Es gibt einen zweiten Tempel über meinem bescheidenen kleinen Shivatempel. Hier ist alles steil und übereinander gestapelt. Der zweite Tempel (vielleicht war es einst der erste oder ist überhaupt die ursprünglich heilige Stätte) steht auf dem höchsten Punkt unseres bescheidenen kleinen Hills und hat kein Dach. Ich laufe täglich daran vorbei, bevor ich die steile Steintreppe mit den überdimensionierten Stufen hinunter zu meinem Laxmibaum nehme. Der
open air Tempel ist mächtig, rechteckig und rundum gut gepflegt in den Farben Polens oder der Schweiz oder eben in buddhistisch-hinduistisch weiß für Reinheit und rot für Macht oder Leidenschaft. Tempel Zwo wird genau einmal im Jahr einen ganzen Tag lang mit Pauken, Trompeten und Trommeln von einer kleinen Gemeinde besucht. Mit einem halben Dutzend Ziegen, zwei Schlachtern, einem Priester unter einem Baldachin, vielen Begleitern und Helfern sowie rot gekleideten Frauen mit diversen Gaben. Auf der Wiese daneben (hinter unserem communityeigenen swimming pool) wird seit dem frühen Morgen jeweils gekocht in einer ad hoc installierten
open air Küche. Riesige Mengen von Reis und Gemüse, Tellern und Gläsern, Gas- und Wasserflaschen werden herangeschafft. Stapelweise blaue Plastikstühle. Es ist immer derselbe Tag im Mondkalender, ungefähr fünf Tage nach Yomari Punhi oder nach Mangsir Vollmond. Jedenfalls war das
letztes Jahr so und in diesem. Mehr Beobachtungszeitraum steht mir noch nicht zur Verfügung, aber so viel immerhin!
Innen gibt es eine Art Altar. Normalerweise liegen darauf nur schöne große runde Steine. Heute, am Tage danach, sieht er reich geschmückt und rundum blutverschmiert aus. Von den Ziegen ist nichts anderes mehr übrig. Ich knipse durch die Gitterstäbe. Das Tor ist das restliche Jahr über verschlossen.
Das Blau über allem - der Himmel! - ist authentisch. So ist das Wetter in Kathmandu am 10. Dezember. Vor 32 Jahren haben wir in Warschau geheiratet. Es war bitterkalt und wir stapften durch kniehohen Schnee. Der Himmel war bleiern und bereits dunkel, als wir beim Standesamt eintrafen. Mäntel und Stiefel legten wir an der Garderobe ab und ich zog meine edlen gletschernelkenrosa Ballypumps aus der Tasche, die mir immer zu klein waren!