Montag, Februar 10, 2025

Die Bildersprache

Ich verstehe weder die Nationalsprache noch die Bildersprache in diesem Land. Ich sehe, dass alle hinduistischen Tempel, auch die kleinsten an den lautesten und dreckigsten Straßenecken, immer besucht, immer gepflegt, mit brennenden Kerzen und Räucherstäbchen, mit leuchtenden Blütenblättern, Früchten, Schalen, ungekochten Körnern, Gewürzen usw bestückt werden. Die Götter werden mit Wasser begossen und mit Crimson bestrichen. Vor ein paar Tagen öffnete ein neuer Sari-Shutter an der Golfutar. Er war mit bunten Luftballons geschmückt und mitten vor dem Eingang lag eine Banane, darin steckte ein Räucherstäbchen. Es roch sehr angenehm mitten im Feierabendgeknatter. Ich sehe, rieche, höre, nehme es auf dem Weg zu meinen Kattanoodles wohlwollend und anerkennend zur Kenntnis, freue mich, respektiere es - verstehe es aber nicht wirklich.

Als Gyanendra - king pretender of Nepal - am 7. Juli 1947 als zweiter Sohn des damaligen Kronprinzen Mahendra und seiner Gattin, Kronprinzessin Indra im Königspalast Narayanhiti in Kathmandu geboren wurde, warf der Hofastrologe seine Weissagung über ihn: der Vater, Mahendra sollte, um Unglück von dem Kind abzuwenden, dieses für eine "gewisse Zeit" nicht "ansehen". Das Baby wurde sofort nach der Geburt aus dem Palast entfernt und zu seiner Großmutter (lese ich und verstehe nicht - der Großvater väterlicherseits war der amtierende König Tribhuvan, seine Gattin lebte sicherlich nicht in a distance palace - die Großmutter mütterlicherseits starb 1946, also im Jahr vor seiner Geburt): baby Gyanendra was dispatched out of Kathmandu to live with his grandmother at a distant palace. Deshalb war er nach dem frühen Tod seiner Mutter, nach der Flucht Tribhuvans und der königlichen Familie ins indische Exil das einzige in Nepal verbliebene offizielle Mitglied derselben, deshalb konnten die selbstherrlich regierenden Ranas den Dreijährigen Halbwaisen zum König erklären. Deshalb war er zweimal König Nepals, wenn auch beim ersten Mal nur für zwei Monate. Gyanendra war ein ausgesetztes - oder auserwähltes Kind. Ein Mutterloser, Vaterloser, Manipulierter, Verstoßener, Ausgeschlossener - aber Überlebender! Spielball der säkularen und nicht säkularen Mächte. Seine Mutter Indra starb 1950 bei der Geburt des jüngsten Sohnes Dhirendra. Sie stammte aus der Rana-Ariostokratie, wurde mit 14 an Kronprinz Mahendra verheiratet und starb zehn Jahre später, mit 24, nachdem sie dem Thronfolger drei Prinzessinnen und drei Prinzen geboren hatte. Genug für den Weiterbestand der Shah-Dynastie und allesamt mit Genen der Ranas ausgestattet!

Warum sich Gyanendra in der Nacht vom 1. Juni 2001 nicht im Königspalast in Kathmandu aufhielt und nicht mit der königlichen Familie zum Dinner an einem Tisch saß - sein jüngerer Bruder Dhirendra aber schon, obwohl der seit Jahren in London mit einer Engländerin lebte und aus diesem Grund seine königlichen Titel längst abgegeben hatte -, weiß ich nicht. Jedenfalls verdankt Gyanendra diesem Umstand, dass er als einziger rechtmäßiger männlicher Erbe nach dem Massaker noch lebte, seine zweite Inthronisation. Einmal Spielball der Geschichte - immer Spielball der Geschichte? 

Die einstigen Hofastrologen sind heute Präsidenten- und Ministerialastrologen. Die Vertreter aller Parteien hören auf sie, auch die aktuell regierende Allianz der Kommunisten.

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