Montag, Dezember 22, 2025

Der Zweitheater

Alle Jahre wieder  ... dies ist kein 2-(Personen-)Theater, sondern der 2. Heater im Haus auf dem Hill. Unser letztjähriger Halogenheater wärmt und leuchtet immer noch unverdrossen vor sich hin. Mir aber macht sein grausiges Licht schwer zu schaffen - mitten an einem halbsonnigen, diesigen Tag. Ich sehe fast nichts von den Häusern der Stadt und schon gar keine der Hügel, vielleicht trübt Smog schon am frühen Morgen meine Sicht, oder aufsteigender Nebel oder Rauch. In meinem Zimmer unter dem Dach wird es tagsüber nicht mehr wärmer als in der Nacht. So kann ich nicht arbeiten. Die Gedanken gefrieren auf dem Weg vom Hirn in die Hand. Der Weihnachtsbaumheater verströmt zwar so etwas wie wohlige Wärme, aber auch Gift für die Augen und die Seele. Ich verfluche ihn, schalte ihn aus, laufe die Treppen hinunter und aus dem Haus hinaus, hinaus aus der guarded community, hinaus auf die laute Golfutar und überquere sie. Schweratmend erreiche ich um die Ecke, um die gegenüberliegende Ecke unseren sozusagen community-eigenen CG-Shop und hole mir den Zweitheater, made in Nepal, without light!, flehe ich den Verkäufer an und er versteht, was ich meine. Ich habe und bekomme hier tatsächlich alles um die Ecke. 

Und trage stolz meinen edlen stummen Diener nach Hause, die Treppen hoch, danke mit Blick aus dem Fenster auf meinen kleinen Tempel Shiva für das eine Jahr Garantie, für die drei Heizstufen und das Thermostatsystem, das voraussetzt, dass der stumme Diener mit einem Temperaturfühler ausgestattet ist. Ich höre mein Herz klopfen, während ich das Ende des Kabels des Zweitheaters mit der Steckdose am Boden verbinde. Und erwartungsvoll warte.

Stille. Kein Knistern, kein Qualm, kein Rauch. Kein Kurzschluss. The heater is heating. The show can go on ...

Sonntag, Dezember 21, 2025

Wintersonnenwende

Wintersonnenwende und Worldmeditationday. Die Vereinten Nationen haben vor einem Jahr letzteren ausgerufen (auf Initiative natürlich Nepals und Indiens, aber auch Liechtensteins, Andorras, Mexikos ua) und auf den 21. Dezember festgelegt. Das Datum wurde natürlich mit Bedacht gewählt, sei doch der Tag der Wintersonnenwende prädestiniert (auspicious wie die Hindus hierzulande sagen würden)  für innere Einkehr. 

Für Nepal hat sich in New York Swami Anand Arun stark gemacht, der Gründer des Osho Tapoban Zentrums in den Nagarjun Hügeln im Westen der Stadt. तपोवन - Tapoban ist ein ruhiger Ort im Wald, geeignet für Besinnung und Zusichkommen. Das Wort setzt sich zusammen aus तप tapa - Schwerstarbeit im körperlichen und spirituellen Sinne; und वन ban - Wald. Und Osho ist ("never born, never died, only visited this planet earth between dec 11 1931 and jan 19 1990) der indischer Guru schlechthin, anderswo als Bhagwan bekannt, "Master of masters".

Hier gibt es pictures vom Wintersonnenwendenmeditieren in Kathmandu.

Samstag, Dezember 20, 2025

Tol Lhosar

courtesy to Hamro Patro 
Neumond und Neujahr, das älteste und erste Neujahr aller noch kommenden nepalesischen Neujahre. Ob es diesen Plural im Deutschen so gibt, spielt hier gar keine Rolle. In Nepal gibt es alles, was anderswo undenkbar wäre. Das ist der Vorteil eines Landes ohne Regeln, ohne Grammatik, ohne Pläne, ohne Sprache aber mit vielen Sprachen, ohne Zeit aber mit vielen Zeiten, ohne Kalender aber mit vielen Kalendern, ohne Agenda, ohne Terminplan, ohne Fahrplan, ohne Dienstplan, ohne Eisenbahn, Hochbahn oder U-Bahn, ohne Lokführer und ohne selbstfahrende Taxis. Aber mit festen Traditionen, Gebräuchen, Zeremonien. Heute, an Poush Shukla Pratipada, begrüßen die Menschen in den Bergen, in Humla, Jumla, Dopa, Mugu, Manang, aber auch in Tibet und Bhutan ein neues Jahr. Mit viel Freude und gebührendem Respekt, wie es heißt. Möge der Himalaya ihnen wohl gesonnen sein, mit einer geschlossenen Schneedecke und dem wolkenlos blauen Himmel vom Bild.

Freitag, Dezember 19, 2025

Winter

Tagsüber ist es heiß. Ich putze nun auch alle Fenster von außen. Und die Fliegengitter. Das geht nur bei Sonnenschein und kostet mich insgesamt mehr Zeit und Geschicklichkeit (außen an der Fassade hängend wie eine Cirkusakrobatin) als die Innenreinigung. Sei's drum. Ich schwitze ordentlich und das ist gut für den Stoffwechsel. Sobald die Sonne aber untergeht, wird es ungemütlich. Trotz streifenfreier Sicht in den Abendhimmel und auf die Abendstadt. Ich laufe zu Dragon und stille meinen Hunger mit scharfem roten Curry. Danach will ich endlich - wie von W seit jeher empfohlen - die AC (air condition) in meinem Arbeitszimmer in Betrieb nehmen, im Heiz-Modus, versteht sich. Prompt fliegt mit einem lauten Wumms die Sicherung im Flur raus! Das ist der Sicherungskasten, in dem es kürzlich schmorte. Ich erinnere mich gut an den Elektriker, der pfeifend die Treppen hochstieg und sagte "happy you - no fire!" Die Südwand, an der die AC im Innern hängt, ist immer noch nass. Der Schimmel trotzt all meinen Essigattacken und wächst immer wieder nach. Mal sehen, wer am Schluss gewinnt. Die elektrischen Leitungen liegen wahrscheinlich auch bei uns - wie Nachbarn kürzlich mit Bildbeleg entsetzt auf Viber berichteten - nackt und unisoliert im Mauerwerk. Monsun und andere Naturereignisse hin oder her. Auch die Waschmaschine hängt an einer Steckdose, deren Leitung zu einer immer noch klatschnassen Ecke auf der Terrasse führt. Dort weiß ich mittlerweile, welchen Außenschalter ich besser nicht betätige, da er zuverlässig einen short cut im ganzen Haus auslöst.  

Ich lasse die Hoffnung auf wärmere Innentemperaturen fahren und krieche mit Bells "Kathmandu" unter die Winterdecke. Morgen ist wieder ein heißer Tag! 

Donnerstag, Dezember 18, 2025

Trimurti

Ich muss mir die Götte merken. Bald ist Neujahr. Eines von vielen. Das erste. Ich putze alle Fenster von oben bis unten von innen. Das geht im Nu mit dem aus Deutschland reimportierten Microfaserhandschuh. Den tauche ich in kaltes Wasser und reibe die Scheiben anschließend mit zwei Trockentüchern trocken. Eines nach dem anderen. Fenster. Tücher. Sinnieren. Im Wasser auf Schlangenbetten ruhende Götter. Der kleine schlafende Shiva in Dhapasi Devi ist vielleicht kein Shiva. Ich nenne ihn nur der Einfachheit halber und wider besseren Wissens so. Der Tempel ist laut Inschrift "Shri Hari Vishnu Narayan" gewidmet. Und geweiht. 

Ich frage das Universum und bekomme so ausführliche Antworten, dass ich noch viele Fenster streifenfrei reinigend meditieren muss. Vishnu ist ein und alles. Dafür, dass er auch Lord Hari genannt wird, gibt es Dutzende Erklärungen. Über jede einzelne soll ich nachdenken. Das werde ich über die Jahre auch tun, bei jedem Fenster! Narayan meint den Brahman, die ultimative letzte und höchste Realität. Oder auf den Boden gekommen: den Gott, der im Wasser ruht. Das Om ist die Essenz des Brahman. Narayan ist immer der Gatte Laxmis, in welcher Form auch immer er sich manifestiert. Die erste Form, die Narayan in der materiellen Welt annimmt, ist Lord Vishnu schlafend auf dem Schlangenbett im Milchozean. Daraus hervor gehen andere. Rama. Krishna. Narashima ... aber es gibt die Trimurti, die heilige Dreifaltigkeit oder das Triumvirat des Hinduismus, die drei Formen Brahmans: Brahma der Schöpfer, Vishnu der Bewahrer und Shiva der Zerstörer. Die drei sind untrennbar verbunden im ewigen Zyklus der göttlichen Kräfte.

Mittwoch, Dezember 17, 2025

Länge und Breite

Wieder ein 17. auf unserem Kalender, aber ein 2. auf dem nepali calendar. Bisher war es oft so, dass unser - aber was heißt hier eigentlich "unser"? es war der Abreisetag aus Europa - 17. auf den Nepali 1. fiel. Wieder reist W ab, er fliegt quer über den Himalaya nach Chengdu und wundert sich, dass er bei guter Sicht und am Fensterplatz ein Meer von Felsspitzen unter sich hat. Er wird weiterreisen an einen Ort, von dem ich wieder keine Ahnung habe, dass es ihn gibt und wo er liegt - ungefähr auf gleicher Länge wie Kathmandu, berichtet er, aber nicht auf gleicher Breite. 

Ich will in einem organic shop wonder grains of Nepal bestellen, Kaguno Millet aus Karnali, Buckwheat Fafar ko Chyakhla und dergleichen mehr. Die Lieferadresse soll ich mit Koordinaten eingeben. Die Verknüpfung mit google maps funktioniert in dem Formular nicht. Dort könnte ich meine location einfach anclicken. So aber weiß nur der Himmel wie die latitude und longitude unseres Hills exakt ist. Also mache ich mich zu Fuß auf zur Konkurrenz. 

Dienstag, Dezember 16, 2025

Pus

Der neue Monat im Nepali calendar heißt पौष oder पुष - Paus oder Pus. Schreiben oder lesen ist immer noch Glückssache. Die Inschrift am schlafenden Mini-Shiva in Dhapasi Devi listet vor allem die Spenderinnen und Spender auf - wobei auch die Verwandtschaftsverhältnisse hier reine Glückssache sind. Quintessenz ist der letzte Satz, der besagt, dass "die ganze Shrestha Familie" (das ist doch eine Aussage!) diesen Shri Hari Vishnu Narayan Tempel am 11 Ashoj 2080, an Ananta Chaturdashi (stimmt! hab nachgeguckt) während des Tishi Indajatra Festivals mit einer Pran Pratishta Puja einweihten. 

Es gibt nur zwei Wörter, die ich aus der Inschrift hätte erkennen sollen, müssen, dürfen, weil sie bereits in meinen Grundwortschatz eingegangen sind: नातिनी - natini (Enkelin) und  नाति - nati (Enkel).  Das Datum 11 Ashoj (oder Aaswin) 2080 BS habe ich erfolgreich konvertiert zu Donnerstag, 28. September 2023.

Pran bedeutet "Atem" und Pratishta "Einweihung". Eine Pran Pratishta Puja ist die Zeremonie der Einweihung, bei der dem göttlichen Bildnis Atem eingehaucht wird, es also zum Leben erweckt wird. Schön gesagt und soviel habe ich nach einem Tag intensivster geistiger Arbeit verstanden!