Freitag, Dezember 26, 2025

Gohoro

Die Mopeds stehen wieder dicht an dicht. Das ist beruhigend, es wird wieder voll gearbeitet. Die westliche Welt feiert boxing day oder Stephanstag. Stephan ist der Protomärtyrer der Christenheit. Und der boxing day geht auf das Öffnen der Almosenboxen zurück. Nicht auf den Boxsack, den unsere Nachbarn im Außenbereich vor das Wohnzimmerfenster hängen ließen. Für ihre hyperaktiven Jungs und die Helikoptermama. Die hat die Kontrolle vom Sofa aus im Schatten. Sonne meiden die Frauen hier wie der Teufel das Weihwasser.

In der Zeitung lese ich, dass in den Sundarbans, den Mangrovenwäldern von Westbengalen eine Fischkatze, in der Gegend auch Fischtiger genannt, eines schönen Julimorgens zufällig vor die Kamera eines Naturfotografen lief, mit einem beträchtlichen Waran (monitor lizard oder locally gohoro) im Maul. Das ist ein eidechsenähnliches Schuppenkriechtier, bis zu 3 Meter lang werden. 

Die Naturschützer begeistert (so etwas gab es noch nie!) und besorgt: warum die Fischkatze, die eine ausgezeichnete Schwimmerin ist und sich, wie ihr Name sagt, normalerweise von Fischen ernährt, an Land jagt. Warum sie am hellen Morgen jagt. Warum sie ein riesiges Schuppentier mit sehr harter Haut, die dessen Name sagt, erlegt und mit sich herumschleppt, an dessen zartes Fleisch sie nur mit großem Energieaufwand herankommt. Die Naturschützer und Naturfotografen schließen daraus, dass das Tier sehr hungrig gewesen sein muss. Es bekam in der Nacht nicht genug Fische in den Magen.

In meinem Garten erlegte kürzlich eine meiner wilden Hauskatzen eine Schönechse. Und rührte sie nicht weiter an. Vielleicht war der Panzer auch zu hart. Oder das Fleisch zu wenig. Die Mühe lohnte nicht, denn es ist allemal einfacher, sich vor meiner Küchentür anzustellen und zu lauthals nach Futter zu miauen.

Donnerstag, Dezember 25, 2025

brinjal

Feiertag in meinem nepali calendar. Christmas Day. Im Sinne der Toleranz in einem bis vor kurzem von Marxisten, Leninisten und Maoisten regierten einstigen einzigen Himalaya-Hindu-Kingdom. 

Das Mopedparking ist halbvoll. Also ist die halbe Belegschaft der Budhanilkantha Municipality vor 10 am zur Arbeit erschienen. Vielleicht doch kein public holiday. Auf der Golfutar reger Betrieb wie immer. Am Tempel auch. Ganesh ist aus dem Laxmibaum verschwunden. Entweder hat er sich in das Innere der vielen verschlungenen Stämme verkrochen oder überhaupt aus dem Staub gemacht. Göttern steht nichts im Wege.

Wieder zu Hause lese ich die wunderlichsten Dinge. Kürzlich habe ich bei dragon von der neuen Speisekarte das Wort eggplant gelernt. Wir bestellen alles, was neu aus der Küche kommt. Seither verzehren wir alle paar Tage einen ganzen Teller voll hervorragender eggplants (Auberginen). Nun lese ich in einem hinduistischen Internet-Forum, dass Sri Krishna eggplants dermaßen verabscheut haben soll, dass er auch alle Leute mied, die eggplants essen. Hoho, denke ich, das betrifft ja mich höchstpersönlich! Und verfolge die Kommentare. Blanker Unsinn, lese ich, ein Gott stehe über aller Materie, also auch über Gemüse jeglicher Art. Ein Gott verteile keine likes oder unlikes (ha! sprich: ein Gott hasst nicht und liebt nicht!), wer bloß so crazy sein könne, so etwas zu behaupten ... Und ganz nebenbei lerne ich, dass eggplant in indianenglish bringal oder brinjal heißt.

Mittwoch, Dezember 24, 2025

Quellen

Zur Feier des Tages ein Exkurs über Steckdosen. Wir hatten schon Stromausfälle, Kurzschlüsse, black outs und vor sich hin schmorende Sicherungskästen. Nun wenden wir uns den Quellen zu, von denen unsere Geräte ihren Strom im Haus beziehen. Damit der Strom fließt, müssen die Steckdosen eingeschaltet werden. Das gibt es anderswo auch.

Hier eine Paradebeispiel aus der Küche. An der rechten Dose hängt normalerweise der Wasserkocher, für den linken brauche ich einen Adapter, wenn ich die Bosch-Kaffeemühle, die W kürzlich von einer Reise mitbrachte mit einem Stromkabel, das an einem englischen Stecker endet, in Betrieb nehmen will. Dadurch wird die Wand etwas bunter.

Die "normalen" (wie ich einst in meiner Unschuld dachte) nepalesischen Steckdosen hingegen sind schlicht dreipolig. Dafür habe ich in meiner Einfalt in Europa auf Vorrat mehrere Adapter besorgt, die mir jetzt wenig nützen.

Unsere heater - der dritte ist, wie auch der zweite, ein Produkt der CG - Chaudhary Group ("multinationaler Mischkonzern mit Sitz in Nepal") - können nicht an diese "normalen" Steckdosen angeschlossen werden. Sie sind mit nepalesischen Sicherheitssteckern (wie zB auch die Mikrowelle und die Waschmaschine) ausgestattet, die oben in der Mitte einen dickeren Stift haben und nur in Steckdosen wie im Paradebeispiel links (s.o.) passen. Außerdem haben diese nepalesischen heater ein relativ kurzes Kabel. Auf Knien suche ich  die Räume nach passenden Steckdosen ab. Verlängerungskabel für diese dicken Sicherheitsstecker gibt es nicht. Jedenfalls nicht in meiner Laufnähe, wo es sonst alles gibt.  

Das offene Zimmer im ersten Stock, die Bibliothek, ist vor Wochen zu Ws Arbeitszimmer mutiert (aus Gründen, die ich nicht zu wiederholen brauche). Es muss nun zur Feier des Tages ummöbliert werden. Die einzige Steckdose, von der der Drittheater Strom zapfen kann, befindet sich hinter dem mächtigen Sofa, das zur Grundausstattung des Hauses gehört. Die andere sitzt unter der Decke, neben dem Fenster. Die Stromleitung dorthin ist wahrscheinlich vorsorglich für eine AC gelegt worden, die aber nie angeschafft wurde. Den heater in die Luft zu hängen scheint mir unzweckmäßig. Der kann nämlich rotieren und verwirbelt so die Wärme besser. Er ist aber kein Deckenventilator und in der Verpackung habe ich keine Aufhängevorrichtung gefunden. Eine dritte, "normale" nepalesische Steckdose, in die der heater-Stecker eh nicht passt, entdecke ich in der hinteren Ecke. Jemand hat in das linke untere Loch eine Schraube eingedreht, so dass gar kein Stecker mehr eingesteckt werden kann. Was das bedeuten soll, frage ich mich lieber nicht, und schiebe kurzerhand das zweiteilige Sofa, den Schreibtisch, das kleine Bücherregal, zwei Kisten mit CDs, die niemand hört, den Stuhl, den Tisch, einen Papierkorb und den chinesischen General, der über alles wacht, einmal im Halbkreis. So dass jedes Teil an der jeweils gegenüberliegenden Wand zum Stehen kommt und das Zimmer nun spiegelverkehrt aussieht. Der heater hat freie Bahn und die Sonne kann untergehen. 

Dienstag, Dezember 23, 2025

Goldschatz

W kommt am Mittag zurück aus einer kalten Schneelandschaft und sagt: "Hier ist  ja so warm!". Mit "hier" meint er Kathmandu. Hier ist "jetzt" tatsächlich warm. "Jetzt" meint Mittag, früher Nachmittag. Am Abend besorgen wir auf dem Weg zum Dragon einen Drittheater (das Theater zu Dritt wäre ein Dritttheater).

In meinem Goldvreneliland gibt es immer mal wieder einen Goldvrenelirausch. Kürzlich entstand daraus ein handfester Goldvreneliskandal. Wie jeder andere ging auch dieser Skandal unbemerkt an mir vorbei. Nun aber wurde ein Goldschatz gehoben in einem Wald, in dem ich als Kind herumgesprungen bin. Das elektrisiert natürlich bis in die hinterste Ecke der Welt. Im Bärenfelser Moor, etwas oberhalb unseres einstigen Lieblings-Sonntagsausflugsziel wurden zwei keltischen Goldmünzen gefunden, ein "Stater mit 7,8 Gramm" und ein "Viertelstater", wie meine Baselbieter Archäologen berichten. Ein Schatz gehört in der Schweiz immer dem Kanton, in dem er gehoben wird und nicht den suchenden und grabenden Spähern. Diese waren ehrenamtlich, aber gezielt unterwegs im Auftrag der Archäologie Baselland. Im Rahmen einer Nachuntersuchung sollte das Umfeld in der Flur Bärenfels abgesucht werden, wo vor zwei Jahren bereits ein Silberschatz entdeckt wurde, 34 keltische Silbermünzen. So ganz überraschend kam also der neue Goldschatz nicht zum Vorschein. Das Bärenfelser Moor war vermutlich für die Kelten ein Naturheiligtum, die gefundenen Münzen wahrscheinlich Weihegaben für die Götter. Eine schöne Geschichte, die jetzt zu Weihnachten das Licht der Welt erblickt, obwohl die beiden Goldmünzen bereits zu Ostern ausgebuddelt wurden.

Montag, Dezember 22, 2025

Der Zweitheater

Alle Jahre wieder  ... dies ist kein 2-(Personen-)Theater, sondern der 2. Heater im Haus auf dem Hill. Unser letztjähriger Halogenheater wärmt und leuchtet immer noch unverdrossen vor sich hin. Mir aber macht sein grausiges Licht schwer zu schaffen - mitten an einem halbsonnigen, diesigen Tag. Ich sehe fast nichts von den Häusern der Stadt und schon gar keine der Hügel, vielleicht trübt Smog schon am frühen Morgen meine Sicht, oder aufsteigender Nebel oder Rauch. In meinem Zimmer unter dem Dach wird es tagsüber nicht mehr wärmer als in der Nacht. So kann ich nicht arbeiten. Die Gedanken gefrieren auf dem Weg vom Hirn in die Hand. Der Weihnachtsbaumheater verströmt zwar so etwas wie wohlige Wärme, aber auch Gift für die Augen und die Seele. Ich verfluche ihn, schalte ihn aus, laufe die Treppen hinunter und aus dem Haus hinaus, hinaus aus der guarded community, hinaus auf die laute Golfutar und überquere sie. Schweratmend erreiche ich um die Ecke, um die gegenüberliegende Ecke unseren sozusagen community-eigenen CG-Shop und hole mir den Zweitheater, made in Nepal, without light!, flehe ich den Verkäufer an und er versteht, was ich meine. Ich habe und bekomme hier tatsächlich alles um die Ecke. 

Und trage stolz meinen edlen stummen Diener nach Hause, die Treppen hoch, danke mit Blick aus dem Fenster auf meinen kleinen Tempel Shiva für das eine Jahr Garantie, für die drei Heizstufen und das Thermostatsystem, das voraussetzt, dass der stumme Diener mit einem Temperaturfühler ausgestattet ist. Ich höre mein Herz klopfen, während ich das Ende des Kabels des Zweitheaters mit der Steckdose am Boden verbinde. Und erwartungsvoll warte.

Stille. Kein Knistern, kein Qualm, kein Rauch. Kein Kurzschluss. The heater is heating. The show can go on ...

Sonntag, Dezember 21, 2025

Wintersonnenwende

Wintersonnenwende und Worldmeditationday. Die Vereinten Nationen haben vor einem Jahr letzteren ausgerufen (auf Initiative natürlich Nepals und Indiens, aber auch Liechtensteins, Andorras, Mexikos ua) und auf den 21. Dezember festgelegt. Das Datum wurde natürlich mit Bedacht gewählt, sei doch der Tag der Wintersonnenwende prädestiniert (auspicious wie die Hindus hierzulande sagen würden)  für innere Einkehr. 

Für Nepal hat sich in New York Swami Anand Arun stark gemacht, der Gründer des Osho Tapoban Zentrums in den Nagarjun Hügeln im Westen der Stadt. तपोवन - Tapoban ist ein ruhiger Ort im Wald, geeignet für Besinnung und Zusichkommen. Das Wort setzt sich zusammen aus तप tapa - Schwerstarbeit im körperlichen und spirituellen Sinne; und वन ban - Wald. Und Osho ist ("never born, never died, only visited this planet earth between dec 11 1931 and jan 19 1990) der indischer Guru schlechthin, anderswo als Bhagwan bekannt, "Master of masters".

Hier gibt es pictures vom Wintersonnenwendenmeditieren in Kathmandu.

Samstag, Dezember 20, 2025

Tol Lhosar

courtesy to Hamro Patro 
Neumond und Neujahr, das älteste und erste Neujahr aller noch kommenden nepalesischen Neujahre. Ob es diesen Plural im Deutschen so gibt, spielt hier gar keine Rolle. In Nepal gibt es alles, was anderswo undenkbar wäre. Das ist der Vorteil eines Landes ohne Regeln, ohne Grammatik, ohne Pläne, ohne Sprache aber mit vielen Sprachen, ohne Zeit aber mit vielen Zeiten, ohne Kalender aber mit vielen Kalendern, ohne Agenda, ohne Terminplan, ohne Fahrplan, ohne Dienstplan, ohne Eisenbahn, Hochbahn oder U-Bahn, ohne Lokführer und ohne selbstfahrende Taxis. Aber mit festen Traditionen, Gebräuchen, Zeremonien. Heute, an Poush Shukla Pratipada, begrüßen die Menschen in den Bergen, in Humla, Jumla, Dopa, Mugu, Manang, aber auch in Tibet und Bhutan ein neues Jahr. Mit viel Freude und gebührendem Respekt, wie es heißt. Möge der Himalaya ihnen wohl gesonnen sein, mit einer geschlossenen Schneedecke und dem wolkenlos blauen Himmel vom Bild.