Donnerstag, Mai 01, 2025

1. Mai

Aufatmen. Ein heftiges Gewitter in der Früh, danach viel Regen. Feiertag auch in Nepal. World Workers Day. W kommt so wie er gegangen ist, über Istanbul. Am Nachmittag klart es auf und die Wäsche trocknet im Nu. Wir trinken unter den wieder flatternden buddhistischen Fahnen den ersten sundowner. Ich musste sie im Zuge der Fassadenarbeiten abnehmen, ein paar Farbkleckse haben sie trotzdem abbekommen. Macht nichts. Wir leben in einer bunten Welt. 

Dienstag, April 29, 2025

यो बिरालोको घर हो।

Meines Katers Toms Hütte muss ich ständig vor Angriffen von allen Seiten retten. Alle - die Maler, die Maurer, die Elektriker, der plumber, die Putzmannschaft, die landlady und ihr paffender staff - wollen die verstaubten, schon x mal vom Regen durchnässten und immer wieder getrockneten alten, wie Sätze ineinander geschachtelten Schachteln unter der frisch gestrichenen Außenspüle entsorgen. Und Tom liebt sie! Gerade jetzt im allgemeinen Chaos rund um das Haus mit der magischen Tür, aus der pünktlich um 6 am und 6 pm Futter kommt, sind diese verdreckten und zerbeulten, übereinander und ineinander liegenden Doppel- und Dreiwand-Schlafboxen der einzige Garant für den sensiblen Raufbold, dass er hier weiterhin geduldet und gefüttert wird. 

Pranai korrigiert in der heutigen lesson meinen Satz yo ghar biraloko ho zu yo biraloko ghara ho (this is the cats house) - eine rein kosmetische Verschönerung - und erklärt, nepali people würden Katzen grundsätzlich nicht mögen, weil sie überzeugt sind, dass Katzen Unglück bringen. Nicht nur schwarze. Jede, die deinen Weg kreuzt! Erhobener Zeigefinger unseres Nepaliteachers. Ich lache und erzähle, dass ich in Dithmarschen zwei schwarze Kater hatte. Nun sei ich für deren Fürsorge reichlich belohnt und von Glück überschüttet, eine wahre Glückspilzin in Hattigauda neben dem Shivatempel angekommen. Und natürlich bekommt hier jede Katze und jeder Kater Futter von mir. Um es zu besorgen, nehme ich weite Wege auf mich. 

Unsere Mitbewohner in der Community wollen nämlich die wilden Katzen, die nicht wild sind, sondern sehr häuslich, loswerden. Weil sie - mangels ordentlicher Katzenklos - ihr Geschäft in den Vorgärten verrichten. Wo sonst? Auch mein Vorgarten dient dazu, jetzt, wo das Bambusgerüst an die Nordwand gewandert ist und alle Plastikplanen verschwunden sind. 

Ich baue derweil Kartonhäuser, lerne Wörter und male Buchstaben. Schreibe Geschichten über meines Katers Toms Hütte mit dem schönen Titel:

the cats house - यो बिरालोको घर हो। - Yō birālōkō ghara hō

Montag, April 28, 2025

Doppelregenpellerine

Das Gewitter brachte Abkühlung und eine klare Sicht auf die Hügel im Süden und im Norden. Ein valley - ein Tal ist selbstredend umgeben von hills - Hügeln. Die kleineren Hügel innerhalb des Tals sind um geben von größeren, die sie überragen aber noch keine Berge sind. Denn Berge tragen weiß. 

Am Abend trage ich dunkel. Wir sind spät dran mit unserer lesson, weil wir nicht aufhören wollen, zu lernen. Es fängt an zu regnen, als ich mein Bike besteige. Vor dem Ambassador (=Hotel) hält mein driver an und sagt raincoat. auch ich muss absteigen, denn der double layer bike raincoat liegt schön verpackt im Fach unter meinem Sitz. Er passt - zu meiner übergroßen Überraschung - über unser beider Köpfe. Auch das muss ich nun zuerst lernen, wie ich darunter komme und den Kopf mitsamt Brille und Maske oben wieder herausstrecken kann. Zu sehen ist eh nichts. Wir brausen die Lazimpat hoch, sausen im letzten Moment (unsere Grünphase ist bereits unter Null abgelaufen) über die Ringroadkreuzung und weiter auf die Golfutar. Ein herrliches Gefühl im strömenden Regen!

Hier gibt es eine Anleitung: how to wear a 2 person motorcycle poncho in Kathmandu!

Sonntag, April 27, 2025

Mata Tirtha Aunsi

Aunsi = Neumond. Heute ist der erste Neumond im Monat Baisakh, dem ersten Monat des neuen Jahres 2082. An diesem Neumond wird der Mütter gedacht, aller Mütter, der lebenden und nicht mehr lebenden. Aamako mukh herne din. Das verstehe ich fast vollständig: aama = Mutter, mukh = Mund (manche benützen das Wort auch für das ganze Gesicht), ko = so etwas wie Genitivpartikel (ich beginne allmählich die Syntax zu verstehen, Pranai weigert sich standhaft, uns mit Grammatik zu langweilen), herne wahrscheinlich vom Verb hernu für (an)sehen, betrachten, frei übersetzt vielleicht auch "besorgt sein um" oder "seligen Gedenkens", din = Tag. Der langen Rede kurzer Sinn: Muttertag. Das Gesicht der Mutter ansehen (verehren) zum Dank für alles, was sie für uns getan hat.

Ich bin keine Mutter, auch keine Großmutter. Auf dem Hill gibt es unglaublich viele Kinder. Sie freuen sich immer, wenn sie mich sehen. Alle Kinder in diesem Land freuen sich, wenn sie foreigners sehen. Und alle Kinder lachen auch ganz ohne Grund. Es ist nun bereits mein sechster Neumond hier, und der zweite Neumondsonntag. Von diesem Sonntag habe ich Kinderlose so viel, dass über meinem Kopf wieder geklopft und gehämmert wird, unten auf dem Rasen wieder Steinplatten zugeschnitten werden und ein Gewitter über dem Valley aufzieht, das hoffentlich Abkühlung bringt. 

Samstag, April 26, 2025

Sanibar

Sanibar ist Samstag in diesem Land. Und sansaara ist die Welt. Freitag, sukrabar, gilt als der glücklichste Tag, weil er der letzte Arbeitstag der Woche ist, vor dem freien Samstag.

W fährt gerade mit einer Probebahncard und einem papierlosen Ticket auf dem DB Navigator von Frankfurt nach München. Ist das nicht absurd? Ich habe all diese Apps längst gelöscht und wüsste nicht einmal mehr, wie Zugfahren geht. 

Ich genieße den freien Samstag ohne Bike, aber bis Montag wird die Sucht danach wieder ungestillt sein. Weil Freitag der glücklichste Tag der Woche ist, bekommen wir von Pranai immer einen Song vorgesetzt. Gestern war es phoolko aankhama (in the eyes of flowers) - gesungen von der buddhistischen Rock-Star-Nonne Ani Choying Drolma, hier mit english translation. 

Freitag, April 25, 2025

10

Die Zahlen geben keine Ruhe. Heute vor 10 Jahren erschütterte das sogenannte Himalaya-Erdbeben Nepal. Das Epizentrum lag rund 80 km nordwestlich von Kathmandu. Stärke 7.8! Bis Mitte Juni folgten mehrere und heftige Nachbeben. Kathmandu und das Valley waren am schlimmsten betroffen. Neuntausend Menschen starben, fast eine Viertelmillion wurde verletzt, mindestens eine halbe Million Häuser beschädigt oder zerstört. 

Ich kann mich hier den Gedanken an Erdbeben nicht entziehen. Seltsamerweise bin ich froh, dass wir damals in Tsukuba von einem Erdbeben aus dem Schlaf gerissen wurden. Damals wusste ich nicht, wie mir geschieht - beim nächsten Mal, denke ich jetzt, weiß ich wenigstens, was geschieht. Wahrscheinlich ist auch das ein Irrglaube. Und ich bleibe gelassen. Jeden Tag auf dem Bike nach Thamel denke ich an Natasza G., die damals, heute vor zehn Jahren um die Mittagszeit, in einem Taxi in Kathmandu saß und eine Freundin im Norden der Stadt treffen wollte. Sie beschreibt in ihrem - hier schon mehrmals erwähnten, leider nur polnisch erhältlichen - Buch Tam eindrücklich, wie diese Taxifahrt endet. Daran denke ich regelmäßig, wenn ich über die Ringroad nach Süden brause, hinten auf einer Yamaha, Honda, Bajaj, TVS oder wie sie alle heißen, diese schwarzen, blauen oder roten zweirädrigen Wunderfortbewegungsmittel. Ungeschützt, wie alle Mitfahrenden. Ich bleibe, wie gesagt, gelassen. Dann ist es so. Ausgerechnet heute fragt mich mein freundlicher driver: Are you in a hurry or can we drive slowly?

I am not in a hurry. Never again, I will be in a hurry. Derzeit lerne ich am meisten auf meinem Schulweg. Ich glaube, das war schon in der frühen Kindheit so. Heute geht die 5. Woche zu Ende.

Donnerstag, April 24, 2025

dash hajar

Das ist wirklich easy. Ich schwimme am Mittag 40 Längen. Sie sind nicht sehr lang, aber das macht nichts. Es geht um das zählen - egal in welcher Sprache. Zählen schafft Ordnung. Sortiert die Gedanken im Hirn wieder in die Schubladen zurück, aus denen sie entflohen sind. Zählen bändigt das Sprunghafte. Bahnenzählen ist wie Bach auf dem Klavier. Mangels Klavier gehe ich nun täglich in den Pool. 

In Thamel werden wir in ein "außen" classroom versetzt. Sehr zur Freude aller foreigners. Mit fans und ohne Nebengeräusche aus den benachbarten chinesisch-, französisch-, englisch- oder gar deutsch-language-classes. Wir lernen endlich ganz normale Sätze sagen wie: Haami kushi chau (we are happy)!  

Zehntausend sind einfach zehn mal tausend: dash (10) hajar (1000). Eintausend sind ek (1)  hajar und Fünftausend (eine Füllung unseres Wassertanks auf dem Dach) paanch hajar. Mal zwei ergibt besagte dash hajar.