Freitag, Februar 07, 2025

Blätter

Die Bäume werfen dürre Blätter ab, wie anderswo im Herbst. Aber hier sind alle aufgeweckt und fröhlich, weil der Frühling kommt. Um den Shivatempel herum wird das Laub des Laxmibaums und der Buddhabäume zusammengekehrt und verbrannt. Dazu wurde kürzlich aus Ziegelsteinen eine quadratische Feuerstelle in den Boden eingelassen, ehe die einstige Rasenfläche rundherum unter achteckigen Pflastersteinen verschwand. Feuerstellen finden sich bei allen Tempeln. Ich weiß nicht, ob sie nur der Müllverbrennung dienen oder auch weniger profane Zwecke erfüllen. Die Feuerstelle vor meinem Haustempel ist besonders edel. Und solange Plastiktüten, Folien, Verpackungen und was noch so alles herumliegt und -fliegt, nicht mit verbrannt werden, bin ich hochzufrieden. 

Heute tauchen während meiner Morgenmeditation zwei junge Männer auf. Ich merke mittlerweile den Leuten an, ob sie zum Beten oder zum Arbeiten kommen. Der eine steigt in den Bodhibaum und säbelt mit einem geschwungene Dolch feine, frische Äste herunter. Der andere zupft unten die jungen Blätter ab und füllt sie in einen leeren Reissack. Den Rest lässt er zu Boden fallen (wird später zusammengekehrt und verbrannt). Ich frage ihn, was sie da tun. Er sagt freundlich: Bodhiblätter sammeln. Er muss sich über meine Frage im Stillen sehr gewundert haben, denn ich verstehe sofort aus seinem Gesichtsausdruck, aus seiner ganzen Körperhaltung, dass das natürlich einen tieferen (spirituellen) Grund hat. Ich hatte schon im Ranibariforest beobachtet, wie vor wichtigen Feiertagen der jungen Feigenpappel, der ficus religiosa die jüngsten, frischesten Blätter "gestohlen" (wie ich damals meinte) wurden. Das hatte mich sehr erbost und ich lief aufgebracht nach Hause. W. sagte "vielleicht hat er ein krankes Kind ...". Derjenige, der extra eine Plastiktüte mitgebracht hatte und im Morgengrauen saftiggrüne Blätter hinein stopfte und die rosarote Wundertüte in seiner Winterjacke verschwinden ließ. "... Vielleicht muss er ein besonderes Opfer bringen." 

Ich frage den jungen Mann, ob ich ein paar Stiele mitnehmen darf, an denen noch verknospte Blätter wie Beeren hängen. Ich darf und stelle sie ans Küchenfenster in ein Wasserglas. Dort stehen schon andere hoffnungsvolle Stiele.

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