Mittwoch, April 30, 2025

Mangowald

Wir wollten einen Mangobaum in den Garten setzen. Aber Mangobäume verbreiten sich ungestüm über Rhizome. Wie Bambus. Der Gärtner riet uns ab. Dann würde nämlich unsere Siedlung bald wie ein Mangowald aussehen. 

Die Ernte beginnt. Mangos gibt es plötzlich an jeder Ecke zu kaufen. So etwas ändert sich immer schlagartig. Sie sind süß und saftig. Bis unsere eigenen Früchte herangereift wären, würde es so oder so lange dauern.

Dienstag, April 29, 2025

यो बिरालोको घर हो।

Meines Katers Toms Hütte muss ich ständig vor Angriffen von allen Seiten retten. Alle - die Maler, die Maurer, die Elektriker, der plumber, die Putzmannschaft, die landlady und ihr paffender staff - wollen die verstaubten, schon x mal vom Regen durchnässten und immer wieder getrockneten alten, wie Sätze ineinander geschachtelten Schachteln unter der frisch gestrichenen Außenspüle entsorgen. Und Tom liebt sie! Gerade jetzt im allgemeinen Chaos rund um das Haus mit der magischen Tür, aus der pünktlich um 6 am und 6 pm Futter kommt, sind diese verdreckten und zerbeulten, übereinander und ineinander liegenden Doppel- und Dreiwand-Schlafboxen der einzige Garant für den sensiblen Raufbold, dass er hier weiterhin geduldet und gefüttert wird. 

Pranai korrigiert in der heutigen lesson meinen Satz yo ghar biraloko ho zu yo biraloko ghara ho (this is the cats house) - eine rein kosmetische Verschönerung - und erklärt, nepali people würden Katzen grundsätzlich nicht mögen, weil sie überzeugt sind, dass Katzen Unglück bringen. Nicht nur schwarze. Jede, die deinen Weg kreuzt! Erhobener Zeigefinger unseres Nepaliteachers. Ich lache und erzähle, dass ich in Dithmarschen zwei schwarze Kater hatte. Nun sei ich für deren Fürsorge reichlich belohnt und von Glück überschüttet, eine wahre Glückspilzin in Hattigauda neben dem Shivatempel angekommen. Und natürlich bekommt hier jede Katze und jeder Kater Futter von mir. Um es zu besorgen, nehme ich weite Wege auf mich. 

Unsere Mitbewohner in der Community wollen nämlich die wilden Katzen, die nicht wild sind, sondern sehr häuslich, loswerden. Weil sie - mangels ordentlicher Katzenklos - ihr Geschäft in den Vorgärten verrichten. Wo sonst? Auch mein Vorgarten dient dazu, jetzt, wo das Bambusgerüst an die Nordwand gewandert ist und alle Plastikplanen verschwunden sind. 

Ich baue derweil Kartonhäuser, lerne Wörter und male Buchstaben. Schreibe Geschichten über meines Katers Toms Hütte mit dem schönen Titel:

the cats house - यो बिरालोको घर हो। - Yō birālōkō ghara hō

Montag, April 28, 2025

Doppelregenpellerine

Das Gewitter brachte Abkühlung und eine klare Sicht auf die Hügel im Süden und im Norden. Ein valley - ein Tal ist selbstredend umgeben von hills - Hügeln. Die kleineren Hügel innerhalb des Tals sind um geben von größeren, die sie überragen aber noch keine Berge sind. Denn Berge tragen weiß. 

Am Abend trage ich dunkel. Wir sind spät dran mit unserer lesson, weil wir nicht aufhören wollen, zu lernen. Es fängt an zu regnen, als ich mein Bike besteige. Vor dem Ambassador (=Hotel) hält mein driver an und sagt raincoat. auch ich muss absteigen, denn der double layer bike raincoat liegt schön verpackt im Fach unter meinem Sitz. Er passt - zu meiner übergroßen Überraschung - über unser beider Köpfe. Auch das muss ich nun zuerst lernen, wie ich darunter komme und den Kopf mitsamt Brille und Maske oben wieder herausstrecken kann. Zu sehen ist eh nichts. Wir brausen die Lazimpat hoch, sausen im letzten Moment (unsere Grünphase ist bereits unter Null abgelaufen) über die Ringroadkreuzung und weiter auf die Golfutar. Ein herrliches Gefühl im strömenden Regen!

Hier gibt es eine Anleitung: how to wear a 2 person motorcycle poncho in Kathmandu!

Sonntag, April 27, 2025

Mata Tirtha Aunsi

Aunsi = Neumond. Heute ist der erste Neumond im Monat Baisakh, dem ersten Monat des neuen Jahres 2082. An diesem Neumond wird der Mütter gedacht, aller Mütter, der lebenden und nicht mehr lebenden. Aamako mukh herne din. Das verstehe ich fast vollständig: aama = Mutter, mukh = Mund (manche benützen das Wort auch für das ganze Gesicht), ko = so etwas wie Genitivpartikel (ich beginne allmählich die Syntax zu verstehen, Pranai weigert sich standhaft, uns mit Grammatik zu langweilen), herne wahrscheinlich vom Verb hernu für (an)sehen, betrachten, frei übersetzt vielleicht auch "besorgt sein um" oder "seligen Gedenkens", din = Tag. Der langen Rede kurzer Sinn: Muttertag. Das Gesicht der Mutter ansehen (verehren) zum Dank für alles, was sie für uns getan hat.

Ich bin keine Mutter, auch keine Großmutter. Auf dem Hill gibt es unglaublich viele Kinder. Sie freuen sich immer, wenn sie mich sehen. Alle Kinder in diesem Land freuen sich, wenn sie foreigners sehen. Und alle Kinder lachen auch ganz ohne Grund. Es ist nun bereits mein sechster Neumond hier, und der zweite Neumondsonntag. Von diesem Sonntag habe ich Kinderlose so viel, dass über meinem Kopf wieder geklopft und gehämmert wird, unten auf dem Rasen wieder Steinplatten zugeschnitten werden und ein Gewitter über dem Valley aufzieht, das hoffentlich Abkühlung bringt. 

Samstag, April 26, 2025

Sanibar

Sanibar ist Samstag in diesem Land. Und sansaara ist die Welt. Freitag, sukrabar, gilt als der glücklichste Tag, weil er der letzte Arbeitstag der Woche ist, vor dem freien Samstag.

W fährt gerade mit einer Probebahncard und einem papierlosen Ticket auf dem DB Navigator von Frankfurt nach München. Ist das nicht absurd? Ich habe all diese Apps längst gelöscht und wüsste nicht einmal mehr, wie Zugfahren geht. 

Ich genieße den freien Samstag ohne Bike, aber bis Montag wird die Sucht danach wieder ungestillt sein. Weil Freitag der glücklichste Tag der Woche ist, bekommen wir von Pranai immer einen Song vorgesetzt. Gestern war es phoolko aankhama (in the eyes of flowers) - gesungen von der buddhistischen Rock-Star-Nonne Ani Choying Drolma, hier mit english translation. 

Freitag, April 25, 2025

10

Die Zahlen geben keine Ruhe. Heute vor 10 Jahren erschütterte das sogenannte Himalaya-Erdbeben Nepal. Das Epizentrum lag rund 80 km nordwestlich von Kathmandu. Stärke 7.8! Bis Mitte Juni folgten mehrere und heftige Nachbeben. Kathmandu und das Valley waren am schlimmsten betroffen. Neuntausend Menschen starben, fast eine Viertelmillion wurde verletzt, mindestens eine halbe Million Häuser beschädigt oder zerstört. 

Ich kann mich hier den Gedanken an Erdbeben nicht entziehen. Seltsamerweise bin ich froh, dass wir damals in Tsukuba von einem Erdbeben aus dem Schlaf gerissen wurden. Damals wusste ich nicht, wie mir geschieht - beim nächsten Mal, denke ich jetzt, weiß ich wenigstens, was geschieht. Wahrscheinlich ist auch das ein Irrglaube. Und ich bleibe gelassen. Jeden Tag auf dem Bike nach Thamel denke ich an Natasza G., die damals, heute vor zehn Jahren um die Mittagszeit, in einem Taxi in Kathmandu saß und eine Freundin im Norden der Stadt treffen wollte. Sie beschreibt in ihrem - hier schon mehrmals erwähnten, leider nur polnisch erhältlichen - Buch Tam eindrücklich, wie diese Taxifahrt endet. Daran denke ich regelmäßig, wenn ich über die Ringroad nach Süden brause, hinten auf einer Yamaha, Honda, Bajaj, TVS oder wie sie alle heißen, diese schwarzen, blauen oder roten zweirädrigen Wunderfortbewegungsmittel. Ungeschützt, wie alle Mitfahrenden. Ich bleibe, wie gesagt, gelassen. Dann ist es so. Ausgerechnet heute fragt mich mein freundlicher driver: Are you in a hurry or can we drive slowly?

I am not in a hurry. Never again, I will be in a hurry. Derzeit lerne ich am meisten auf meinem Schulweg. Ich glaube, das war schon in der frühen Kindheit so. Heute geht die 5. Woche zu Ende.

Donnerstag, April 24, 2025

dash hajar

Das ist wirklich easy. Ich schwimme am Mittag 40 Längen. Sie sind nicht sehr lang, aber das macht nichts. Es geht um das zählen - egal in welcher Sprache. Zählen schafft Ordnung. Sortiert die Gedanken im Hirn wieder in die Schubladen zurück, aus denen sie entflohen sind. Zählen bändigt das Sprunghafte. Bahnenzählen ist wie Bach auf dem Klavier. Mangels Klavier gehe ich nun täglich in den Pool. 

In Thamel werden wir in ein "außen" classroom versetzt. Sehr zur Freude aller foreigners. Mit fans und ohne Nebengeräusche aus den benachbarten chinesisch-, französisch-, englisch- oder gar deutsch-language-classes. Wir lernen endlich ganz normale Sätze sagen wie: Haami kushi chau (we are happy)!  

Zehntausend sind einfach zehn mal tausend: dash (10) hajar (1000). Eintausend sind ek (1)  hajar und Fünftausend (eine Füllung unseres Wassertanks auf dem Dach) paanch hajar. Mal zwei ergibt besagte dash hajar. 

Mittwoch, April 23, 2025

anbaden

Diese Wassergeschichte hat mich soviel Schweiß gekostet - da wird einerseits ein Haus "wasserdicht" gemacht, andererseits juckt es außer mich und Herrn K. überhaupt niemanden, dass gerade 10 000 Liter Wasser nicht den Bach, aber das Tal hinunterrauschten. Heute brauche ich eine Abkühlung und springe zum ersten Mal in unseren Communityeigenen Swimmingpool, den Herr K regelmäßig mit größter Hingabe reinigt. Ich drehe meine Runden und bewahre einen kühlen Kopf.

Danach rausche ich erfrischt und beglückt nach Thamel. Ich muss Pranai fragen, wie 10 000 in Nepali heißt. Vielleicht verstehen das meine bodybilderboys am Bambusgerüst. Sie sind kräftig, absolut schwindelfrei und fleißig, das muss ich ihnen zugestehen. Das monströse Gerüst wandert unter ihrer kundigen Anleitung immer ein Stück weiter unserer Fassade entlang. Kürzlich schwankten die schweren Stangen bedrohlich in die falsche Richtung. Sie wollten wohl weglaufen und wären fast über die glänzenden Autodächer auf dem Parkplatz gestiegen.

W ist ausgerechnet in Istanbul - als ob hier nicht genug Unruhe wäre, bebt nun dort die Erde. Und wie! Das erste Beben mit 4.1, das zweite mit 6.2. Es folgen 127 Nachbeben.

Dienstag, April 22, 2025

10 000

Zehntausend Liter Wasser sind letzte Nacht aus dem Wassertank auf unserem Dach ungehindert in den winzigen schmalen Garten abgeflossen. 

Tja. Seit gestern findet unser Unterricht wie berichtet am späten Nachmittag statt, so dass ich nach 16 Uhr das Haus verließ - wo ich normalerweise längst wieder da bin. Als ich gegen 19 Uhr vom Bike stieg, hungrig und müde - ich mache nun zuerst eine Biege auf den Hill, um Tom zu füttern, der auch hungrig ist - fand ich das Haus umgeben von einem See vor. Aus den Wasserleitungen kam kein Wasser mehr. Die Klospülung funktionierte noch einmal, dann war der Spülkasten leer. Ich lief zum Dragon und aß Glasnudeln. Auf dem Heimweg kaufte ich Joghurt und 2 Sommerhosen. Was sein muss, muss sein. Als ich nach Hause kam, war es dunkel. Es gluckerte geheimnisvoll ums Haus herum. Ich textete der landlady, dass hier eine unerklärliche Katastrophe im Gange sei. Sie (im Urlaub, außerhalb des Landes) bat mich, den Community Manager zu kontaktieren. Der kam sofort. Das Plätschern hatte aufgehört. Ruhig lag der See. Ich erklärte ihm, dass mE das Wasser aus dem sogenannten "Bedienstetenbad" kommen müsse. Er besah sich die Sache, stieg mit dem Smartphone als Taschenlampe aufs Dach, kam herunter und sagte, der Tank sei leer. Es war nun 20:37 Uhr.  

Gelernt habe ich bei dem malheur, dass die Wassertanks auf unseren Häusern, die uns nicht mit Trinkwasser, sondern mit Schmutzwasser versorgen - zum waschen, duschen, putzen, Blumen gießen usw - , 3 x täglich aufgefüllt werden: um 8 am, 2 pm und 8 am. W ist in Istanbul. Ich habe nach 14 Uhr höchstens noch einmal eine Klospülung betätigt. Die Maler waren nur kurz da, ich habe sie nicht zu Gesicht bekommen, nur gehört. Als mich um 16:13 mein driver abholte, um mich sicher nach Thamel zu bringen, war niemand hier. Von der 20-Uhr-Füllung ist restlos alles in den Garten geflossen und vor 20 Uhr war der Tank leer, denn um 19 Uhr kam kein Wasser aus den Leitungen. Also ist auch die 14-Uhr-Füllung mehr oder minder restlos im Garten angelandet.

Gelernt habe ich außerdem bei dem malheur, wo die Wasseruhr am Boden im Garten liegt, fast vollständig von Gras überwuchert. Der CM wusste, wo er graben musste. Er kam heute früh rechtzeitig, bevor der Tank wieder vollgeworden wäre und noch einmal 5000 Liter fröhlich glucksend ihren Weg in den Garten gefunden hätten. Mr K - so heißt er! - hatte nämlich beim swimmingpoolputzen das Übel durch reines Nachdenken und logische Deduktion gefunden: eine gebrochene Wasserleitung zur Toilette im sogenannten Bedienstetenbad, im Außenbereich, deshalb war im Haus alle trocken. Er stieg noch einmal aufs Dach und drehte alle Leitungen zu, die vom Wassertank wegführen. 

Das Bedienstetenbad dient seit bald zwei Monaten als Müllhalde (s.o.). Als Materialsammelplatz. Wo die Handwerker in der ganzen Zeit ihr Geschäft verrichteten, falls sie mal mussten, entzieht sich meiner Kenntnis. Umziehen tun sie sich vor meinem Küchenfenster und waschen an der Außenspüle - sehr zum Entsetzen von Tom!

Nun war der plumper da und alles ist wieder gut.

Montag, April 21, 2025

Der 267. Pontifex

Ich muss gestehen, dass Ostern mich in diesem Jahr in keiner Weise berührt. Gestern war sonniger Sonntag, wie immer Arbeitstag in Nepal. Die Maler turnten auf dem schwankenden Bambusgerüst herum und verschoben es am Abend an die Westfassade. Heute beginnt die Hitze, der Hochsommer, Tagsüber Temperaturen um die 30° plus. Wie jeden Montag haben wir foreigners wieder Unterricht, aber ab heute erst am späten Nachmittag, von 5-6 pm. Thanks to Shiva - oder Pranai, der seinen Tag anders sortiert und ganz unbeabsichtigt für mich die Zeit entzerrt. Die Fahrt durch die vergleichsweise leere Stadt ist wesentlich entspannter, die pollution weder schlechter noch besser.  

Der Tod des Papstes berührt mich nun aber doch. Meine christliche Sozialisation kann (und will) ich nicht ablegen. Bei mir ist es bereits heller Mittag, 11:20 Uhr. Und als die Glocken im Petersdom endlich erklingen, bin ich, wie gesagt auf dem Bike und rase gerade ungefähr am Wohnsitz des Pretenders vorbei nach Süden weiter. Ostern ist aus christlicher Sicht das perfekte Sterbedatum, und schon Franziskus' Vorvorgänger, der sogenannte "polnische" Papst, quälte sich über die anstrengenden Kar- und Ostertage hinweg, ehe er endlich aufatmen durfte. Nur der deutsche Papst wählte die Rente als Abschied aus dem Amt. Bürokratisch. Bayerisch. Er vergaß dabei - und zog die ganze katholische Weltordnung mit in den Schlund des Unerklärlichen - , dass es im Vatikan ist wie überall: einmal König, immer König, einmal Papst, immer Papst. Die Suche nach dem 267. Pontifex hat hinter verschlossenen Türen und vorgehaltenen Händen längst begonnen. Machen wir uns nichts vor, niemand wartete den heutigen Ostermontag, 07:35 MEZ ab. 

Pranai schreibt uns die Formen des "present progressive tense" der Verben an die Tafel, in einer affirmativen (bejahenden) und einer negativen (verneinenden) Variante. Ich runzle wieder einmal die Stirn. Erstens begreife ich nicht, was progressives Präsens ist, warum es nicht einfach Futur wird. Und zweitens kann ich mir nichts, aber auch gar nichts vorstellen, was in der progressiven Präsensform sprachlich auch noch verneint werden will. Ich bin gerade am Fahren, Sterben, Schwitzen. Ok, ca va! Aber: ich bin gerade nicht am fahren, sterben oder schwitzen? Wer spricht denn so und will damit was sagen? Pranai gibt mir Recht (a very good question). Er ist ein guter Lehrer und putzt kurzerhand die negative Spalte wieder von der Tafel weg. Braucht ihr nicht zu lernen.

Sonntag, April 20, 2025

897: Gerumuhar chanchar

Aller guten Dinge sind drei. Der 897. in Nepal - auf einem Apfelbaum in Mustang im April 2024 - gesichtete Vogel ist die Rotschwanzdrossel. Naumann's trush oder Turdus naumanni. Der Name Naumann führt natürlich nach Sachsen-Anhalt, nach Ziebigk bei Köthen. Ja, dort ist der Ornithologe Johann Andreas Naumann 1744 geboren und 1826 gestorben. Die Nepali nennen die Rotschwanzdrossel Gerumuhar chanchar und ihr Land "a haven for birding", einen Zufluchtsort für Vögel und deren geduldige Gucker!

Die christliche Welt feiert Ostern und wieder einmal verkündet ein kranker und alter Papst in Rom das urbi et orbi. Gekürzt und im Rollstuhl, aber ohne künstlich zugeführten Sauerstoff. Die Stimme ist schwach, die Handbewegung auch. Gekleidet ist er wie immer ordentlich. Schneeweiß. Die Osterbotschaft lässt er von seinem Zeremonienmeister verlesen.

Samstag, April 19, 2025

Regen

Endlich Regen. Ich rette die Vorhangstangen aus W's Arbeitszimmer von der Terrasse. Niemand kümmert es hier, wo Dinge, die vielleicht noch gebraucht werden, liegen bleiben. Die Wände sind frisch gestrichen, der Schimmel wurde vorbehandelt, jedenfalls roch es entsprechend. Die Vorhänge hatte ich selbst abgenommen und in Sicherheit gebracht. Die Stangen waren mir zu schwer. Die landeten draußen, was auch sein Gutes hat. Nun sind sie entstaubt und ich stelle sie zum Trocknen ins Bad. Die Maler haben bei dem Wetter frei und ich kann arbeiten.

Freitag, April 18, 2025

898: Baijani Dhade Bungechara

Es gibt noch mehr zwiebelfarbene und andere bunte Vögel im Lande. Der 898. Vogel wurde am 19. Februar in Kankadbhitta im Distrikt Jhapa entdeckt. Ein violetter Nektarvogel, ein Honigsauger der Familie der Nactariniidae mit markant lilafarbenem Rückengefieder! Laut nepalesischen Ornithologen ist dies bereits der achte bestätigte Nektarvogel im Land. Er bekam den wunderschönen Namen Baijani Dhade Bungechara, den ich leider sprachlich nicht vollständig erklären oder auflösen kann. Baijani hatten wir gestern schon, das ist die Farbe der nepalesischen Zwiebel, purple, violet oder lila. Chara ist der Vogel ganz allgemein, dhad oder dhaad (mit langem a) der Rücken, auch des Menschen. Wahrscheinlich ist also der nepalesische Name wörtlich übersetzt aus dem Englischen purple-backed sunbird oder spiderhunter.

Heute bin ich ausnahmsweise zwei Stunden früher auf dem Bike, da Pranai etwas vor hat nach der Lektion. Und siehe da: mein persönlicher spiderhunter oder eher daredevil bringt mich durch die Stadt. Derselbe Fahrer, der mich zu meiner allerersten Lektion nach Thamel gefahren hatte und mir die allererste Lektion im Bike-Taxi-Fahren in the Metropolitan City of Kathmandu erteilte. Er fuhr damals wie der Teufel höchstpersönlich und ich legte sofort alle Bedenken ab. Heute kam die Steigerung dazu: er raste hauptsächlich auf der Gegenfahrbahn, ob sie frei war oder nicht. Aber: arrived safely!

Donnerstag, April 17, 2025

899: Baijani Koili

Kaum identifiziere ich einen Kuckuck, kommt schon der nächste angeflogen. Der 899. Vogel des Landes wurde am 7. April um 11:20 Ortszeit im Osten gesichtet, im Sukhani Forest im Distrikt Ilam (kennen wir schon, das Serpentinenland): chrysococcyx xanthorhynchus, violet cuckoo oder in nepali baijani koili. Baijani ist die Farbe violet oder purple, koili das nepalesische Wort für Kuckuck. Wieder etwas gelernt. Wobei Pranai uns für purple pyaji an die Tafel geschrieben hat. Mit der Erklärung, dass die graphische und phonetische Variante pyaj onion bedeute, Zwiebel - weil, wie wir alle wissen, Zwiebeln violett sind. Da musste ich kurz eingreifen und ergänzen, dass nur in Nepal Zwiebeln violett sind. Anderswo gibt es gelbe, weiße, rote Zwiebeln und sogar Schalotten. Der neu unter der Nummer 899 ins Landesregister eingefügte Kuckuck ist aber tatsächlich "lebhaft" (vibrant) violett. Ein Zugvogel, ein Zaun- oder Fressgast, momentan jedenfalls, wie ich lese. Solange er nicht brütet, bzw seine Eier in fremde Nester legt, gilt er unter Ornithologen als nicht ansässig.

Mittwoch, April 16, 2025

Bodhibaum

In der Nacht fällt der Strom aus. Totaler blackout bis in den späten Vormittag hinein. Der Community Manager schaltet den Generator ein, sobald er aufgewacht ist und die Misere bemerkt. Die allermeisten Nachbarn verschlafen den power cut. Ich bleibe heute zu Hause, weil die Maler W's Arbeitszimmer und meine winzige Waschküche streichen. Das sind die beiden Räume, die von der Feuchtigkeit affected sind. Ein Lieblingswort in diesem Land. Alles, jedes Ding, jedes Wesen und jeder Zustand, kann von irgendetwas affected - negativ beeinflusst sein. 

Der Bodhibaum aber, von dem ich schon dachte, er sei am Sterben, ist durch den Regen wieder aufgewacht. Auch er litt unter der - was affected by - pollution. Wie wir alle, ob Menschen, Götter, Engel, Tiere, Hunde, Katzen, Ameisen ... oder Könige. Heute morgen ist zwar der Strom weg, dafür aber die Luft rein. Es riecht feucht und erdig. Ich bestaune den Fortgang der Mauer, die nun deutlich über den Boden hinauswächst. Und die grünen Triebe im blauen Himmel.

Dienstag, April 15, 2025

Asienkoel

Heute hat mich die Sucht nach Wind um die Nase wieder und ich rausche hinten auf dem Bike durch die Stadt. Auf dem Hinweg fragt mich der driver, ob 40 km/h ok sei. Ich hatte schon schnellere Fahrer und lerne viel bei diesen Höchstgeschwindigkeiten mitten im Gewusel beim linksabbiegen auf überfüllten Kreuzungen. Und so. Der Verkehr fließt besser, wenn kein Polizist ihn zu regeln versucht. Aber wenn ein Polizist regelt, mit Handzeichen und Trillerpfeifen, dann gehorchen alle. Und es kommt zu Stockungen. Auf dem Heimweg verpasse ich knapp das Gewitter. Danach poltert der Himmel es regnet heftig bis spät in die Nacht. 

Seit Tagen, Nächten, Wochen, schreit ein Vogel, ein liebeskranker einsamer Vogel in den Bäumen unseres Hills. Sein Ruf schallt über das Minivalley zu unseren Füßen und holt uns regelmäßig aus dem Schlaf und begleitet uns durch den Tag. Nun habe ich ihn endlich gesichtet. Er ist schwarz wie eine Amsel, aber größer. Sitzt am liebsten ganz oben im Baum, ganz oben über der kleinen Tempelanlage. Und schreit, dass Shiva erbarm. Ich gucke in das gut sortierte Verzeichnis des Ranibariforest und finde ihn. Asienkoel oder Indischer Koel. Eine Kuckucksart aus der Unterfamilie der Altweltkuckucke (Cuculinae). Ein Brutparasit, wie alle Kuckucke. Aber dieser hier schreit sich noch die Kehle aus dem Hals (oder wie sagt man?) nach seiner perfekten Gespielin. Vielleicht ist es auch nicht nur einer, sondern viele, allesamt männlich, liebestoll und allein.

Montag, April 14, 2025

Naya Barsha

Public holiday. Neujahr in Nepal. Das Jahr 2082 beginnt mit dem Monat Baisakh. Ich habe in den letzten fast sieben Monaten schon viele Jahreswechsel erlebt und ich glaube, keiner war so schmucklos wie dieser. Meine Maler malen, im Dragon wird gekocht (und nebenher Buchhaltung gemacht, Belege sortiert), der Pretender schickt eine Neujahrs(kampf)ansage ins Netz mit dem Wunsch May Lord Pashupatinath bless us all und dem letzten Wort Jai Nepal! Da muss ich wieder ein bisschen guugeln. Sprachlich verstehe ich gerade soviel, dass er - wie es sich für einen König, auch im Wartestand, gehört - im pluralis majestatis spricht, also ausschließlich haami (wir) sagt und nicht einmal ma oder moh (ich). Daraus schließe ich, dass er - was ihm gerade heute von allen auf demokratischem Wege ins Amt gehobenen Politikern vorgeworfen wird - logischerweise rein linguistisch kein Schuldeingeständnis formulieren kann, die Ereignisse des 15 Chaitra 2081 bzw. 28. März 2025 betreffend.

Pashupatinath ist die patriotische Gottheit des Landes. Nach der Legende setzte seine irdische Existenz als Hirsch in Nepal ein. Pashupatinath war hingerissen von der Schönheit des Kathmandu Valley! Noch bevor es Vehikel gab, die die Luft auch für geweihte Tiere verpestet. Lord Shiva wird auch Pashupati genannt, weil Pashupati "Gott der Tiere" bedeutet. Ich zermartere mein Hirn und grabe am heutigen Schulfreien Tag in unsortierten, kaum entzifferbaren handschriftlichen Notizen aus drei Wochen Unterricht. Und finde "janawar" für animals mit der Beispielfrage: "tapailaj kun janawar manparcha?" - which animal do you like? Sowie einen klassischen Pranai-Satz (ihr solltet noch seinen O-Ton hören!): "bun maa dherai pasu panchi" - in the forest are too many animals. Hier, wie er erklärte, animals im Sinne von wildlife! Bingo. Aber weshalb too many? Die Transkription ist, wie bereits mehrmals verkündet, immer reine Glückssache, die Konsonanten sind unstet, mobil und neugierig verkettet wie gerade geschlüpfte Vögel. Ich liebe unseren teacher für solche Sätze, aus denen uns Analfabeten das Rumoren des Weltalls ans Ohr schlägt.

Sonntag, April 13, 2025

Vollmond

Der Mond wird bei uns am frühen Morgen voll. Es ist der wievielte? Ich zähle nicht mehr und lasse die Haare weiter wachsen. Und nein, ich habe immer noch kein Heimweh. Es gibt keinen Ort, an den ich zurückkehren könnte oder wollte. Bin lost in happiness (mo kushima harako chu). Wir schaffen uns nichts überflüssiges mehr an und kommen immer noch (more or less) mit zwei Tellern, zwei Tassen und zwei Gläsern aus. Mit zwei oder mehr Sprachen. Und zwei oder mehr Zimmern.

Die Fassadenmaler kommen zu dritt und klettern behende wie Affen die Bambusstangen hoch. In Nepal sind richtige Maler richtige Akrobaten. Gleichgewichtsstörungen, Schwindel oder Höhenangst kennt hier niemand. 

Heute ist der letzte Tag des Jahres 2081, der letzte Tag des Monats Chaitra. Chaitra ist der letzte Monat des Jahres im Bikram Sambat.  

Also Sonntag und Silvester gleichzeitig. In Kathmandu ein ganz normaler Arbeitstag. Alle Geschäfte sind offen, ich laufe noch einmal zu meiner Apothekerin. 

W packt und verreist am Mittag. Den Sekt zum 17. haben wir schon gestern Abend getrunken.

Samstag, April 12, 2025

Das zweite Gewitter

Das zweite Gewitter kommt nicht so früh wie das erste. Es überrascht mich während meiner Morgenroutine beim Laxmibaum und ich muss nach Hause flüchten. Ein paar Tropfen treffen mich, aber der richtige Wolkenbruch wartet, bis ich die Haustüre hinter mir zugeworfen habe. Die Air Quality erreicht lächerliche 62 - das ist schon fast Luftkurortverdächtig. Am Nachmittag wieder eitel Sonnenschein. Und himmlische Ruhe. Wir trinken Kaffee auf der bereits wieder staubigen Terrasse. Die rote Farbe löst sich rückstandsfrei wie ein Gummiband. Samstag, keiner arbeitet. Ich nutze die Gelegenheit, dass niemand auf dem Dach mit Farbe zugange ist und stelle die Waschmaschine an. 

Hindus und Buddhisten, vor allem aber Angehörige der Tamang Community, nehmen heute Abend, am Vorabend des Chaitra-Vollmonds, des letzten Vollmonds des Jahres, des Vollmonds des letzten Monats des Jahres, ihre jährliche rituelle Dusche in Balaju Baisdhara

Freitag, April 11, 2025

Bhalu Pahad

Tom hat mir einen angefressenen Jungvogel vor die Eingangstür gelegt. Er ist schlau. Sein Futter bekommt er an der Hintertür der Küche zum Hinterhof. Seine blutigen Trophäen hingegen legt er mir adrett zentriert vor die Stufen zur Haustür. Nicht zu übersehen. Die Maler kratzen an der Südfassade. Die Air Quality ist auf 85 gesunken. Ich komme trocken zum Language hub und wieder zurück.

Wir lernen vor dem langen Wochenende, dass gewisse Wörter verheerend sind und besser aktiv nicht verwendet werden sollen. Aber sie zu verstehen, sei immer von Vorteil, sagt Pranai. Auch im Himalaya wird geflucht und geschimpft. 
Auf dem Weg von Pokhara nach Lumbini kamen wir am Bhalu Pahad vorbei, und unser Fahrer hielt extra an, um uns den scenic spot zu zeigen und uns Gelegenheit zu geben, ihn zu knipsen - was wir gehorsam taten. 

Der Bärenhügel - Bhalu Pahad. Ein Hügel mit einem Wort (wer auf das erste Bild klickt, kann es ev in der Ferne erkennen) und eine Straßenkehre mit einem Gruß. Bären, erklärte der Fahrer, gibt es aber hier schon lange keine mehr. 
Heute lerne ich, dass das unschuldige Wort für den liebenswerten Winterschläfer, Waldbewohner und Pelzträger in nepali language eine zweite Bedeutung hat: Nutte, Prostituierte, Sexarbeiterin. Leicht bekleidete Bhalus habe ich bisher nur spätnachts in Panipokhari gesehen.

Hier kann man ein Stück unserer Fahrt auf dem Siddharta Highway in umgekehrter Richtung zum Bhalu Pahad - Bears Hill nachverfolgen und Highway Life in Nepal genießen!

Donnerstag, April 10, 2025

Gewitter

Es kracht am frühen Morgen. Dann prasselt der erlösende Regen ans Fenster. Tom hockt in seiner Hütte und kommt nur zum Futtern heraus. Heute wollen die Maler ein neues Gerüst aufbauen, nachdem die Maurer ihres vorgestern abgebaut haben. So sind alle beschäftigt.   

Mittwoch, April 09, 2025

Mein Schulweg

Endlich das gewünschte Bild. Ich auf dem Heimweg bei air quality 504 laut The Kathmandu Post. Das ist eigentlich nicht mehr zu überleben. Pranai, unser teacher, ist in Kathmandu geboren und sagt, so ein Wetter habe es im Valley noch nie gegeben.
Wir lernen heute, dass es in der nepalesischen Hochsprache kein Wort für Heimweh gibt. Denn, sagt Pranai, nepali people kennen diesen Gemütszustand nicht. Bis vor wenigen Jahren blieben alle dort, wo sie zu Hause waren. Das ist nun anders. Jeder, der mich auf der Straße fragt what's your country?, erzählt mir mit leuchtenden Augen, dass er einen Onkel, einen Neffen, Bruder, Sohn, Vater, Schwiegersohn oder Enkel hat, der in Germany ist. 
Das alles erklärende Pic hat Angie geknipst, meine Schulkameradin. An der Leknath Marg, vor dem Oxford Store, der keine Schulbücher verkauft, schon gar nicht aus Oxford. Auch die Kalender sind ausverkauft, so kurz vor Neujahr. Zu beachten: Linksverkehr! Bin eben aufgestiegen und der driver checkt noch die Route. Straight ahead - geradeaus nach Norden. 

Dienstag, April 08, 2025

Balkhu

Heute marschieren die Monarchisten in Balkhu. Sie wurden aus dem Zentrum der Macht nach Südwesten gebeten. Wieder kreuze ich ihre Route nicht, aber die Polizei ist überall präsent. Besonders um den Wohnsitz des Pretenders herum. 

Wir halten nun schon über eine Woche den Weltrekord in Sachen dreckiger Luft. Auf dem Hill wurde das Bambusgerüst abgebaut. Nun kann niemand mehr unbemerkt auf unser Dach.    

Montag, April 07, 2025

Schreibschrift

Die Lehrerinnen und Lehrer füllen mit schwarzen Masken die Strassen von Barbar Mahal bis New Baneshwar. Sie waren schon gestern mit Trillerpfeifen in der Capital City unterwegs. Sie kämpfen darum, dass das neue Schulbildungsgesetz (school education act), beschlossen 2023, endlich in Kraft gesetzt wird. Es sollte ein völlig veraltetes von 1971 ersetzen. Was lange währt ... Unsere Nepali for Foreigners Stunde fällt aus. Auch unsere Nachbarskinder sind alle zu Hause und spielen Fußball. Ich muss trotzdem auf ein Bike, dreimal hintereinander, durch den Vormittagssmog und -Stau. 

Unterwegs erreicht mich die Nachricht, dass unsere class heute leider abgesagt wird. Also setze ich spontan auf Selbststudium. Hole bei Books Mandala Muna Madan ab und frage nach einem Lehrbuch für mich. Bekomme A Topical Approach to Learning Nepali angeboten. Und erkenne beim ersten Blättern: Wie gemacht für mich. Kehre keuchend nach Hause zurück, die Streikroute kreuze ich nicht und setze mich hin und male Buchstabenungeheuer. Die Devanagari Schönschreibschrift.  

Sonntag, April 06, 2025

Ram Navami

Public Holiday, erst kürzlich von der mehrheitlich kommunistisch-maoistisch geprägten Regierung wieder zu einem solchen erhoben. Ram Navami wird am 9. Tag der Shukla Paksha (zunehmender Mond, wir sahen ihn gestern trotz smog am frühen Abendhimmel) des Monats Chaitra im Bikram Sambat Kalender gefeiert. Ram soll die siebte Inkarnation von Vishnu sein, also feiern die Hindus heute so etwas wie Weihnachten, die Wiedergeburt Vishuns als Ram, den Inkarnationstag. Ram wird als idealer Mann vergöttert oder als idealer Gott vermännlicht, der sich natürlich, so wie alle seiner Kollegen, vor allem im Kampf des Guten gegen das Böse bewährte. Mein kleiner Tempel wurde bereits gestern stark frequentiert und mit Blüten und Körnern besetzt und mit Karmesinrot beschmiert. 

Das Laub des sterbenden Bodhibaums musste gleich zweimal zusammengekehrt werden. In solchen Mengen fällt es bei dem Wetter. Und gleich zweimal musste das Feuer in der Tempelfeuerstelle angefacht werden. Dieser Qualm befeuerte die pollution direkt vor unseren Fenstern zusätzlich, und verminderte die Sicht. Heute hingegen ist Stille und frische Luft angesagt. Es kurven - public holiday! - keine Schulbusse über die Golfutar.

Wir halten uns still zu Hause. Mein Körper reagiert mit Erleichterung auf den bereits zweiten Tag inside und die Seele zehrt vom Romeo-und-Julia-Epos der nepalesischen Literatur. Ein Tipp von Pranai (unseres Nepali-for-foreigner-Lehrers) zum freien Wochenende: "Muna Madan" von Laxmi Prasad Devkota. Ich lese vorerst eine stark gekürzte, im Netz frei zugängliche deutsche Fassung, bis ich morgen die englische Version bei Booksmandala abhole. Heute ist, wie gesagt, Feiertag. So etwas wie Weihnachten. Geburtstag. Und wir bleiben schön zu Hause! 

Im Original werde ich "Muna Madan" kaum je lesen können, obwohl der Autor nicht im damals (erste Hälfte 20. Jh) üblichen Sanskrit schrieb, sondern im sogenannten Jhyaure-Folklorestil. Was auch immer damit gemeint ist - ich verstehe es nie und nimmer.

Samstag, April 05, 2025

Elastocoat

Nachts wache ich nun auf, durstig! Ausgetrocknete Schleimhäute, eine so spröde Kehle, dass sie weh tut. Und wie ich sie noch nie hatte. Meist bin ich zu matt, um aufzustehen, eine Treppe nach oben oder nach unten zu gehen und Trinkwasser zu holen. So könnte sich verdursten anfühlen. Früher wachte ich auf, weil die Blase voll war  

Am Vormittag versuche ich, unsere frisch gestrichene Terrasse zu säubern. Ich will nur mit kaltem Wasser den Staub wegspülen, alles andere wäre Verschwendung von Ressourcen und Chemikalien. Im Schatten und vor der  Mittagshitze. Es ist Anfang April und bis zur Regenzeit noch weit. Wir stehen gerade erst am Anfang von Temperaturanstieg und extensiv pollution. Das Wischwasser weicht die Farbe auf und die geriffelten Sohlen meiner Slippers ziehen Fäden hoch. Wie Kaugummi. Werfen Falten und Wellen. Wie im Luftzug baumelnde Vorhänge. Das ist alles andere als ein fester Untergrund! Die rainy season wird irgendwann kommen. Und bis dahin sollte das Haus wasserabweisend sein, wie unter einer Pelerine, der Regen abperlen wie von einem rain cape. Ich hatte kein Vertrauen zu dem jungen Mann, der hier zwei Tage lang rote Farbe (TWS 401 Elastocoat-Pu) verschmierte. So wie der kleckerte, habe ich noch keinen Anstreicher anstreichen und kleckern gesehen. Wahrscheinlich muss jetzt - sobald wir uns bei unserer landlady mit einer Bilderflut beschweren - die ganze Schose, dieser indische elastische coat, wieder abgezogen oder abgeschliffen (meine Nerven!) werden und dann ab ovo ...

Freitag, April 04, 2025

Paink

Bei Paink im Westen Nepals, Distrikt Jajarkot, bebt die Erde kurz hintereinander zweimal. Um 20:07 und um 20:10 local time. Die zweiten Erschütterungen sind deutlich stärker zu spüren, sagen die Leute, die in Panik in und um Paink auf die Straßen rennen. Der Unterschied von 5,2 zu 5,5 scheint auf dem Papier nicht so arg groß, ist aber zwischen den sich scheuernden Platten vielleicht gerade der Pfad zur Katastrophe. Berichte über Schäden gibt es (noch) nicht. 


Wir auf dem Hill in der Hauptstadt stehen (noch) auf festem Boden, rundum werden von Hand (wie bereits gesagt) Befestigungsmauern in die Erde gebaut und den Atem holen wir in unsere Lungen aus der wahren Hölle.  

Donnerstag, April 03, 2025

Tomek

 Sein Name sei ... Tom! Polnisch (zärtlich) Tomek. Er wohnt in seinem Lieblingskarton unter der Außenspüle. In the house in the house in the house. Er wacht natürlich wie immer sofort auf, wenn er mich herumfuhrwerken hört. 

Und will, müde und satt (Frühstück verputzt vor genau einer Stunde) hin oder her, sofort wieder Futter.




Mittwoch, April 02, 2025

Die Stadt im Werden

Die Stadt ist keine Stadt. Aber die Sicht auf sie authentisch. Die Stadt ist im Werden. Sie besteht aus Hunderttausend kleinen und großen Baustellen. An allen Ecken wird gearbeitet. Gebaut. Gebuddelt. Überall von Hand. Selten kommen Maschinen zum Einsatz. Wie gestern, als ein Bagger unter meinem Tempel einen tiefen Graben aushob. Daneben kam ein ordentlich mit Ziegelsteinen gebauter runder Brunnen zum Vorschein. Wahrscheinlich seit etwa zehn Jahren verschüttet. Kürzlich in der Nacht erhob sich ein fürchterliches Getöse. Ein Lastwagen hatte Steine abgeladen. Und was für welche! Riesige Blöcke sandgelber Farbe. Diese Steine wirft nun ein Arbeiter von Hand und in den üblichen ausgelatschten Slippers in den Graben. Von unten spritzt Wasser hoch. Grundwasser? Der Mönch hatte mir erklärt, es würde eine Wasserleitung gelegt und die Mauer befestigt. Ein kurzes Stück Betonrohr liegt bereits bereit. 

Ganz am Anfang hatte mir der Mönch versichert, das Wasser, das aus einer Leitung fließt, immer, Tag und Nacht, sei Trinkwasser. Es kommen ständig Leute, die hier ihre Wasserbottiche auffüllen und wegschleppen, bei der Gelegenheit noch Zähne putzen, Haare waschen und andere Körperteile säubern, die ausgezogenen Kleidungsstücke ausspülen, auswringen und feucht wieder überziehen ... und so weiter und so fort. 

Direkt daneben, in Sichtweite, unsere "guarded community". Der Manager reinigte den ganzen Winter in regelmäßigen Abständen, ungefähr einmal in der Woche, den Pool, den meines Wissens, seit wir hier wohnen, noch niemand benutzt hat. 


Dienstag, April 01, 2025

back to nature

Alles, was ich hier tue, mache ich freiwillig. Seit heute trage ich eine Partikelfilter-Halbmaske auf dem Weg zum Language Hub. Helmpflicht besteht in Kathmandu nur für den Fahrer, nicht für die Beifahrerinnen, auch nicht für mitfahrende Kinder. Maskenpflicht gibt es gar nicht. Gestern erreichte Kathmandu den Olymp der Luftverschmutzung: 365 Mikrogramm pro Kubikmeter nach der Skala PM 2,5. Weltbestleistung! Der Superlativ ist zwiespältig und die Zahlen zwar erschreckend, aber viel schlimmer als jede Statistik ist das, was ich täglich sehe oder nicht sehe und spüre oder nicht spüre in der Mittagshitze, wenn mein driver mich durch die alte Heimat fährt, die Lazimpat hinunterbraust, im Schatten des Ranibariforests, am Bluemoon und unter der wieder intakten Ampel vorbei. Die Luft ist zum Schneiden dick, die Sicht stark eingeschränkt, rundum stoßen Fahrzeuge schwarze Wolken aus - so dass wir auf Wolke 7 schweben. Also ab heute - und das ist kein Aprilscherz - Maske auf, Überbleibsel aus einem längst vergessenen Dithmarscher lockdown, und Sonnenbrille auf. Die macht das Schwarz noch schwärzer. 

Aprilscherze gibt es hier nicht, weil es gar keinen April gibt. Heute beginnt auch kein neuer Monat, wir haben immer noch Chaitra, den letzten Monat des Jahres 2081, mittlerweile den 19. Tag - also wird in 12 Tagen das Neue Jahr begrüßt!