Freitag, Februar 28, 2025

Durchreise

Zum Monatsende Neumond. Der bereits vierte auf dem Hill. Fast zeitgleich mit Sonnenaufgang. Und Gyalpo Lhosar. Neujahr der Sherpas. Der erste Tag im Tibetischen Kalender. Also auch  Neujahr der Tibeter. In der Nacht bebte die Erde in Karkhali, Distrikt Sindhupalchowk, Provinz Bagmati. Also bei uns um die Ecke. Epizentrum bei Bhairavkunda. Etwa soweit nach Nordosten wie wir gestern von Südwesten zurückkamen. Die Angaben zur Stärke variieren von 5,5 bis 6,1. Sechs Menschen sind verletzt, zwei davon in Kathmandu. Und ein Sträfling (der ist der Zeitung eine besondere Erwähnung wert!) in Sindhupalchowk. Ein Haus wurde vollständig zerstört, drei weitere beschädigt, ebenso ein Kuhstall und das Polizeirevier in Kodari. 

Ich habe tief und fest geschlafen und bin mit dem Gefühl aufgewacht, von einer Weltreise zurückgekehrt zu sein. Vielleicht war ich während der Eruptionen auf Durchreise. Oder noch nicht ganz zurückgekehrt. Aus den Bergen.

Und dann Regen. Den ganzen Tag immer wieder Regen. Zum ersten Mal überhaupt regnet es anhaltend und so heftig, dass ich ständig mit meiner Wäsche wandere. Vom Dach herunter und wieder aufs Dach hoch.

Und schließlich zur guten Nacht kein Strom. Alles dunkel und friedlich wie sich das gehört in der ersten Nachneumondnacht. Wir gehen früh schlafen.

Donnerstag, Februar 27, 2025

back home

Die längste Seite des ungleichschenkligen Reise-Dreiecks lege ich wieder mit Buddha-Air zurück. Diesmal 30 Minuten Nachtflug, sozusagen keine Verspätung, wenn wir außer Betracht lassen, dass der eigentliche Flug aus unerfindlichen Gründen vom Flugplan des GBIA (Gautam Buddha International Airport - auch mit Domestic Flights) verschwunden war, wir zu dritt freundlicherweise auf eine frühere Maschine umgebucht wurden, die dann so viel verspätet abhob, dass wir fast pünktlich in Kathmandu landeten. 

Davor: Lumbini. Buddha. Buddha-Birthplace. Buddha-World-Heritage-Site. Buddhist University. Japanese lunch. Nepalese breakfast. No dinner. Und so weiter und so fort. Beseelend ruhig und grün. 



Mittwoch, Februar 26, 2025

Serpentinen

Ich bin gestern nur nach Pokhara geflogen, um den heutigen Tag mit W zu verbringen. Im Auto. Über siebenhundert Berge und siebentausend Serpentinen an Siebenhundertmillionen Tempeln und Klöstern vorbei ins Buddhaland hinunter, nach Süden, Südwesten, zweihundert Kilometer quer durchs Land, von Kathmandu aus nochmals soviel, also 200 km, ergibt das gewohnte gepflegte Nordsee-Dreieck, allerdings hier durchs Gebirge und hinunter ins fruchtbare und feuchte Tarai bis fast an die Grenze zu Indien, nach Lumbini. Und das ausgerechnet an Maha Shivaratri! Dem wichtigsten Festival im Hindukalender! Heute wird der göttlichen Vereinigung von Lord Shiva und seiner Gemahlin Parvati gedacht, mit Fasten, kosmischen Tänzen, reinigenden Feuern und spirituellem Erwachen. Alle Gläubigen bringen Milch, Wasser oder Joghurt zu den Tempeln und baden das Lingam darin. Und die Unverheirateten Frauen bitten um einen guten Gatten!

Wir derweil auf verschlungenen Pfaden zu Buddha. Zum Birthplace of Gautama Buddha - dem Geburtsort. An allen festlich rot gekleideten Frauen der Distrikte und Provinzen, die wir durchqueren, vorbei. Immer und immer wieder passieren wir Eingangs- und Ausgangstore. Kürzlich, als ich über die Hundekauknochen sinnierte, die im Distrikt Ilam der südöstlichsten Provinz Koshi für den Weltmarkt produziert werden, habe ich gelernt, dass der Name Ilam aus der Kirantisprache Limbu stammt, einem Zweig des Tibetobirmanischen. "Lam" bedeutet dort Straße und "il" gewunden, verdreht, verschlungen. Also kurvenreiche Straßen. Serpentinen.

Dienstag, Februar 25, 2025

unterwegs

Ich fliege mit Buddha-Air nach Pokhara. Für mich eine Premiere. Inlandsflug. Kurzflug. 25 Minuten. Aber zweieinhalb Stunden verspätet. Dann zu Lord Shiva auf die höchste Erhebung, den Pumdikot Hill. Leider diesig und dunstig. Die Achttausender heben sich kaum von den Wolken ab. Zur Bishwo Shanti Stupa, wo übernatürliche Ruhe herrscht und zurück in die Stadt und unter die Erde. In die Gupteshwor Mahadev Höhle, eine Karsthöhle, die - auch die - Lord Shiva zugeordnet ist. Mit Stalagmitten, Nandi-Statue, Sinterschmuck und dem Devi's Fall, dem unterirdischen Wasser- und Tageslichtfall. Genug der Kontraste.

Damit habe ich meinen Beitrag zum Visit Year 2025 geleistet.

Montag, Februar 24, 2025

Zeitläufte

Denk ich an Deutschland in der Nacht ... bei uns ist die Nacht um. Shiva sei Dank! Gleich geht die Sonne auf. 

Sonntag, Februar 23, 2025

Zeitrennen

W. hat mir aus Oman einen Klapp-Aufstell-Kalender für das laufende Jahr mitgebracht. Herausgegeben vom Ministry of Heritage and Tourism bietet er mir über das Jahr verteilt eine Sightseeingtour durch das Land. Sehr schön! Aber: Die Tage des Monats laufen unter jedem bunten Bild von rechts nach links. Daran muss sich mein Hirn nun erst gewöhnen. Gut für die geistige Fitness. Und: als Feiertage farblich hervorgehoben sind natürlich die Freitage und Samstage jeden Monats. Auch sie linksgedreht. Also: der Samstag steht links vom Freitag. In Nepal wäre - wenn es hier Kalender gäbe - alles andersherum und nur der Samstag als Feiertag rot markiert. Sonntags wird hier gearbeitet (heute zB bohren sie wieder auf der Baustelle gegenüber). Aber in Nepal gibt es keine Kalender, jedenfalls nicht für ein Jahr 2025 AD. Auf den chinesischen Kalendern hingegen, die wir kürzlich in Guangzhou geschenkt bekamen, ist der Samstag und der Sonntag als Feiertag gekennzeichnet. Rechtsdrehend. Beziehungsweise hintereinander-untereinanderstehend. Der rote Samstag steht am rechten Ende einer Zeile und der rote Sonntag am linken Anfang der nächsten. Also links und rechts eine rote Spalte, dazwischen 5 schwarze Spalten = 5-Tagewoche. Denkste! Auf einem anderen chinesischen Kalender ist nämlich nur der Sonntag als Feiertag hervorgehoben. Also eine Spalte links rot. Daneben 6 Spalten schwarz = 6-Tagewoche. Dafür haben wir hier über dem ganzen Jahr das Kopfstehende Zeichen für Glück.

Samstag, Februar 22, 2025

Streichhölzer

Heute ist der 22.2., schon über die Hälfte abnehmender Mond. W. packt Weihrauch aus Salalah aus dem Koffer. Salalah ist das Land des Weihrauchs. Und Weihrauchbäume gelten als Geschenk Gottes, weil sie empfindlich sind und nur ganz bestimmte Boden-, Luft- und Feuchtigkeitsbedingungen tolerieren. Die Gegend um Salalahs Hafen Raysut scheint ihnen zu behagen. Dort gedeihen sie seit jeher prächtig.

Ich habe aus Meldorf Weihrauch mitgebracht, den ich vor Jahren, wie ich meine, aus Griechenland geschenkt bekam. Und mit dem ich mein Haus nie räuchern konnte, da ich nicht wusste, wie. 

W. hat nicht nur Weihrauch aus Salalah im Koffer, sondern auch Kohle, getrocknete Kräuter, die himmlisch duften, sowie - last but nor least - das entsprechend feuersichere Gefäß dazu. Sogar zwei davon. Für unser dreistöckiges Haus! Ich brauche nur noch Streichhölzer. Die gibt es hier zuhauf. Jedes mal, wenn ich eines anzünde, denke ich an Natasza G. Die nepalesischen Streichhölzer sind eigentlich keine Streichhölzer. Denn das Holzstück ist eher kein Holzstück. Der Kopf braucht länger, als ich es gewohnt bin, bis er zündet. Aber er zündet und brennt dann lichterloh. Wenn ich das Plastikstäbchen ziemlich nah am Kopf festhalte, bricht es auch nicht. Natasza G., die in diesem Land seit Jahrzehnten zu Hause ist, schreibt in ihrem Buch, das vor zehn Jahren entstanden ist und lange Zeit für mich so etwas wie die Bibel war, dass nepalesische Streichhölzer und nepalesische Feuerzeuge (die vielleicht aus Indien kommen?) nur für Überraschungen gut sind. Zu nichts sonst. Daran denke ich jetzt, wenn ich die Kohle anzünde, Kräuter darauf streusle und auf diesem Duftbett ein paar Weihrauchkörner aus Salalah platziere. 

Freitag, Februar 21, 2025

Kabel

Die Freuden des Alltags. Da das WLAN manchmal instabil ist und der Strom zuweilen ausfällt und jede Verbindung zur  Außen- und Innenwelt kappt, wollen wir im Notfall auf Kabel zurückgreifen. Das ist nicht unbedingt logisch, kann aber in gewissen Situationen trotzdem von Vorteil sein. In Meldorf ließ ich eine ganz Kiste solcher Kabel in allen Längen und Farben zurück. Ich konnte erstens nicht jeden Kram mitnehmen und zweitens nicht ahnen, was ich hier alles würde brauchen können. 

Ich verlasse nach dem Morgen Qi Gong meinen Laxmi-Baum und den stillen Shiva-Tempel und steige auf die laute Golfutar hinunter. Eine leichte Bergtour, mein tägliches Kontrastprogramm, wenn ich etwas besorgen will. Hier gibt es alles, was das Herz begehrt. Gewusel, Mopeds, Schulbusse, Autos, Lastwagen, Lieferwagen, Schulkinder, Mädchen mit leuchtenden Augen in Schuluniformen, denen auf dem Bürgersteig noch die schwarzen Zöpfe geflochten werden. Früchte, Gemüse, Apotheken, Heater, Zement, Steine, Schneider, Möbel, Lampen, Geschirr, Besen, Plastik, Schreiner, Fotografen, Copyshop und Computerspezialisten. Letzterer holt zwei Kabeltrommeln hervor, erklärt mir freundlich den Unterschied von der einen zur anderen. Ich verstehe nichts davon, verlasse mich aber darauf, dass er mir das Bessere empfiehlt. Er wickelt mir 5 Meter ab, montiert flugs die Enden, eilt zum Nachbarn, meinen Geldschein wechseln, und ich marschiere glücklich mit dem LAN-Kabel in der Hand, auf eine Plastiktüte verzichte ich, wo immer es geht, um die Ecke nach Hause. Später (dazwischen Kaffee mit W., frisch gelandet aus Oman) hole ich noch 15 Meter und lasse das Tablet einrichten, kaufe ein cleaningset mit Pinselchen für Bildschirm und Tastatur, bekomme wieder Wechselgeld erst nach dem Gang zum Nachbarn. Dafür mit einem Strahlen im Gesicht, whenever you have any problems ...  

Auf dem zweiten Heimweg frage ich mich, wie ich das in Dithmarschen bewerkstelligt hätte, wenn ich es dort hätte bewerkstelligen müssen. Gedanklicher Müßiggang! 

Donnerstag, Februar 20, 2025

Tilaurakot

Tilaurakot will endlich Weltkulturerbe werden. Auf der Tentativliste (Vorschlagsliste) der UNESCO steht das Dorf bereits seit 1996, also seit fast dreißig Jahren. In einer Woche sollen endlich die für eine Nominierung erforderlichen Unterlagen der Kommission übergeben werden.

Tilaurakot war einst die Hauptstadt des Kleinkönigreichs Sakya. Hier soll der in Lumbini geborene Siddharta Gautama seine Prinzenjahre verbracht haben. Denn auch er wurde nicht zu Hause, sondern "auf einer Reise", unterwegs geboren, auch seine Mutter empfing ihn "jungfräulich" (nachdem sie 20 Jahre lang von ihrem Königsgemahl nicht schwanger wurde) bzw durch einen Traum, in der ihr ein weißer Elefant erschien, der seitlich in sie eintrat, auch sie starb kurz nach der Geburt und auch der spätere Buddha, Sohn des Königs Shuddhodana, wuchs bei einer Tante, der Schwester der Mutter auf bzw. seiner Stiefmutter auf. Auch sein Vater heiratete nach dem Tod seiner ersten Frau deren Schwester. Bekannte Muster. 

Zum ersten Mal in die internationalen Schlagzeilen geriet Tilaurakot 1988, als der damalige Premierminister von Sri Lanka, Ranasinghe Premadasa auf Einladung von König Birendra den Geburtsort Buddhas, Lumbini besuchte. Premadasa wollte unbedingt auch Tilaurakot - oder das, was davon übrig war - sehen. Ohne an diesem Ort gewesen zu sein, sagte er, bliebe sein Besuch incomplet. Dieser Wunsch brachte das höfische Protokoll in Bredouille. Es gab keine befahrbare Straße von Lumbini nach Tilaurakot  (25 km Luftlinie) und der Weg war dem hohen Gast zu Fuß nicht zuzumuten. Birendra schickte kurzerhand zwei Armee-Helikopter aus der Hauptstadt los, die Premadasa und seine Entourage ins nomansland flogen.

Gebuddelt wird dort erst seit 2013. Nationale und internationale Archäologen graben vieles aus. 2015 fanden sie in der Nähe des ehemaligen Königspalastes, südlich der Kanthak-Stupa einen Tontopf mit 497 gestanzten Silbermünzen. Einige sind rund, andere quadratisch. Alle etwa 2800 Jahre alt, im Umlauf waren sie während der Maurya Periode, von ca 400 - 200 BC in 16 Janapas (Städte) der Umgebung. 

Zur Unterstützung der Welterbebewerbung und aus Anlass des Tags der Demokratie, der Niederschlagung der Ranas, gibt es nun eine neue 10-Rupie Briefmarke: sie zeigt eine der viereckigen gestanzten Silbermünzen.

Mittwoch, Februar 19, 2025

Feiertag!

Democracy Day 2081 - Tag der Demokratie. Vor 74 Jahren - am 7 Falgun 2007 BS = 18 Februar 1951 AD endete die tyrannische Rana-Oligarchie. Hier gibt es wunderschöne Fotos vom heutigen Staatsakt. In meinem nepalicalendar wird der aktuelle Monat mit "l" in der Mitte geschrieben, in der Zeitung ohne. Ich lese zur Guten Nacht immer noch das Buch der einstigen Shah-Prinzessin. Ein wunderbares Schlafmittel! Die Namen sind so verwirrend, dass ich die personellen Zusammenhänge tatsächlich erst gestern Abend geschnallt habe. Und die literarische "Temperatur" der beiden Erzählstränge ist so unterschiedlich, dass ich ständig in ein Wechselbad eintauchen muss. Für so etwas bin ich definitiv zu alt! Die komplizierten historischen Fakten lasse ich mir lieber komprimiert und auf den Punkt gebracht von Wiki vorsetzen. Das Englisch ist auch vom Teufel, mein Deutsch wahrscheinlich mittlerweile auch. Soviel zum Tag der Demokratie. Da darf jede sagen, was sie will und plappern, wie ihr der Schnabel gewachsen ist. 

Dienstag, Februar 18, 2025

dog chew

Ich lerne jeden Tag etwas. Nicht immer das, was ich mir vorgenommen habe (Vokabeln - aber welcher Sprache?), aber gelernt ist gelernt. Exportschlager Nepals in der ersten Hälfte des aktuellen fiskal year (Fiskaljahr oder Steuerjahr - endete Mitte Januar) sind, wie ich lese, dog chews - Hundeknochen! Der größte Abnehmer sind ausgerechnet die USA (ob das so bleiben wird?), gefolgt von Kanada, weit abgeschlagen folgen das United Kingdom und Japan. Sowie Griechenland, Hong Kong, Südkorea, Malaysia, die Niederlande, Singapore, Taiwan und die Ukraine! 

90% der in Nepal produzierten Hundeknochen werden exportiert, lese ich, weil sie für den nepalesischen Hund bzw. dessen Halter zu teuer sind. Ich weiß nicht, ob es hier überhaupt so etwas wie Hundebesitzer, Hundehalter oder gendergerecht Hundebesitzende, Hundehaltende gibt. Es ist wie mit den Katzen bei uns auf dem Hill. Als ich einer Nachbarin gegenüber kürzlich das Wort "wild" (wild cats) in den Mund nahm, widersprach sie heftig. Nein, nein, das seien keine wilden Katzen - obwohl, wie sie sofort ergänzte, niemand hier behaupten und darauf bestehen würde, dass die eine "meine" Katze, und die andere vielleicht "deine" Katze sei. Die Katzen gehören dazu, zu uns allen. Gefüttert werden sie natürlich von allen. So ist das auch mit den Straßenhunden. Sie gehören dazu, zum Leben auf der Straße in der Stadt. Ich sehe weit mehr Hunde als deren Besitzer. Die wenigen, die ich als Hundehalter definieren würde, sind meist männlich. Heimatlose Hunde laufen in ganzen Rudeln überall frei herum oder dösen mitten auf den buckligen Gehwegen. Auf der Straße. Mitten im Feierabendverkehr, der sich kein bisschen unterscheidet vom Nichtfeierabendverkehr. Die Hunde sind alle wohlerzogen, auch wenn ich keine Ahnung habe, wer sie denn so zum Wohle der Allgemeinheit erzieht. Sie sind zahm, friedlich, tiefenentspannt und im Gegensatz zu den Kindern nicht mangelernährt. Gefüttert werden sie offenbar überall im sogenannten öffentlichen Raum. Von allen Menschen. Sie bekommen das, was diese Menschen auch - bzw nicht auf-essen: Reis und Kekse.

Die nepalesischen Hundeknochen sollen im Ausland so beliebt sein, weil sie aus Yak-Milch und auf der Grundlage von Yak-Hartkäse hergestellt werden. Im hügeligen Vorland des Himalaya. Auf luftiger Höhe. Ganz am südöstlichen Ende des Landes. Im Distrikt Ilam in der Provinz Koshi.

Wenn ich solche Artikel lese, fühle ich mich zurückversetzt in die Jahre, als ich im sozialistischen Warschau studierte und zu Spracherwerbszwecken täglich die Tageszeitung Życie Warszawy "konsumierte", wie man heute sagen würde. Damals konsumierte man auch im Ostblock nur Essbares. 

Montag, Februar 17, 2025

Mein 17.

Montag mit Morgennebel. Bedeckter Himmel. Zum ersten Mal seit 5 Monaten. Die Sonne zeigt sich erst gegen Mittag. Immer noch kein Regen. In der Nacht kämpften die Katzen so laut, dass ich aufwachte. Am Mittag wagt sich der Schwarze noch einmal (ich nehme an, er war auch in der Nacht da) in meinen kleinen Hinterhof - denn er sucht bestimmt genauso meine Nähe wie ich seine! Aber der tyrannische Bewohner meiner Außenspüle jagt ihn mit so fürchterlichem Geschrei über ein Glasdach zwischen den Häusern, dass alle Nachbarn erschrocken zusammenlaufen. Am Nachmittag vertreibt er eine Graue. Zur Strafe bekommt er am Abend von mir kein Futter!

Ich hingegen bekomme zur Feier des fünften 17. (sprich: wir sind vor 5 Monaten angekommen, haben zweieinhalb im 10. Stock verbracht und zweieinhalb auf dem Hill) den Rest aus einer Flasche, die wir schon vor zwei Tagen aufgemacht haben. W. verreiste nämlich gestern und vermeldet heute seine Verwunderung darüber, dass dort, wo er ist, alles "sehr arabisch" sei. Bei mir ist alles sehr normal, sprich: nepalesisch. 

Nachtragen kann ich: Nein, ich vermisse keines des Länder, die ich verlassen habe. Nein, es fehlt mir an nichts. Im Gegenteil. Ich habe immer noch von viel zu vielem viel zu viel. Befinde mich aber auf dem guten Weg des Entsagens (schönes Wort: ent-sagen! Nicht: ver-sagen und nicht auf-sagen). Und à propos Weg: Nein, ich bin nicht gut zu Fuß. Der Schmerz will wohl bleiben, wo er ist. Ich vermute Arthrose. Altersbedingter Verschleiß. Nun brauche ich den Fuß auch nicht mehr zu schonen. Er meldet sich von selbst, wenn es ihm zu viel oder zu bunt wird. Und dann üben wir uns im Ent-sagen und Er-widern. Arthrose begegnet man am besten durch Nicht-beachten. 

Sonntag, Februar 16, 2025

Festakt

In Pokhara sollte gestern das Visit Year 2025 eröffnet werden. Man will eineinhalb Millionen ausländische Touristen in diesem Besuchsjahr empfangen. Aus lauter Vorfreude wurde bei der Inauguration gezündelt. Nicht fachgerecht, bubenhaft und dumm. Der Bürgermeister der Stadt sowie der Finanzminister des Landes zogen sich Verbrennungen an den Händen, Armen und im Gesicht zu, als ein mit Wasserstoff gefüllter Ballon explodierte und in Brand geriet - angeblich durch Funkenschlag, als ein Schalter betätigt wurde, der das Ganze sinn-bildlich ins World Wide Web übertragen sollte. Die Verletzten Politiker wurden zuerst vor Ort versorgt, mussten dann aber zur weiteren Behandlung nach Kathmandu geflogen werden. Der Festakt nahm seinen weiteren Verlauf ohne sie. 

Samstag, Februar 15, 2025

Meine Schuhe

Ein kalter Samstag. Es ist seltsam ruhig. Bei den Nachbarn wird zum ersten Mal seit über einem Monat nicht gehämmert, gesägt, gebohrt. Die Maler sind da und verrichten ihre Arbeit vorwiegend ohne Lärm, aber mit geruchsintensiven Materialien.

Ich muss sämtliche Schuhe, die ich am Tag nach dem Einzug in den Schuhschrank vor der Tür geräumt, und seither größtenteils nicht getragen habe, putzen. Sie sind alle bis zur Unkenntlichkeit (farblich) saharagelbgrau eingestaubt. W. hat nur ein Paar und das trägt er jeden Tag. Seine Schuhe stauben hier nicht ein, weil sie selten da sind. Meist liegen sie, von den Füßen geschüttelt, nur über Nacht auf den polierten Steinstufen vor dem Schuhschrank. Trotzdem putze ich auch die, befreie sie vom Straßenstaub, der weniger idyllisch saharagelb aussieht, und schmiere sie mit schwarzer Schmiere ein. 

Zur Belohnung gibt es spicy ramen und ein Glas Sekt!

Freitag, Februar 14, 2025

Schäferstündchen

W. kommt mit Kuchen nach Hause und wir setzen uns aufs Dach. Der Himmel hat sich etwas zugezogen. Aber Regen ist nicht in Sicht.  

Am Abend fällt zuerst kurz der Strom aus - und dann, natürlich wieder beim Mo:Mo-Kochen, wie am letzten Abend im 10. Stock, geht das Gas aus. Die Flasche ist leer und die Stunde zu fortgeschritten.

Donnerstag, Februar 13, 2025

Bücher

Der Dreizehnte bei uns, der Erste im Nepali Calendar. Falgun - wieder ein neues Wort und wieder ein neuer Monat. Ich bestelle zum ersten Mal Bücher online. Auch das funktioniert problemlos. Der Kurier bringt sie mir vor die Tür und ich setze mich sofort aufs Dach. Mit Facing my phantoms. Von Sheeba Shah (ja, eine Shah der former royal family). Fiktionalisierte genderbasierte Geschichte Nepals.

Mittwoch, Februar 12, 2025

Maagh Poornima

Vollmond. Höhepunkt des Maha Kumbh Mela (festival of Sacred Pitcher) in Indien, einer der heiligsten Tage des 6 wöchigen Festivals. Millionen Hindus suchen, erhoffen, erwarten Reinigung von ihren Sünden im Sangam, dem Zusammenfluss der drei heiligen Flüsse Ganges (braunes Wasser), Yamuna (grünes Wasser) und des mythischen unsichtbaren (weil wohl unterirdisch verlaufend) Saraswati. Indem sie in das Wasser eintauchen, erreichen sie das, was die Katholiken im Beichtstuhl: Absolution! Kürzlich, am ersten Tag sind in Prayagraj im Gedränge von schätzungsweise 76 Millionen etwa 30 Menschen zu Tode gekommen. Und auch king pretender Gyanendra reiste nach Indien, um sein Reinigungsbad zu nehmen, was hierzulande mit Argusaugen beobachtet wurde.

Ich bin auch abergläubisch, achte sorgfältig auf Zeichen und Wunder. Am Himmel und anderswo. Kürzlich lief ein rabenschwarzer Kater durch meinen Garten. Leider auch sehr scheu, er fixierte mich nur kurz - genauso verwundert wie ich - mit seinen durchdringend smaragdgrünen Augen und verschwand! Es war heller Nachmittag. Seither hoffe ich, dass er wieder kommt.

Dienstag, Februar 11, 2025

Die Zweitgeborenen

Kaum habe ich mir selbst Klarheit verschafft über die aktuelle Lage der von den Maoisten abgeschafften Monarchie in Nepal, erscheint pünktlich heute früh in der Kathmandu Post ein Artikel über deren Chancen auf Wiedereinführung. Ich habe visionäre Begabungen wie die Lamas und Hofastrologen! Aber Spaß beiseite. Zweitgeborene kämpfen auch in anderen Monarchien um ihr Recht auf leben und leben lassen, auf lieben und geliebt werden. Am schlimmsten aber sind Zwillinge. Die polnischen Zwillingsbrüder haben ihr Land moralisch verwüstet, das heißt in Wahrheit nur der eine, der noch Lebende, der andere ist tot und möge in Frieden ruhen. Der eine rächt sich seit bald 15 Jahren für seinen persönlichen Verlust an der ganzen Nation, spaltet und sät Hass, spricht böse Verwünschungen, wo er nur kann. Dabei hilft ihm ausgerechnet die katholische Kirche, die im ganzen Land ausreichend Kanzeln besitzt, von denen herab sie predigen kann. Das ist im von Kommunisten regierten Hindu-Buddha-Himalaya-Land Nepal anders. Hier gibt es keinen Hass und keine Rache, jedenfalls bin ich den beiden bisher nicht begegnet. Keine Abkanzelei. Sondern Geduld. Gelassenheit. Viele Göttinnen und Götter, an jeder Ecke Boten und Botinnen. Unendlich viele gemeinsame Festlichkeiten. Farbenfrohheit! Vielleicht erlebe ich ja noch Gyanendras dritte Inthronisierung.   

Montag, Februar 10, 2025

Die Bildersprache

Ich verstehe weder die Nationalsprache noch die Bildersprache in diesem Land. Ich sehe, dass alle hinduistischen Tempel, auch die kleinsten an den lautesten und dreckigsten Straßenecken, immer besucht, immer gepflegt, mit brennenden Kerzen und Räucherstäbchen, mit leuchtenden Blütenblättern, Früchten, Schalen, ungekochten Körnern, Gewürzen usw bestückt werden. Die Götter werden mit Wasser begossen und mit Crimson bestrichen. Vor ein paar Tagen öffnete ein neuer Sari-Shutter an der Golfutar. Er war mit bunten Luftballons geschmückt und mitten vor dem Eingang lag eine Banane, darin steckte ein Räucherstäbchen. Es roch sehr angenehm mitten im Feierabendgeknatter. Ich sehe, rieche, höre, nehme es auf dem Weg zu meinen Kattanoodles wohlwollend und anerkennend zur Kenntnis, freue mich, respektiere es - verstehe es aber nicht wirklich.

Als Gyanendra - king pretender of Nepal - am 7. Juli 1947 als zweiter Sohn des damaligen Kronprinzen Mahendra und seiner Gattin, Kronprinzessin Indra im Königspalast Narayanhiti in Kathmandu geboren wurde, warf der Hofastrologe seine Weissagung über ihn: der Vater, Mahendra sollte, um Unglück von dem Kind abzuwenden, dieses für eine "gewisse Zeit" nicht "ansehen". Das Baby wurde sofort nach der Geburt aus dem Palast entfernt und zu seiner Großmutter (lese ich und verstehe nicht - der Großvater väterlicherseits war der amtierende König Tribhuvan, seine Gattin lebte sicherlich nicht in a distance palace - die Großmutter mütterlicherseits starb 1946, also im Jahr vor seiner Geburt): baby Gyanendra was dispatched out of Kathmandu to live with his grandmother at a distant palace. Deshalb war er nach dem frühen Tod seiner Mutter, nach der Flucht Tribhuvans und der königlichen Familie ins indische Exil das einzige in Nepal verbliebene offizielle Mitglied derselben, deshalb konnten die selbstherrlich regierenden Ranas den Dreijährigen Halbwaisen zum König erklären. Deshalb war er zweimal König Nepals, wenn auch beim ersten Mal nur für zwei Monate. Gyanendra war ein ausgesetztes - oder auserwähltes Kind. Ein Mutterloser, Vaterloser, Manipulierter, Verstoßener, Ausgeschlossener - aber Überlebender! Spielball der säkularen und nicht säkularen Mächte. Seine Mutter Indra starb 1950 bei der Geburt des jüngsten Sohnes Dhirendra. Sie stammte aus der Rana-Ariostokratie, wurde mit 14 an Kronprinz Mahendra verheiratet und starb zehn Jahre später, mit 24, nachdem sie dem Thronfolger drei Prinzessinnen und drei Prinzen geboren hatte. Genug für den Weiterbestand der Shah-Dynastie und allesamt mit Genen der Ranas ausgestattet!

Warum sich Gyanendra in der Nacht vom 1. Juni 2001 nicht im Königspalast in Kathmandu aufhielt und nicht mit der königlichen Familie zum Dinner an einem Tisch saß - sein jüngerer Bruder Dhirendra aber schon, obwohl der seit Jahren in London mit einer Engländerin lebte und aus diesem Grund seine königlichen Titel längst abgegeben hatte -, weiß ich nicht. Jedenfalls verdankt Gyanendra diesem Umstand, dass er als einziger rechtmäßiger männlicher Erbe nach dem Massaker noch lebte, seine zweite Inthronisation. Einmal Spielball der Geschichte - immer Spielball der Geschichte? 

Die einstigen Hofastrologen sind heute Präsidenten- und Ministerialastrologen. Die Vertreter aller Parteien hören auf sie, auch die aktuell regierende Allianz der Kommunisten.

Sonntag, Februar 09, 2025

Pretender

Einmal König - immer König. Seine königliche Hoheit Gyanendra Bir Bikram Shah Dev, der letzte König von Nepal ist nach wie vor king pretender (dt Prätendent - Thronprätendent). Er hat Anspruch auf den Thron, sobald in Nepal die Monarchie wieder eingeführt werden sollte. König in Wartestellung. Sein Sohn Paras Bir Bikram Shah Dev, der letzte Kronprinz Nepals ist ergo Kronprinz in Wartestellung. Er hat Anspruch auf den Thron, falls in Nepal die Monarchie erst nach dem Tod seines Vaters wieder eingeführt wird. Und Paras Sohn, Hridayendra Shah wäre... hätte ... falls ... und so weiter und so fort. 

Eine komplizierte und tragische Geschichte. Gyanendra wurde vom iron-fisted Rana-Clan als Dreijähriger inthronisiert, während sein Großvater Tribhuvan im indischen Exil weilte. Die erste Regentschaft dauerte zwei Monate, vom 7.11.1950 bis zum 7.1.1951, an die der 1947 geborene Kinderkönig selbst wahrscheinlich keinerlei Erinnerung hat  - Tribhuvan kehrte nämlich schnell in sein Reich und auf seinen Thron zurück und machte den Ranas endgültig den Garaus. Gyanendra kam zum zweiten Mal auf den Thron am 4. Juni 2001 - nach dem Massaker im Königspalast, bei dem fast die ganze royal family vom damaligen Kronprinzen einschließlich seiner selbst exekutiert wurde. Die zweite Regentschaft stand unter denkbar unglücklichen Vorzeichen und endete am 28. Mai 2008 mit dem Auszug aus dem Königspalast. Die erste demokratisch gewählte verfassungsgebende Versammlung unter der Mehrheitsführung der Partei der Maoisten hatte in ihrer konstituierenden Sitzung Nepal zur Demokratischen Bundesrepublik erklärt und die konstitutionelle Monarchie de facto abgeschafft. Seither ist Gyanendra king pretender und lebt als Privat- und Geschäftsmann in Kathmandu. In Laufnähe von mir. Und ich kenne seinen einstigen Kellner!

Einmal Erdbeben - immer Erdbeben. Ob politisch oder terrestrisch. Heute gleich zweimal, und wieder in Tibet, Xigaze. Um 13:22 (4,3) und jetzt gerade nochmals ebendort, nur etwas näher an der Grenze zu uns, und nur unwesentlich schwächer als am Mittag. 

Last but not least: Die Kronprätendenten ist der deutsche Titel eines Dramas von Henrik Ibsen. Die Uraufführung von Kongs-Emnerne fand am 19. Januar 1864 im Nationaltheater in Kristiania statt. Das Schauspiel soll auf tatsächlichen Konflikten und verborgenen Rivalitäten unter den norwegischen Royals beruhen.  

Samstag, Februar 08, 2025

Generator

Um 17:22 Uhr schreibt der Community Manager zum ersten Mal in den Community-Chat "Generator is on". Ich lese es erst, als die Mitteilung wiederholt wird. Es wird dunkel rund herum. Die Sonne ist untergegangen und soweit das Auge sieht vom Hill, ist der Strom in der halben Stadt komplett weg. Obwohl es nicht das erste Mal passiert, bringt es uns total durcheinander. Einige Deckenlampen im Flur werden offenbar vom Generator gespeist. Nicht aber der Kühlschrank, die Mikrowelle oder der Wasserkocher. Keiner der Computer. Die Bildschirme sind schwarz und die Smartphones weisen einen bereits kritischen Akkustand auf. Keine der Tausend Steckdosen im Haus hat Strom. "Generator is on" wird uns immer wieder versichert. Die Nachbarn erleuchten ihre Hauseingänge mit den Autoscheinwerfern. Mitten in der Nacht ist unser Haus plötzlich hell erleuchtet wie ein Weihnachtsbaum. Wir hatten alle Lichtschalter ausprobiert und uns den Unterschied von on zu off nicht merken können.

Freitag, Februar 07, 2025

Blätter

Die Bäume werfen dürre Blätter ab, wie anderswo im Herbst. Aber hier sind alle aufgeweckt und fröhlich, weil der Frühling kommt. Um den Shivatempel herum wird das Laub des Laxmibaums und der Buddhabäume zusammengekehrt und verbrannt. Dazu wurde kürzlich aus Ziegelsteinen eine quadratische Feuerstelle in den Boden eingelassen, ehe die einstige Rasenfläche rundherum unter achteckigen Pflastersteinen verschwand. Feuerstellen finden sich bei allen Tempeln. Ich weiß nicht, ob sie nur der Müllverbrennung dienen oder auch weniger profane Zwecke erfüllen. Die Feuerstelle vor meinem Haustempel ist besonders edel. Und solange Plastiktüten, Folien, Verpackungen und was noch so alles herumliegt und -fliegt, nicht mit verbrannt werden, bin ich hochzufrieden. 

Heute tauchen während meiner Morgenmeditation zwei junge Männer auf. Ich merke mittlerweile den Leuten an, ob sie zum Beten oder zum Arbeiten kommen. Der eine steigt in den Bodhibaum und säbelt mit einem geschwungene Dolch feine, frische Äste herunter. Der andere zupft unten die jungen Blätter ab und füllt sie in einen leeren Reissack. Den Rest lässt er zu Boden fallen (wird später zusammengekehrt und verbrannt). Ich frage ihn, was sie da tun. Er sagt freundlich: Bodhiblätter sammeln. Er muss sich über meine Frage im Stillen sehr gewundert haben, denn ich verstehe sofort aus seinem Gesichtsausdruck, aus seiner ganzen Körperhaltung, dass das natürlich einen tieferen (spirituellen) Grund hat. Ich hatte schon im Ranibariforest beobachtet, wie vor wichtigen Feiertagen der jungen Feigenpappel, der ficus religiosa die jüngsten, frischesten Blätter "gestohlen" (wie ich damals meinte) wurden. Das hatte mich sehr erbost und ich lief aufgebracht nach Hause. W. sagte "vielleicht hat er ein krankes Kind ...". Derjenige, der extra eine Plastiktüte mitgebracht hatte und im Morgengrauen saftiggrüne Blätter hinein stopfte und die rosarote Wundertüte in seiner Winterjacke verschwinden ließ. "... Vielleicht muss er ein besonderes Opfer bringen." 

Ich frage den jungen Mann, ob ich ein paar Stiele mitnehmen darf, an denen noch verknospte Blätter wie Beeren hängen. Ich darf und stelle sie ans Küchenfenster in ein Wasserglas. Dort stehen schon andere hoffnungsvolle Stiele.

Donnerstag, Februar 06, 2025

Die Bediensteten der Könige

Es gibt einen Roman von Bohumil Hrabal "Ich habe den englischen König bedient" (deutsch 1988, im tschechischen Original Obsluhoval jsem anglického krále 1971 fertig gestellt, 1978 in einem Exilverlag erschienen). Ich könnte nun die nepalesische Variante schreiben, denn tatsächlich kenne ich einen früheren Kellner des letzten Königs, Tribhuvans Enkel Gyanendra Bir Bikram Shah Dev. Tatsächlich hat auch dieser Kellner Karriere gemacht und tatsächlich bin ich schon oft am Wohnsitz des einstigen Monarchen (oder: einmal König immer König?) vorbeigelaufen. Kürzlich war sogar das Tor offen, weil offenbar Trinkwasser angeliefert worden war und der leere Trinkwasserwagen gerade das Gelände wieder verließ. Der König lebt und trinkt Wasser!

Gyanendra ist ein tragischer König (davon ein ander Mal mehr), Hrabal ein komischer Autor, sein Tod (der vierte Prager Fenstersturz?) mindestens so zweideutig wie Gyanendras zweifache Thronbesteigung. Die Chance aber, dass ich in Hrabals Fußstapfen trete, habe ich leider mit dem Auszug aus den Twintowers verpasst. Hier auf dem Hill sind Fensterstürze eher unwahrscheinlich.

Mittwoch, Februar 05, 2025

Das Spiegelverkehrt

My morning cat - Mein Morgenkater! Auch die Nachbarin ist überzeugt, dass es ein Kater ist. Ein dominanter, streitlustiger, durchsetzungsfähiger Kerl, der sogar ihrem Haushund Angst einjagt.  

Kaum hört er mich rumoren in der Küche, streckt er sein Näschen aus seiner Kammer und miaut herzzerreißend.

Kaum hat er von mir sein Katerfrühstück serviert bekommen, stellt er sich vor das Fenster der Nachbarin und heult vor Heißhunger.

Kaum hat er das zweite Katerfrühstück verputzt, trollt er sich - oder zieht sich in sein gut gehütetes Versteck zurück.  

für Frideswida Zapateira Honorabilis Emerita  

Dienstag, Februar 04, 2025

Muda

Ich habe auf der Golfutar in einem Shuttershop endlich zwei Mudas gekauft, eine größere und eine kleinere. Muda ist bei mir weiblich. Es ist ein gewobener Hocker, aus Bambus oder anderem Holz, mit einer Sitz- oder Ablagefläche aus bunten Baumwoll-, Nylon- oder anderen haltbaren Synthetikschnüren. Unten um den Fuß ist für garantiert rutschfesten Stand ein alter Mountainbikereifen mit mehr oder weniger abgefahrenem Profil gewickelt und angenäht. Ich kann die Muda auch als Tritthocker oder Steigbügel nutzen und muss nicht mehr einen der höchst soliden, aber schweren Holzküchenstühle treppauf und treppab tragen, wenn ich irgendwo hochsteigen will. Oder muss.

Muda, heißt es, darf in keinem nepalesischen Haus fehlen. Also auch in unserem nicht. Ich bestellte zwei Mudas am Tage nach dem Umzug auf den Hill bei einem alternativen Frauenprojekt, sie wurden aber leider nie geliefert. Im Gegenzuk kamen alle meine Erinnerungsmails als unzustellbar zurück. Nun habe ich meine Mudas bei einer alten Frau an der Straße gekauft. Sie scheint in ihrem Shutter zu wohnen und erzählte mir ganz viel in ihrer Sprache, die ich nicht verstehe, während die Tochter zum Nachbarshutter lief, um Wechselgeld einzuwechseln. Die Greisin schien zu klagen über gesundheitliche Probleme und zeigte mir ihre komplett fehlende obere Zahnreihe. Aber sie hatte - wie alle Frauen jeden Alters hier - schwarz gefärbte Haare und war geschminkt. Rote Lippen, rosige Wangen, eine auf die Entfernung erstaunlich hell und weich wirkende Gesichtshaut. Sie hockte nicht auf einer Muda sondern auf ihrer Matratze, neben sich ein mehrstöckiger Kochtopf und büschelweise Gemüse (sie war gerade am Kochen!), sowie eine Art Nachttisch mit drei Schubladen. Darin verwahrte sie Berge von Geldscheinen, wie ich sehen konnte, als sie die mittlere aufzog. Trotzdem schickte sie die Tochter mit meinem Tausender zum Nachbarn. 

Montag, Februar 03, 2025

Shree Panchami

Heute ist die Göttin Saraswati an der Reihe, die Göttin für Weisheit, Wissen und Kreativität! Schulkinder huldigen ihr. Die Kleineren lernen mit oder an ihrem Namen schreiben. Das erste geschriebene Wort verheißt Glück und befördert die intellektuellen Fähigkeiten von früh auf maximal. Die Größeren bitten für gute Noten oä. Fotos gibt es hier.

Wir treffen am Nachmittag festlich gekleidete junge Damen beim Shivatempel. Sie haben sich offenbar verirrt und tragen, weil der Weg dorthin so steinig ist, ihre Schuhe in den Händen.

Und: heute beginnt tatsächlich der Frühling in Nepal!

Sonntag, Februar 02, 2025

Winter in Nepal

Summer is right around the corner - schreibt eine Nachbarin in unseren Community chat. Indeed: blue sky! Sonnenschein. Etwas Wind. Tagsüber 20° im Schatten. Und wieder bebt die Erde am hellen Mittag, wieder in derselben Gegend (Xigaze, Tibet) und mit derselben Stärke (4,2). Alles geht auch ohne terrestrische Erschütterungen drunter und drüber. Es ist Sonntag, ein normaler Arbeitstag. Am Vormittag wird endlich unser Visum verlängert und wir zahlen Strafe für drei Tage Verspätung. Danach will W. zum Frisör, der hat aber keinen Strom und im dazugehörenden Café läuft die Kaffeemaschine nicht. Frühstück bekommen wir trotzdem, die Eier werden mit Gas weich und Wasser ebenso warm. Schließlich wird uns von Hand ein Filterkaffee aufgegossen - und zum Schluss discount gewährt. Ich finde endlich Gebetsfahnen in the land of Buddha und hänge sie an die frische Luft auf unserem Dach. Nun kann nichts mehr passieren.

Samstag, Februar 01, 2025

Das Seitenverkehrt

Wieder liegt der neue Mond am Abendhimmel unter der Venus. Demütig, bittend, offen nach oben, wie eine silberne Schale, in die sich die Angebetete vorbehaltslos hineinplumpsen lassen könnte. Das tut sie natürlich nicht, sondern geht stolz und unbeirrt strahlend ihrer eigenen Wege.

Wer weiß schon, was dieser Fingernagelmond zu bieten hat. Eiskaltes Wasser oder eine gepolsterte Schaukel?