Donnerstag, Juni 19, 2025

homeschooling

Ein seltsames Gefühl. Seit drei Monaten der erste Tag zu Hause. Stimmt natürlich nicht ganz, aber gefühlt schon. Jedenfalls so mitten in oder unter der Woche. Kein Bikefahren nach Thamel. Kein Language Hub. Kein Sprachunterricht in einer völlig beliebigen und in die Irre führenden Transkription. Ich weiß nicht, was ich mit mir anfangen soll und trabe schließlich gegen Mittag, als es am Schreibtisch unter dem Dach unerträglich heiß wird, fröhlich um den Häuserblock in den Pool. Vorher präge ich mir die ersten 5 Konsonanten ein. Ich mache brav alles, was mir mein morningteacher aufträgt. Sich kurz konzentrieren, die 5 Konsonanten einprägen, mit Artikulation (ka, kha, ga, gha, nga - ja! das sind die ersten 5 Konsonanten des nepalesischen Alphabets, die erste Linie, die ersten 4 werden von 4 Positionen aus untereinander immer tiefer aus der Kehle heraus geholt, der 5. oben aus der Nase). Dann eine Stunde lang das Hirn ausschalten. Lesen, Lachen, Trampolinspringen, Einkaufen, Kochen. Oder eben: Schwimmen. Danach hinsetzen und homework: Die 5 Konsonanten aufschreiben, auf einer Linie von vorne bis hinten, auf der nächsten von hinten bis vorne. Schreiben und sprechen. Wiederholen, bis eine Seite im Heft voll ist.

Pünktlich um halb fünf geht ein gewaltiges Gewitter nieder. Es ist die Zeit, zu der ich in den letzten drei Monaten immer hinten auf einem Biketaxi saß. Auf meinen genau einhundert und achtzehn Fahrten quer durch die Stadt, hin und her, bin ich ein einziges Mal bis auf die Haut nass geworden. Zwei Fahrten - die zählen zusätzlich, also die 119. und 120. - unternahm ich angesichts krachenden Un-Wetters lieber in einem Autotaxi. Sonst ist tatsächlich nichts Erwähnenswertes passiert. Der Verkehr in Kathmandu funktioniert im wahrsten Sinne des Wortes reibungslos.

Mittwoch, Juni 18, 2025

Nachwuchs

Die meisten Katzen sind aus der Siedlung verschwunden. Warum auch immer. Wohin auch immer. Tom kommt und geht, sieht zerzaust und verlaust aus, bleibt oft tagelang weg. Also hat er keinen Hunger. Wenn er da ist, bekommt er Futter. Das weiß er mittlerweile. Ich habe das Gefühl, dass er einsam ist. So ganz allein. Kürzlich sah ich zwar eine seiner stahläugigen Schwestern, aber sie machte wie immer einen großen Bogen um unser Haus. Heute früh, auf dem Heimweg vom Laxmibaum, mit einem Beutel voller grüner Maldas (die besten Mangos der Welt!) in der Hand kam sie gerade aus dem Vorgarten der Nachbarn. Hinter ihr eine pelzige Kugel, wackelig auf den Pfoten und noch schüchterner als die Mutter! Was ich immer schon vermutete, oder worüber ich mich ständig wunderte. Warum diese wilden Katzen auf dem Hill sich nicht explosiv vermehren. Seit 7 Monaten das erste Kätzchen! Mama ließ sich in meinen Hinterhof locken und fraß freudig Toms Frühstück auf. 

Dienstag, Juni 17, 2025

Ochs und Eule

Goru ra Ullu. Guru ist der Lehrer, Goru der Ochse. Goru werfen die Gurus in Nepal ihren Schülern als Schimpfwort an den Kopf. Du dummer Ochse, du! Du fauler Ochse und so weiter. Auch die Eule wird in diesem Zusammenhang gerne quer durch das Klassenzimmer bis in die hinterste Ecke geschleudert. Als Wort, versteht sich: ullu. Eulen - Ullus gelten hier als hinterlistig, träge und verschlafen. Auf dem Hill kommt das Anfangs-U von ullu am frühen Morgen als einer der dreizehn Vokale in mein Schreibheft. Mitten hinein. Mein Guru lässt mich noch einmal alle Vokale von hinten aufsagen und aufschreiben. Das Ullu-U steht unverändert mittendrin.  

Das würde nicht vielen gelingen, sagt er, diese volte rückwärts. Ich nehme es als seine Freundlichkeit. Ich kann auch rückwärts laufen und trainiere regelmäßig rückwärts zählen. Mittlerweile auch in nepali. In Europa, sage ich, tragen wir Eulen nach Athen oder schuften wie ein Ochse. Ochsen mögen einfältig sein, aber sie sind stark. Eulen sind klug und weise, gehören natürlich auf den Olymp, als Attribut der Göttin Athene. Mittlerweile zieren sie jeden zweiten Buchladen in jeder Kleinstadt, jeden Buchverlag und sozusagen jedes Lesezeichen. Eulen sind nachtaktiv wie Leseratten. So weit komme ich aber nicht mit meinem Latein. Weder in nepali noch in english. Denn jetzt gerade, wenn wir unsere Stunde anfangen, verstecken sich die Ullus in den dicht belaubten Bodhibäumen rund um die Tempel und schließen die gelben Eulenaugen. Sie schlafen den Schlaf der Gerechten, bis es wieder dunkel wird. 

Montag, Juni 16, 2025

Alphabetisierung

Es ist nie zu spät und nie zu früh. Mit dem neuen Monat Asar, seinem zweiten Tag, einem Sombaar (Montag), nach meinem freien Aytabaar (Sonntag), beginnen pünktlich um 6 am die Privatstunden unter dem Dach. Ich habe mir ein White Board ins Haus liefern lassen, mit Duster and Marker. Mein neuer Lehrer muss zuerst Nägel in die Wand schlagen und nun lerne ich lesen und schreiben. Jeden Tag von 6 - 7 am. Es ist nie zu spät und nie zu früh. 
Dies ist meine erste Lektion. 12 Vokale. Den Dreizehnten brauche ich nicht zu lernen, da er nur im Namen eines Heiligen vorkommt: Risi (ऋषि)
Aber meinen eigenen Namen lerne ich schreiben und fühle mich ein bisschen wie die afghanische Mutter auf Hooge im Winter 2016. 


Sonntag, Juni 15, 2025

Regen

Der erste Asar. Seit dem frühen Morgen ergießen sich Sturzbäche über mein Dach. Als ich mich in der Nacht auf den warmen Boden auf dem Dach legen wollte, vertrieben mich sofort ein paar zaghafte Tropfen. Ich wollte nichts riskieren und ging also brav ins Bett. Die Regentropfen fallen hier viel größer und mächtiger vom Himmel und entwickeln sich flott zu Sturzbächen. Nun kann ich nicht einmal zu meinen Laxmibaum laufen. Ich bleibe also brav zu Hause und schließe alle Fenster. 

Samstag, Juni 14, 2025

gate - taarikh

kati gate ho oder kati taarikh ho? Das ist hier die Frage. Es gibt nicht nur verschiedene Wörter für die verschiedenen Zeiten und Dimensionen. Es gibt auch verschiedene Wörter für das Wort Datum. Will ich sagen, dass heute der letzte Tag des Monats Jeth nach der neuen Schreibweise (Jestha nach der alten) ist - kann ich das natürlich nicht, weil mir das Vokabular und der syntaktische Verstand fehlen. Will ich aber nach dem heutigen Datum fragen, kann ich das und beherrscho sogar beide Varianten: "aaja kati gate ho?" erfragt das Datum im nepali calendar. Darauf lautet die korrekte Antwort: "aaja jethko 31 gate ho". Heute ist der 31. Jeth [des Jahres 2082]. Hingegen fragt: "aaja kati taarikh ho" nach dem Datum in der westlichen Welt. Darauf antworte ich wahrheitsgetreu: "heute ist der 14. Juni [2025]". Der zweite Tag des Monsuns. Freitag der Dreizehnte ist spurlos vorübergezogen. Ich habe auf dem Dach geschlafen. Sonne seit dem frühen Morgen. Zeit für die Waschmaschine. 

Freitag, Juni 13, 2025

bistarai, bistarai

Offiziell fängt heute der Monsun an. Einen Freitag den Dreizehnten kennt man hier nicht, heute ist der 30. Jeth. Niemand ist in diesem Land abergläubisch. Alle glauben nur an ihre Götter. Seit dem Unwetter am Dienstag hat es kaum mehr geregnet. Die neuen Bäume pflanze ich trotzdem am Morgen in der schwülen Hitze ein. Schweißgebadet. Ab dem Mittag ist lang anhaltender Regen angesagt. 

Tatsächlich muss ich am Nachmittag zum ersten Mal einen gadichalak rufen, einen Cardriver und in dessen Car-Taxi durch den strömenden Regen nach Thamel fahren. Ein zwar trockener, aber langweiliger letzter Schulweg. Ich habe schon viele heiße Tränen vergossen, weil mit dem letzten Schultag im language hub in Thamel mein schon zur Sucht gewordenes Bikefahren durch die Stadt überflüssig wird. Pranai bringt zum Abschied bistarai bistarai (slowly, slowly ...) und verweist auf Fuzzscape. Mit deren productions kann ich durchs ganze Land reisen. In entlegendste Täler vorstoßen und vergessene Gesänge und Instrumente (wie die Sarangi) kennenlernen. Im Trockenen, an meinem Schreibtisch, schwitzend unter dem Dach. Pranai unterbricht meine Träumereien und erklärt mitten in der Stunde strahlend: I have good news, we will have 3 more classes ... jede Träne überflüssig und jeder Abschied ein Hohn! Kein Regen auf dem Heimweg. Ich verpflichte black&red Hero für eine weitere halbe Woche. Sombar, Mangalbar, Budhabar