna Trayodashi (heute von 01:12 pm bis morgen 01:56 pm - also länger als 24 Stunden) bis Kartik Shukla Dwitiya (das wird nächsten Donnerstag überlappend bis Freitag sein). In diesem Jahr dauert eben deshalb, wegen overlapping lunar dates oder lunar alignment, Tihar 6 Tage. Also ungefähr von heute Mittag bis schätzungsweise nächsten Freitag Vormittag. 

Das Festival der Tiere beginnt, anders als der Karneval derselben ("Carnaval des animaux") mit den Krähen. Heute nachmittag feiern einige Hindus bereits काग तिहार - Kaag Tihar, andere erst morgen Mittag. Bei uns versammeln sich die काग tatsächlich, wie gerufen, schon den ganzen Tag zuhauf im Laxmibaum und im Bodhibaum und im Gestrüpp rund um den Shivatempel sowie auf den Dächern all unserer Nachbarn. Das wilde Gekreisch ist unüberhörbar. Wahrscheinlich werden die Todesboten mit Futter angelockt. Das soll sie nämlich besänftigen und von ihrer Hauptaufgabe ablenken. Heute wie morgen.

Freitag, Oktober 17, 2025

Kalender

Eines meiner Lieblingsthemen. Im Vorfeld von Tihar (es blinkt und glitzert schon seit Tagen) versuche ich einmal mehr, nach nunmehr mehr als einem Jahr, den Lauf der Zeit in diesem Land zu verstehen. Es gibt das NCDC - The Nepal Calendar Determination Committee. KI bietet mir als Übersetzung an: Kalenderbestimmungsausschuss. Alternativ: Terminplanungskomitee. In Nepal ein staatliches Komitee, das befugt ist, Daten und Zeiten hinduistischer Feste festzulegen. Früher, als das Land noch das einzige hinduistische Himalayakönigreich war, übernahmen die Hofastrologen diese Aufgabe. Diejenigen, die einst dem Königshaus das prophezeiten, was es unweigerlich ereilte: den Untergang! Heute ist Nepal eine föderalistische Demokratie, bis vor kurzem von einem kommunistisch-marxistisch-leninistisch-maostisch geprägten Parlament regiert. Also gibt es ein Komitee. Ein Zentralkomitee mit einem Vorsitzenden sowie und ein paar unentbehrlichen Mitgliedern. Die bestimmen die sogenannten auspicious hours - die günstigsten Zeiten (Stunden mit Minutenangabe) für gewisse rituelle Handlungen. Dabei betonen sie immer wieder, dass für die normale Bevölkerung die Zeitangaben nicht absolut verpflichtend seien, für die Würdenträger des Staates (state dignitarities) aber schon. Das war doch zu des Königs Zeiten genauso! Das Fußvolk kann zu spät kommen, der Monarch nicht! 

Daneben gibt es die Kalendermacher. Ganz normale Menschen, die die Zeit mit dem Lineal messen und auf Papier aufmalen. Die den Kalender machen. Entwerfen, layouten, vielfarbig drucken, rechtzeitig herausgeben, verkaufen. Nichts einfacher als das. Heute endet der Monat Ashoi im Jahr 2082 nach Bikram Sambat. 

Donnerstag, Oktober 16, 2025

Grenzstein

Ich versuche mein Deutsch. Und bemühe die Grammatik. Borniert ist ein Adjektiv. Kennen wir alle. Ich wusste aber nicht, dass es einen konkreten etymologischen Hintergrund hat. Französisch "borner" bedeutet ganz neutral etwas mit einem Grenzstein versehen. Jedes europäische Grundstück kennt so etwas. Und logischerweise jeder europäische Grundstücksbesitzer. "borné" ist das Partizip zum Verb "borner" und das bedeutet eine abgeschlossene Handlung. Also "begrenzt". Das kann mit einem Maschendrahtzaun geschehen oder mit einer Steinmauer. Mit Stacheldraht, Elektroweidezaun, geschlossenen Türen, vergitterten Fenstern. Übertragen kann man "borné", zu gut deutsch "borniert" auf alles Denk- und Undenkbare. 

Mittwoch, Oktober 15, 2025

Streichhölzer

Die Feuerherde schwelten die ganze Nacht. Ich sah sie nicht, roch es nur im Bett, mochte aber nicht aufstehen und das Fenster schließen. Eine Feuersbrunst ist ausgeblieben. Der Boden und die wilde Vegetation darüüber ist noch feuchter als es den Anschein macht. Die Sonne trocknet tagsüber Oberflächen gnadenlos aus. Meine jungen Bäume muss ich wieder zweimal täglich wässern. Die Nächte sind aber kühl und feucht. Wie wir wissen, wissen die Nepali mit Feuer umzugehen. Die Halde sieht bei Tagesanbruch unansehnlich aus. Die Herde schwelen weiterhin. Auch lange dicke Bambusstangen sind darunter, die sich sicher hervorragend für लिङ्गे पिङ - Linge Ping geeignet hätten. Aber die Kinder in unserer community sind eingesperrt und düfen nicht auf die Müllhalde außerhalb des Zauns. Auch nicht auf die Straße. In der Kathmandu Post war zu lesen, dass die Brandstifter rund um die Gen Z Proteste immer noch nicht ausgemacht sind. Weil die Brandmittel (noch) nicht festgestellt werden konnten. Oder nie festgestellt werden können. Weil Spuren verschwinden. So ein Hilton so in Brand zu stecken, dass nichts davon übrig bleibt als ein dürres Stahlgerippe, geht ja nicht mit dem Feuerzeug. Und schon gar nicht mit einem der fragilen Pfeile  - der Streichhölzer der Marke तीर, die es hierzulande zu kaufen gibt.

Dienstag, Oktober 14, 2025

Feuer!

Nach दशैं - Dashain ist vor तिहार - Tihar! Es wird Ordnung gemacht. Wir befinden uns im dunkelsten (Mond-) Zyklus des Jahres. Der Tihar-Neumond, auf den wir zusteuern, gilt als der schwärzeste, lichtloseste. Deshalb werden nun vorauseilend von Tag zu Tag überall mehr Kunstlichter brennen. Bunte LED-Ketten. Und tagsüber wird gezündelt, wo es nur geht. Aufgeräumt! Feuer gemacht! Damit es Laxmi nicht schlecht wird, wenn sie über Übelriechendes und Unappetitliches steigen muss, um uns Reichtum und Glück ins Haus zu tragen. Alles wird verbrannt. Das ist hierzulande die einfachste Art des Entsorgens. Unbesehen und überall wird alles verbrannt. Auf Hausdächern. Zwischen Blumenkübeln und Wäscheleinen. In engen Hinterhöfen. Wo es gerade passt. Wo der Müll hingeworfen wurde und liegengeblieben ist. Unser community manager brennt heute am späten Nachmittag die Halde ab, die außerhalb des Sicherheitszauns liegt, aber offenbar noch zum Hoheitsgebiet von CG Hills gehört. Ich hatte mich seit Anbeginn - seit wir hier wohnen - gewundert, mit welcher nonchalance (chuzpe oder verve) meine Nachbarn bzw deren staff vor meinen Augen Überflüssiges über diesen Zaun schmeißen. Bei größeren Mengen oder unhandlichen Formaten wie Gerüststangen, gefällten Bäumen oder Möbelteilen wird schon mal das Tor im Zaun aufgeschlossen. Aufgestoßen. Ein Durchgang für nur Befugte ermöglicht. So auch heute. Der cm stapft durch das wilde Gestrüpp, das während des Monsuns mildtätig über buntes Plastik, alte Teppiche, kaputte Wassertanks und dergleichen mehr, gewuchert ist, und zündet es hier und dort und am Rand an. Nun wundere ich mich, mit welcher Selbstverständlichkeit hier vor Einbruch der Nacht mit Feuer umgegangen wird. Alles, was zum Vorschein kommt, verkohlt. Und verdunkelt, ehe man sich's versieht, den Abendhimmel.

Montag, Oktober 13, 2025

लिङ्गे पिङ

लिङ्गे पिङ - Linge Ping, die Dashainschaukel - kürzlich im Prakriti Resort gesichtet und darauf geschaukelt!

Linge sind hochgewachsene, schlanke, elastisch biegsamen Bambusse und ping ist schwingen, schaukeln - auch verweilen. An Dashain mit den Füßen über dem Boden. Das soll dem Körper Gift entziehen, ihn reinigen von schlechten von Gedanken über Gefühle. Vor allem aber uns nach dem Tode eine sichere Reise wohin auch immer gewährleisten. Deshalb soll man mindestens einmal im Jahr vom Boden abheben. 

Ich löse meine Füße jeden Tag vom Boden, wenn ich während des morning-workouts von meiner Trampolinsprungmatte abhebe.


Hier gibt es schöne Fotos, wie es einmal war ... once upon a time

Sonntag, Oktober 12, 2025

Performance

Ich bringe Muskelkater in den Oberschenkeln mit, W eine rote Nase. Auf dem Hill erwartet uns keine Katastrophe. Der Strom fließt, das Wasser tropft weiterhin von der Decke in die bunten Eimer. Die Guards überreichen mir ein weiteres Päckchen von Daraz, federleicht. Der Kurier hatte mich unterwegs angerufen. Mein Geburtstagsgeschenk. Ein sport-swimsuit westlicher (Nach-)Machart. Natürlich fake, aber was soll's. Hauptsache gekreuzt auf dem Rücken. Im Original heißt das Teil Perfomance Badeanzug. Die Saison des outdoor-Schwimmens beginnt ja gerade wieder. Die Sonne ist nicht mehr so giftig, der Himmel berechenbar blau, die Regenwolken auf Nimmerwiedersehen verschwunden. 

Samstag, Oktober 11, 2025

Müllsammlerin

Ich habe zwei Tage lang auf meinen Wanderungen durch den Dschungel Müll im Nationalpark gesammelt. Trash. Leere Plastikflaschen und Getränkedosen, nachlässig und aus purer Gewohnheit, Bequemlichkeit, Gedankenlosigkeit fallengelassene leere Chiptüten zBsp von den Jugendlichen, die mich, als sie mich überholten, lachend gefragt hatten: how old are you? Ich gab mir keine Blöße und antwortete routiniert und reinen Gewissens: सतसठ्ठी. Obwohl ich vor ein paar Tagen अठसठ्ठी geworden bin. Die neue Zahl wollte mir bei dem beschwerlichen Abstieg an den Fluss hinunter partout nicht von den Lippen kommen. 

Das ist der Dank - den kann ich an die Wand hängen!



  

Freitag, Oktober 10, 2025

sunrise

Mal anders. Ohne Sonne. Nur mit ihrem Abglanz und Widerschein auf dem Langtang Himal, der Langtang Bergkette. Einer der Gipfel, der höchste, ist der Langtang Lirung. An seiner Ostflanke, also der aufgehenden Sonne entgegen, strömt der Lirunggletscher in den Tag, bzw ins Tal. 




Donnerstag, Oktober 09, 2025

हैबुङ

Wir fahren los. Ins Grüne, in die Höhe, an den Klöstern vorbei, Kopan und Shyalpa, aus der Stadt heraus. Nach Nordosten. Richtung Haibung - हैबुङ. Durch den Shivapuri-Nagarjun-Nationalpark. Die Straßen sollen wieder passierbar sein.

update: angekommen im Prakriti Resort, und alles vergessen. Das Gerumpel unterwegs, die Abgründe, die Schlagseiten, die Spuren der Verwüstung, die das letzte Aufbäumen des Monsuns hinterlassen hat. Unser driver bringt uns im Jeep heil nach oben. Ein Australier, der nach uns unterwegs ist, bleibt mit seinem Pkw vor der letzten Kurve stecken. So nah am Rand der unbefestigten Straßen, dass er und seine slipper-Frau aussteigen und das letzte Stück zu Fuß gehen. Mit Handtasche und Rucksack. 

Mittwoch, Oktober 08, 2025

namaste

Nun beginnt das neue Leben. Der Vollmond hat die Energien gesetzt. Was ohne Bedeutung ist, lassen wir hinter uns. Ein Zimmer unter dem Dach, zum Beispiel, in dem nun nurmehr drei kunterbunte Plastikeimer stehen. Wasserauffangbehälter. Ich kehre zum Alphabet zurück. Im Traum kam gurubaa mit seiner zweidreivierteljährigenTochter und ich schickte sie weg. नमस्ते - namaste - der hier allgegenwärtige Gruß, eine Art Allzweckwaffe oder Türöffner, wenn man sonst kein Wort der Sprache der Einheimischen spricht - lese ich, kommt aus dem Sanskrit (was kommt eigentlich nicht aus dem Sanskrit?) und bedeutet "ich verbeuge mich vor dir". Das tun wir auch immer mit den Handflächen aufrecht, die Daumen zur Brust gerichtet, unter dem Kinn aneinander gelegt. In den literarischen Texten, die ich in englischer Übersetzung lese, steht immer "she gives him a namaste". Man gibt den Gruß. Und wer ihn annimmt, gibt ihn zurück. नम nama = Verbeugung, स sa = ich, ते te = du. नमस्ते namaste! 

In Nepali natürlich komprimiert, das ich + du verschmolzen im half consonant स [s(a)] +  full consonant त [ta] = स्त + similarity e (Strich drüber, offen nach links oben) =  स्ते [ste]. नमस्ते!

Dienstag, Oktober 07, 2025

Purnima

Dienstag, der 7. Oktober. Purnima - Vollmond. Endgültiges Ende von Dashain. Endgültiges Ende von public holiday. Ich wache wie immer um 05:05 am auf, es ist noch dunkel und im Bad brennt kein Licht. Also wieder kein Strom! Wieder shortcut. Wieder glücklicherweise ohne Feuer im Dach. Ich warte eine Stunde, bis ich die landlady mit dem Wort zum neuen Tag wecke: again no electricity! Sie braucht eine weitere Stunde, um die Nachricht zu verdauen und schickt einen der guards, der gerade seine Nachtschicht beendet. Der sagt etwas, was ich nicht verstehe, verschwindet wieder und 5 Minuten später, um 07:06 am ist der Strom da! Woher auch immer. Ich stelle die Waschmaschine an, lade mein Smartphone und setze Wasser auf. Um 10:20 am ist der Strom wieder komplett weg. Vielleicht ist wieder einmal cityline-cut. Ich habe gerade meine zweite Waschmaschine in Gang gesetzt. Es gilt, die Sonne auszunützen. Einweichen schadet nichts. Es klingelt und ich laufe alle Treppen hinunter. Trinkwasser wird geliefert. 40 Liter. Ich mag die Wassermänner, die sind immer gut gelaunt. Um 12:05 pm ist der Strom wieder da, ohne dass der um 11:34 am angekündigte (is on the way) Elektriker aufgetaucht wäre. Die Waschmaschine wäscht ein bisschen. Ich habe leichtsinnigerweise cotton eco gewählt. Das dauert!  Um 12:29 pm kommen zwei Männer, die Ws Schreibtisch vom zweiten in den ersten Stock hinunter tragen. Ich gebe ihnen Trinkgeld, das sie nicht annehmen wollen. Um 12:52 pm ist der Strom wieder weg. Um 1:23 pm ruft der Darazkurier an. Zwei Minuten später überreicht er mir zwei Päckchen für unser zukünftiges Leben und schenkt mir ein Lächeln. Um 1:41 pm kommt der Elektriker pfeifend um die Ecke und nimmt mir auf einen Schlag alle Sorgen. Nach einer Stunde findet er den shortcut in einer nassen Wand und um 2:59 pm kann ich meine Weißwäsche aufhängen.

Vor zwei Jahren aßen wir zu Abend im Sabai Jai am Bahnhof in Itzehoe und beschlossen, für uns beide überraschend, nach Nepal zu ziehen. Also doch Feiertag heute, wenn auch nicht public

Montag, Oktober 06, 2025

no fire two

Montag. Immer noch public holiday. Immer noch unpassierbare Straßen. Bei uns eitel Sonnenschein. Trotzdem sind fast alle shutterstores auf der Golfutar geschlossen. Wegen Abwesenheit der shopkeeper. Oder wegen Abwesenheit der Waren.

Über Nacht ist der Strom unter unserem tropfenden Dach wieder gegangen, wohin auch immer. Wieder, ohne sich abzumelden. W drückt die Sicherung kurzerhand rein - was ich nicht wagte - und die Waschmaschine läuft. Am Nachmittag sitzen wir frohgemut im Roots an der Sonne und trinken Blaubeerlassi. Auf dem Heimweg sehen wir, dass auch Dragon seine shutters noch nicht wieder hochgezogen hat. Also gehen wir nach Hause und bestellen bei foodmandu japanische Nudelsuppe. Scharf! Bis das Essen kommt - es dauert länger als sonst, da mindestens die Hälfte der Köche und Kurier noch nicht wieder an ihrem Arbeitsplatz in der Hauptstadt eingetroffen sind - sitzen wir auf dem Dach und gucken in den Abendhimmel. Oben ist es trocken. Unten tropft es unablässig. Wir machen Pläne für die Zukunft. In diesem Tropfsteinhaus ist unser Bleibens nicht! Während wir sinnieren, macht der Strom seine eigenen 'Pläne und ist prompt auf und davon. Und als ob das nicht genug wäre, entdecke ich in Ws Arbeitszimmer eine zweite tropfende Stelle an der Decke. Ich hole den grünen Eimer und platziere ihn exakt darunter. Statt Suppe zu löffeln, räumen wir Ws Schreibtisch ab, bringen die sensiblen Geräte ins Trockene. Der Elektriker kommt gegen 22 Uhr auf dem Motorrad. Trotz später Stunde läuft er gut gelaunt durch das ganze Haus, von unten nach oben und von oben nach unten. Einige der Deckenlampen haben seltsamerweise Strom. Aber so ist das immer. Den Kurzschluss findet er nicht. Diesmal hat es hat eine der drei Hauptsicherungen unten im Hauptsicherungskasten rausgehauen, zu dem wir ohne Hauptschlüssel gar keinen Zugang haben. 

Sonntag, Oktober 05, 2025

no fire!

Sonntag. Public holiday wegen Unwetter. Starkregen. Erdrutsche. Über die Ufer getretene Flüsse. Gestern hat es den ganzen Tag geregnet und den ganzen Tag gewittert. Auch die Nacht davor sowie die Nacht danach. Also die Nacht auf heute. Pünktlich mit dem Aufgang der Sonne endet der Regen, auch das Donnern und Blitzen. Sie ist an der Reihe, und die Monsunwolken ziehen sich unentschlossen zurück. Wir werden wieder kommen! Alle Zufahrtstraßen zum Kathmandu Valley und zur Hauptstadt wurden gestern Nachmittag bis auf weiteres gesperrt. Trotzdem gibt es Ertrunkene, Weggespült, vom Blitz getroffene. 

Public holiday hat die Interimsregierung verhängt. Sie will nichts falsch machen. Arbeiten müssen heute nur Mitarbeiter des disaster managements sowie wesentliche Dienstleister. Wie beispielsweise der Elektriker, den wir über unsere landlady notfallmäßig rufen lassen müssen. Als ich nämlich erfrischt und beglückt vom Morgenqigong unter dem Laxmibaum wieder nach Hause kam, gab es im zweiten Stock, in unseren Arbeitszimmern unter dem tropfenden Dach, keinen Strom mehr. Das ist erstmal nicht weiter ungewöhnlich. Ungewöhnlich war, dass auch der Router offline war und das Internet tot. Der Router hängt an einer Sicherheitsstromleitung, die nie ausfällt, wenn der citystrom ausfällt. Und ungewöhnlich ist natürlich, dass es stinkt im Flur. Verbrannt, verschmort. Ich öffne den Sicherungskasten und drücke die Sicherungen, die rausgeflogen sind wieder rein. Nichts passiert. Auch im ersten Stock und im Erdgeschoss sind einzelne Sicherungen rausgeflogen. Aber der Kühlschrank hat Strom und auch der Wasserkocher kocht. Ich verfalle trotzdem in Panik und wecke etwas unsanft den Gatten.   

Der Elektriker kommt gegen Mittag pfeifend und gutgelaunt zu seinem emergency Einsatz an public holiday. Er stellt den Hauptstromschalter auf off, schraubt alle Sicherungskästen auf, zieht verkohlte Kabel heraus und sagte: "You are lucky, no fire!" Er ist die Ruhe selbst und Stunden damit beschäftigt, die Sache wieder in Ordnung zu bringen. 

Samstag, Oktober 04, 2025

Dwadashi

Dwadashi ist der 12. Tag des derzeit zunehmenden Mondes (shukla paksha). Dwadashi folgt immer auf Ekadashi, auch in der anderen Hälfte des Mondzyklus. Also wenn der Mond abnimmt (krishna paksha). Wir hatte das schon des öftern hier, dass alles sich vierzehntäglich wiederholt. Ekadashi ist immer ein Fasttag und an Dwadashi wird immer das eintägige Fasten gebrochen. Heute ist Samstag. 18. Ashoj. Kein Feiertag, kein public holiday, sondern ein normaler freier Samstag. Die Hindufrauen, die sonst immer am Samstag fasten, dürfen heute essen. Alles unabhängig von Dashain. Tika und Jamara können bis Purnima weiterhin verteilt und empfangen werden. Es regnet. Zwischendurch blitzt und donnert es. Durga und ihre Inkarnationen sind wohl unwohl nach dem Besuch auf Erden. Es hat die ganze Nacht geregnet und wird voraussichtlich den ganzen Tag weiterregnen. Die NDRRMA (National Diaster Risk Reduction and Management Authority - was für ein Name für eine Behörde!) warnt weiterhin vor Reisen und verbietet bis Montag LKWs und Fernbusse auf den Straßen des ganzen Landes. Es ist kalt und ich ziehe zum erstenmal seit Monaten Wollstrümpfe über meine Füße nach dem Trampolin. Die Polizei patrouilliert seit dem frühen Morgen an den Flussufern im Kathmandu Valley und registriert steigende Pegel.Das 

Freitag, Oktober 03, 2025

Papankusha Ekadashi

Freitag. 17. Ashoj. Feiertag. Fasttag. Wer heute auf Nahrung verzichtet soll von allen Sünden befreit, reingewaschen werden, die bewusst oder unbewusst begangen wurden. Am späten Nachmittag setzt der versprochene Regen ein. 

Donnerstag, Oktober 02, 2025

Bijaya Dashami

Donnerstag. Feiertag. 16. Ashoj. Bijaya Dashami. Regen in der Nacht und am Morgen. Der Monsun ist zurück oder hat uns noch gar nicht verlassen. Das Department für Hydrologie und Meteorologie teilt mit, dass die Monsunwinde, reaktiviert durch ein anmarschierendes Tiefdruckgebiet aus Indien bzw dem Golf von Bengalen, seit letzter Nacht dem Kathmandu Valley und anderen Gebieten des Landes Niederschläge bescheren. Es warnt vor heftigen Regenfällen in den nächsten Tagen und rät zum Verzicht auf unnötige Reisen, vor allem des Nachts. Flüsse könnten über die Ufer treten, Straßen überflutet oder von Erdrutschen verschüttet werden. Im ganzen Land, aber vor allem in den Provinzen Koshi, Madhesch, Bagmati, Gandaki und Lumbini.  

Heute ist der wichtigste Tag von Dashain, der Zehnte, manche sagen, der letzte von Fünfzehn. Also beginnt morgen für die halbe Million Menschen, die Kathmandu kürzlich verlassen haben, die Rückreise aus den entlegendsten Dörfern. Ab Sonntag wird in der Hauptstadt wieder gearbeitet. Heute empfangen und spenden alle Tika. Die Älteren den Jüngeren. Als auspicious time bestimmten die Astrologen 11:53 am, betonten aber, dass dies für normale Menschen nicht verpflichtend sei. Man kann Tika (eine Mischung aus Reis, Yoghurt und Vermillion-Zinnober auf die Stirn appliziert) und Jamara (das seit Ghatasthapana gesprossene Gerstengras) bis Vollmond mit genausoviel Hoffnung auf Glück und Segen verteilen.

Präsident Paudel und Interimspremierministerin Karki verzichten beide angesichts der nationalen Lage auf Tika Audienzen.

Mittwoch, Oktober 01, 2025

Maha Nawami

Mittwoch. 15. Ashoj. Feiertag. Maha Nawami. Die Nacht war schwarz für Kali, die Böse. Kalaratri. Der Tag, der neunte von Dashain, der neunte des zunehmenden Mondes, wird heiß. Er gehört den Göttinnen Durga Bhawani und Chamunda. Letztere soll den Dämon Raktabij an diesem neunten Tag nach Neumond getötet haben. Also ein weiterer Sieg einer Guten über einen Bösen.

Derweil salbt Präsident Paudel im Präsidentenpalast die Füße von 9 Jungfrauen (Navakanya), sie sollen heute symbolisch die neun Inkarnationen der Göttin Nawadurga auf Erden vertreten. 

Mit den Jungfrauen ist es so eine Sache. Wie mit den Frauen überhaupt. Gestern wurde die neue "living goddess" inthronisiert, die Kindergöttin Kumari. Die zweieinhalbjährige Aryatara Shakya löst Trishna Shakya ab, die pünktlich mit ihrer ersten Monatsblutung aus dem buddhistisch-hinduistischen Göttinnenuniversum zurück ins irdische Leben verstoßen wird. Das ist nicht einfach für ein Mädchen, das zehn oder mehr Jahre seines jungen Lebens als lebende Göttin hinter den Gittern der Tradition verbracht hat und künftig seine "Tage" in einer Chaupadi verbringen darf. Kürzlich wurden in Kanchanpur von den Behörden 150 dieser Chaupadi (menstrual huts) zerstört. Um der Unsitte, unreine, weil menstruierende Frauen von Haus und Herd und heiligen Stätten zu vertreiben, und in schmutzige Viehhütten zu sperren, die längst unter Strafe steht, ein Ende zu setzen. Die Hütten werden traditionsgemäß so schnell wieder aus dem Boden schießen, wie sie diesem Erdboden gleichgemacht wurden. Menstruierende Frauen haben bis heute an keinem der Dashaintage Zugang zu den Tempeln. Daran ändert die Salbung des Präsidenten nichts. Seine weiblichen Gäste wurden sorgfältig ausgesucht und sind erwiesenermaßen im vormenstruierenden Alter.