Oktober 31, 2024

Kukur Tihar

Zweiter Tag von Tihar. Kukur Tihar. Anbetung der Hunde. In der Stadt leben viele Hunde, Straßenhunde. Polizeihunde. Streunende Hunde. Treue Hunde. Schlafende Hunde. Satte Hunde. Ich habe noch keinen hungrigen Hund und noch keinen bösen Hund gesehen, wurde aber vor einiger Zeit auf einem meiner Spaziergänge von zwei ängstlichen Mädchen in einer staubigen Gasse gebeten, dass ich - ich? ausgerechnet ich? - ihnen Geleitschutz gebe, denn da vorne um die Ecke seien Hunde, vor denen sie sich fürchten. Ich versuchte die Schwarzhaarigen und Schwarzäugigen kleinen Schönheiten zu beruhigen, wie S. mich immer beruhigt: don't worry, nothing happens. Wir kamen dann tatsächlich an einem Rudel gut erzogener Hunde vorbei, die träge im Schatten lagen und sich nicht im Geringsten für uns interessierten. Die Mädchen bedankten sich artig und sprangen erleichtert davon. 

In unseren Twintowers leben Haushunde, die sich stundenlang von Block A nach Block B, von der 12. Etage in die 6. oder 7. kläffend unterhalten. Hunde werden hier als Wächter der Himmelstore verehrt, heute dankt man ihnen mit Ringelblumengirlanden (die die Wächter weniger interessieren dürften) und reichlich Futter. Auf dem Heimweg vom Morgengigong sah ich eine kleine schwarze Katze, auch mit einer sonnenuntergangsgelben Blumengirlande um den Hals. Alle Tiere werden hier geliebt.

Oktober 30, 2024

Kaag Tihar

Schon wieder Feiertag. Eine ganze Serie von Feiertagen steht uns bevor! Heute der erste Tag von Tihar, dem Lichterfest. Und das FrauenFußballFinale. Nepal gegen Bangladesh. Wieder im Dasharat Stadion. Wieder in Kathmandu. Ausverkauft. Ich hätte mich frühmorgens in die Schlange einreihen können. Aber ich ziehe das Sofa vor. Zum ersten Mal in meinem Leben gucke ich ein Frauenfußballspiel in voller Länge. Auf Kantipur-TV. Auf dem Smartphone. Beine hochgelagert. W. in Pokhara auf dem Flughafen. Irgendwo in einer zugigen Ecke. Kürzlich kam er einen halben Tag (= eine ganze Nacht) verspätet an, heute eine halbe Nacht (= ein ganzes Frauenfußballfinale).

Die nepalesische Torhüterin ("our flying goalkeeper") glänzt und patzt. Es reicht nicht für den Titel. 1:2 für Bangladesh.

Heute also Kaag Tihar, der Tag der Krähen. Wer Krähen füttert und ihnen dankt, vermeidet Unglück, denn sie gelten als Boten des Todes. Vielleicht gilt das auch für Tauben. In unseren 12-stöckigen Twintowers werden Tauben exzessiv gefüttert, entsprechend verhalten sie sich. Exzessiv.

Oktober 29, 2024

farbenfroh

Die Vorbereitungen auf Tihar sind in vollem Gange. Die Stadt, die nie dunkel ist - außer bei flächendeckendem Stromausfall - glitzert und glänzt schon seit mehreren Nächten aufgeregt und kunterbunt. Ich kaufe auf dem Heimweg vom Morgenqigong Äpfel und Lotuspflaumen beim Geflügelschlachter. Alles Bio, wie ich zu Hause freudig entdecke. 

Am Nachmittag spaziere ich die laute Lazimpat (wäre das ein Alternativtitel für den blog?) hinunter und kaufe Nagellackentferner und einmal klassisch blutroten Nagellack. Endlich löse ich die letzten Spuren von der Meldorfer Bucht von meinen Zehen. Der nepalesische Nagellack ist effektiver und riecht angenehmer als alles, was ich bisher in meinem Leben benutzte. 

Wie überhaupt die Welt hier erstaunlich wohlriechend ist.

Auch habe ich noch nie Ende Oktober Zehennägel lackiert, weil dann wetterbedingt immer schon Wollsocken oder Regenstiefel angesagt waren. Hier laufe ich nach wie vor entweder barfuss oder in meinen elegantesten Sommersandalen (Vabene, schwarz oder grün, Arche luftig lustig wie mein Bioapfel) herum, die ich jahrelang am Wattenmeer kaum Gelegenheit hatte zu tragen.


Oktober 28, 2024

4:2

Wir sind immer noch auf Wohnungssuche, auch wenn das zuweilen aus dem Focus gerät. Wir sind im 10. Stock in Panipokhari nur übergangsweise. Für mich ist die Höhe oder die Tiefe unter mir immer noch gewöhnungsbedüftig. Die Taubengitter um die drei Balkone vermitteln keinerlei Gefühl von Sicherheit. Gestern also wieder einmal quer durch die Stadt nach Süden, nach Lalitpur. Wohnungen angucken. Die eine war über unseren Erwartungen, die andere darunter. Auf dem Hin und auf dem Rückweg standen wir lange im Stau, auch um das Dasharath-Stadion herum. Die Frauen - SAFF Woman's Championship oder South Asian Football Federation Women's Cup - spielten zwar noch nicht, trotzdem war das Gedränge beträchtlich. Und der Smog atemraubend. Wir werden nicht nach Lalitpur ziehen, wenn W. an der Gate (Global Academy of Tourism and Hospitality Education)  arbeitet. Das ist die Erkenntnis des gestrigen Abends. Mit Husten.

Und die des heutigen Morgens: ich muss den Titel des Blogs ändern! 

Und die Frauen! Das Halbfinale? Nicht dass ich mich mich bisher für so etwas brennend interessiert hätte, aber hier werde ich unweigerlich in den Bann gezogen. Nepal besiegte Indien in einem sensationellen Spiel, das insgesamt für mehr als 80 Minuten unterbrochen werden musste - durch Proteste der Spielerinnen und ihrer Trainer, aggressivem Verhalten der Fans auf den Zuschauerreihen, endlosen Diskussionen rund um die Entscheidungen der referee Om Choki aus Bhutan.

Das Spiel endete mit Penalty-Schießen 4:2 für die Gastgeberinnen. Schaut sie an, die großartigen ladies! 

Oktober 27, 2024

Umstellung

Das bleibt uns fortan erspart: die Qual einer Zeitumstellung. Die Zeiger einer analogen Uhr vor- oder nachrücken. Der Abstand zu Euch hat sich nun um eine Stunde vergrößert. Und wir erfreuen uns weiterhin eines unglaublich blauen Himmels.

Oktober 26, 2024

Ausflug

Babermahal Revisited. Der Versuch eines Ausflugs. Zwei Ausstellungen in der Siddharta Art Gallery. Die Vergangene und die Ongoing.

Dorjee Karmarong: Hidden Valley in the Himalayas - ist eigentlich am 21. zu Ende gegangen, hängt aber noch bis Ende des Monats in abgespeckter Form in einem separaten Raum. Für uns! Weil wir die Vernissage versäumt hatten.

Sundar Sinkhval: SADHANA. Wurde vorgestern eröffnet, was wir auch verpasst haben. Der Künstler ist immer noch anwesend und seine Tochter führt uns durch die Bilder und Götter und Sagen.

Oktober 25, 2024

GPO

Das letzte Paket (ein Päckchen, M) und die erste Briefpost sind eingetroffen. Nach mehr als einem Monat also Normalität. Wir sind erreichbar, auch über traditionelle Wege. Ich lasse mir aber nie wieder etwas schicken, nicht einmal ein Geburtstagsgeschenk. Geschweige denn ein Weihnachtsgeschenk! Ich brauche nichts und der Gang zum GPO (General Post Office) erweist sich als zeitraubend. Pakete müssen abgeholt werden, auch Päckchen, egal ob S oder XXL. Wer die Briefe gebracht hat, weiß ich nicht. Ich bekam sie unten an der Pforte von einem der Security Officer überreicht. Für mich und für W. In einem der Briefe für mich steckt ein frankierter Antwortumschlag. Wo ich den dereinst ab- oder einliefern soll, bleibt ein Rätsel. Ansichtskarten sind noch unterwegs. Feriengrüße. Vom warmen September. Aus dem fernen Westen. Ich melde mich, wenn sie da sind. 

Oktober 24, 2024

GPS

Ich bin schon viele Wege gegangen. Und lande nur selten in Sackgassen. Aber nun meldet mein Smartphone, dass ich meine - oder seine? - mobilen Daten aufgebraucht habe. Ohne googlemaps bin ich draußen auf den Straßen verloren. Drinnen hab ich WLAN. Morgen endet mein deutscher Mobilfunkvertrag. Wieder eine Last (+ eine Nummer!) weniger. Ich lerne, was Sadhain On bedeutet. Always On(line)! Und wie ich das nächste 28-Tage-Paket auf meine nepalesische Nummer geladen bekomme. Easy per Überweisung von meinem nepalesischen Bankkonto. Manche Dinge sind hier viel einfacher als im Rest der Welt. 

Oktober 23, 2024

Umwege

Der Umweg zum Schlüssel - zur Einsicht, dass wir einen zweiten Schlüssel gar nicht brauchen - hat das Gesicht der Stadt verändert und mich aus meinem kühlen Morgentrott befreit. Die Ecke unter der Treppe am Eingang zum Ranibari Forest gleicht morgens um 7 einem wuseligen Markt im Schatten. Alte und junge Frauen, mit oder ohne Kind, mit oder ohne Hund, verkaufen ihr Gemüse und malen die Preise in den Sand. Dazwischen ein Motorrad, über und über behängt mit in Plastik eingepacktem Weißbrot. Weiß der Himmel, wer hier so etwas kauft, denke ich jeden Morgen, ehe ich die Stufen in Angriff nehme. Und der Medizinmann sitzt mit der Personenwaage und dem Blutdruckgerät auf seinem Schemelchen. Umgeben von unverschämt dicken, parkenden wo immer Platz ist, SUVs. Die lassen mich täglich aufs Neue raten, wo denn deren Fahrer sind. Im Wald natürlich! Drehen als jung gebliebene Manager ihre Morgenrunden mit dem Smartphone in der Hand. Das ersten meeting des Tages.

Als ich also gestern rund drei Stunden später noch einmal an derselben Ecke vorbeilief, lag sie bereits in der brütenden Vormittagshitze. Alles verwaist und verlassen und ausgestorben, sogar die Shutterstores auf der anderen Seite der Straße hatten ihr Gemüse weggeräumt und das restliche Angebot hinter Tüchern verhängt. Hochsommersonne. Nicht einmal Kartoffeln oder Zwiebeln geschweige denn lebendige Hühner oder Tee waren mehr zu haben. Kein Mensch weit und breit. Nur um die Ecke hupende Mofas.

Der Wald braucht seine verdiente Ruhe. Vor 8 Uhr ist der Eintritt frei. Damit will die Stadt die Einheimischen ermuntern, sich zu bewegen, etwas für die Gesundheit zu tun, Morgengymnastik zu treiben, frische Luft zu atmen. Und die tun es munter in Gruppen oder allein, laut oder leise, rennend, lachend, telefonierend oder meditierend. Nach 8 kostet der Eintirtt 30 Rs, also kommen nur noch zahlende Besucher, sprich Touristen. Und die lassen auf sich warten, schlafen noch oder sitzen beim Frühstück in Thamel. Die locals sind längst bei der Arbeit, die Beamten sitzen in ihren Büros und die jungen Geschäftsleute auf ihren Mopeds. Ich am immer noch provisorischen Schreibtisch, wenn ich nicht gerade etwas zu erledigen habe, was gar nicht erledigt werden muss.

Oktober 22, 2024

Schlüssel

Am Anfang hatten wir keinen Schlüssel zur Wohnung. Es gab nur einen mächtigen Riegel außen an der Tür, der mit einem Vorhängeschloss festgeklammert werden konnte, so dass die Tür zu war. Zu dem Schloss gab es ein einziges winziges Schlüsselchen. Wir kauften ein neues, etwas robusteres Vorhängeschloss und bekamen dazu 4 auch etwas robustere Schlüssel. Die Anzahl der Schlüssel änderte aber nichts an der Tatsache, dass, wenn eine(r) die Wohnung verließ und den Riegel von außen zuschob und die Tür mit dem Vorhängeschloss verrammelte, der oder die andere in der Wohnung gefangen war und sie nicht verlassen konnte. Die Wohnungstürflügel klappen von Natur aus auf, wenn sie nicht in irgendeiner Art und Weise daran gehindert, sprich verschlossen werden. Ich konnte unmöglich morgens in den Wald gehen, während W. noch schlief, und die Tür sperrangelweit offen stehen lassen.

Dann kam eines Tages die Vermieterin und hörte sich unsere Sorgen an. Sie zog einen klirrenden Schlüsselbund aus der Tasche und siehe da, einer, ein einziger passte tatsächlich in das eigentliche Türschloss. Nun konnte ich die Tür von außen mit dem Schlüssel verschließen, und W. bei Bedarf das Schloss von innen öffnen. Er war also nicht mehr auf Gedeih und Verderb mir ausgeliefert und eingesperrt. Im Gegenteil, er konnte weggehen, wann immer es ihm beliebte, und die Tür von außen mit dem Riegel und dem Vorhängeschloss verschließen, zu dem ich einen der 4 Schlüssel immer bei mir trug. Wir waren also mehr oder minder selbstständig. Umständlich war es trotzdem, dieses Kommen und Gehen mit oder ohne Riegel.

Heute machte ich mich nach dem Morgenqigong im Ranibariforest auf zum Key House Rumba, zu dem mir googlemaps freundlicherweise den Weg wies. Ich wollte nach Dashain endlich einen zweiten Schlüssel anfertigen lassen. Der junge Mann sprang bereitwillig auf und setzte sich an seine Maschine, klopfte und hämmerte kurz, schliff noch etwas nach und überreichte mir das Duplikat. Ich war etwas skeptisch (warum weiß ich nicht - vielleicht ging es mir zu schnell und zu glatt?), und tatsächlich funktionierte der neue Schlüssel an meiner Wohnungstür nicht. Ich konnte ihn zwar in das Schloss stecken, aber nicht drehen. Also lief ich den ganzen Weg wieder zurück. 

Was macht ein nepalesischer locksmith? Er zieht anstandslos die 50 Rs Note, die ich ihm vor ungefähr eineinhalb Stunden gegeben hatte, aus seiner Schublade und überreicht sie mir gegen den falschen Schlüssel. All mein Fragen und Bitten hilft nichts, ob er das Duplikat noch etwas bearbeiten könnte, damit es vielleicht doch funktioniere. Nein, er verscheucht mich wortlos mit einer Handbewegung, mit der man eine lästige Fliege verscheucht. 

Oktober 21, 2024

Pakete

Nun sind alle Pakete im 10. Stock aus dem Aufzug in die Wohnung gekommen. Schief und krumm, zerdrückt, zerrissen, verklebt. Erbärmlich anzusehen, aber angekommen! Fast alles unzerbrochen. Wieder packe ich Dinge aus, über die ich mich jetzt wundere, warum ich sie damals eingepackt habe. Manches war auch nur Füllmaterial. Statt mit alten Zeitungen, habe ich Zwischenräume mit Handtüchern oder Putzlappen gestopft. Ich freue mich wie ein Kind über die Desigual Blumen-Steppweste mit Kapuze. Und über die Postkartentasche aus dem MoMa. Beides hatte ich vollkommen vergessen. So schnell vergeht die Zeit. Noch haben wir tagsüber hochsommerliche Temperaturen und blauen Himmel. Der Mond steht am Vormittag kopfüber am Himmel. Beats FußimSchuh-Foto aus Sevilla '90 kommt unversehrt zum Vorschein!

Nun fehlt nur noch das Geburtstagsgeschenk meiner ehemaligen Nachbarn. Ein kleines Päckchen, nichts im Vergleich zu unseren 20-kg-Bücherkisten. Wartet seit zwei Wochen in Frankfurt auf ein Flugticket. Auf ein Plätzchen in einem Transportbehälter. Auf das Gut zur Fracht. Auf günstige Aufwinde. Auf ich weiß nicht was. 

Oktober 20, 2024

Jangali Thute Kharayo

Sonntag. Arbeitstag. Wir wollten die restlichen Pakete bei der Post abholen. Aber W. ist mit einem halben Tag (= eine ganze Nacht) Verspätung aus Honkong zurückgekommen. Also Ruhetag. Mit Pfeifhase. Kürzlich war in der TKP zu lesen, dass zum ersten Mal in Nepal ein Forrest Pika, ein Forrest-Pfeifhase (Ochotona forresti) einem Wildlife photographer vor die Kamera lief. Und von dem natürlich sofort unwiderruflich ins Bild gebannt wurde. Das geschah vor etwa einem Monat in Sadakpur, im nördlichen Teil von Ilam in der Koshi Provinz an der Grenze zu Darjeeling. Etwa 600 Kilometer südöstlich von meinem Ranibari Forest. Ob der Pfeifhase, den die Nepali liebevoll (für mich trotzdem schwer memorierbar) Jangali Thute Kharayou nennen, es irgendwann bis in die Metropole schafft, ist mehr als fraglich. Der arme Hase mit den kleinen, runden Ohren steht auf der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN (International Union for Conservation of Nature). Der Bestand soll zwar akut nicht mehr vom Aussterben bedroht sein, aber Genaueres weiß man nicht, da die Hasen auch wandern. Hierzulande leben einige Verwandte aus der Ochotonidae-Familie wie der Schwarze Pfeifhase, der Himalayapfeifhase, der Lamapfeifhase, der Schlappohrpfeifhase, der Nubrapfeifhase sowie last but not least der Moupinpfeifhase. Das macht doch Mut! 

Oktober 19, 2024

Der Schrank

So einen Schrank hatte ich noch nie! Bescheiden, schlank, robust. Aus massivem Holz. Dunkel lackiert. Beste Handarbeit! Ich habe fast alles darin untergebracht (worauf ich ein bisschen stolz bin). Bis auf Skiunterwäsche, Wintermütze, Schlafsack und Trekkingrucksack. Diese (vorerst überflüssigen) Dinge könnte ich in einen der leeren Koffer packen und diesen Koffer oben auf den Schrank hieven. Aber das würde den Schrank entweihen und ihm die vornehme Würde nehmen. 

Wie Ihr sehen könnt, hat der Schrank zwei Türen und ist abschließbar. Wozu, weiß ich nicht. In diesem Land gibt es keine Diebe. Wie Ihr nicht sehen könnt, sind im Innern hinter der linken Tür 4 Schubladen, hinter der rechten 2 Schubladen verborgen. Darüber ist die Stange zum Hängen angebracht. Hinter der rechten Tür hängen also an meinen neuen Holzkleiderbügeln längeren Sachen, wie Sommerkleider, Winter- und Regenmantel, hinter der linken Tür Blusen, Jacken, Hosen. So weit so gut.

Das Problem - oder das Wunder? - des schlichten Schranks besteht darin, dass er in der Breite doppelt so viel Platz beansprucht, wie er eigentlich einnimmt. Das mag absurd erscheinen. Aber die Schubladen (sorgfältig assortiert mit Kleidungsstückchen des täglichen Bedarfs wie Unterwäsche, Unterhemden, Strümpfe, solche und andere, T-Shirts, lang- und kurzärmelige, Stofftaschentücher, Seidenschals und Winterschals aus reinem Cashmere, Lederhandschuhe, Lückenbüßer und dergleichen mehr) kann ich an den geschliffenen Glasknöpfen nur aufziehen, wenn die Türflügel vollständig geöffnet sind, sie also eine 180-Grad-Drehung (Volte?) vollzogen haben und exakt im rechten Winkel zu den Schrankseitenwänden stehen. So etwas habe ich meiner Lebtag noch nie gesehen. Geschweige denn gehabt, genutzt! 

Oktober 18, 2024

Wellbeing

Nun fängt das neue Leben an. Mein Thay bietet wieder livestreams an, führt mit Well-Being Qigong 13 Wochen durch den Winter. Er im Deer Park Monastery in Escondido, California. Alle andern irgendwo verstreut in der Welt. Ich in Panipokhari im 10. Stock. Er immer donnerstags, 5 pm PDT (Pacific Daylight Time). Ich immer freitags 05:45 am NPT. Der Start ist perfekt nach Dashain. Der Mond ist noch nicht untergegangen, die Sonne noch nicht aufgegangen! Ich habe (fast) nicht geschlafen.

Week 1: Connect 

Oktober 17, 2024

Kojagrata Purnima

Im Nepali Calendar beginnt heute ein neuer Monat: Kartik 1, Kojagrata Purnima, Katim Punhi; Kartik Snan, Aakash Dip Daan Aarambha. Vollmond und der fünfzehnte, letzte und heiligste, herrlichste Festtag von Dashain. Heute wacht die Göttin Laxmi über uns. Wer die ganze Vollmondnacht wach bleibt (kojagrata soll wörtlich genau das meinen: wer wach ist) wird von Laxmi überschüttet (geduscht, gebadet) mit Wohlstand und Reichtum. Um nicht vorzeitig einzuschlafen, spielen meine Nachbarn die ganze Nacht Karten. 

Ich werde mein Bett verrücken, denn heute kam in mein Zimmer ein Kleiderschrank und ich kann die ganze Nacht den letzten Koffer auspacken. Vorsorglich habe ich - mein neuer Wohlstand! - bei Daraz 36 Holzkleiderbügel bestellt. In Laufnähe fand ich nur Plastik.

Vor genau einem Monat, am 17.9. sind wir kurz vor dem peak des letzten Vollmonds in Kathmandu gelandet, er nahm damals noch knappe 20 Stunden zu. Nun haben wir die beiden Mondphasen in diesem Land einmal durchlebt: zuerst die abnehmende, immer dunkler und unsichtbarer werdende Krishna Paksha, danach die zunehmende, immer heller und sichtbarer werdende Shukla Paksha. Was kann es besseres geben, als umstandslos in den Mondkalender aufgenommen zu werden?

Der Abendhimmel über Kathmandu ist bewölkt, aber nicht einmal das trübt die Stimmung.

Oktober 16, 2024

Chaturdashi

 Der letzte Tag im Ashoj. 30 Ashoj Wednesday 2081. Chaturdashi. So steht es in meinem Kalender. Außerdem: Kojagrat Brat. Oder Kojagrat Vrata. Der Vierzehnte. Der Vorletzte im fünfzehntägigen Dashainfestival. Brat ist auch polnisch und heißt Bruder. Vrata eher südslavisch für Tor. Das Einfallstor.

Auf dem Weg in den Wald kommt mir die ganze Affenbande entgegen. Frohlockend und schreiend jagen sie mit Kind und Kegel über die Dächer. Sie haben eben den Gemüsehändlerinnen ihr Frühstück abgenommen. Es ist nämlich heute auch World Food Day! Da hält sogar die Tageslosung mit: "Besser ein Gericht Kraut mit Liebe als ein gemästeter Ochse mit Hass" (Sprüche 15, 17). 

Am Fuße der Treppe zum Eingang sitzt ein Mann mit einer Personenwaage und einem Blutdruckmessgerät. Er betreut die Nepali, die hier ihren Frühsport treiben. Auf der Waage habe ich noch niemanden gesehen, aber den Blutdruck lassen sich einige der Herren messen. Nach Acht packt die mobile Kriseninterventionsstelle ihre Geräte wieder ein. Dann gehört der Wald den Affen und dem Müßiggang. 

Ich muss zum ersten Mal anschreiben lassen. Ich stecke mir imme nur ein paar Rupies ein. Für alle Fälle. Eigentlich brauche ich nichts am frühen Morgen. In letzter Zeit erledige ich aber auf dem Heimweg meine Tageseinkäufe. Gestern wollte ich Eier kaufen, aber der Mann wollte mir nur 50 (eine ganze Palette) verkaufen. Das ist viel zu viel und wie soll ich die über Stock und Stein und über die laute Lazimpat nach Hause jonglieren?! Es beeindruckte ihn absolut nicht und so kaufte ich ihm ein Büschel grünes Gemüse (Kraut, s.o.) ab. Sehr bitter! Heute also frage ich im nächstgelegenen Shutter-Shop, ob ich zehn Eier haben könne. Kann ich. Also nehme ich halbes Kilo Zwiebeln dazu und fange an, die Noten in meiner Hand aufzublättern. Es bleibt noch etwas übrig und ich greife nach einer riesigen Ingwerknolle. Nun fehlen 10 Rs! Der Kunde neben mir lacht und macht eine eindeutige  Handbewegung. Finish! Pleite. Oh ja! I'll bring it tomorrow, biete ich an. Die Eierverkäuferin strahlt und nickt. Namaste! 

Mich kennt hier längst jede und jeder. Wenn ich die Schuld nicht abtrage, kann ich mich nie mehr blicken lassen.

Oktober 15, 2024

Trayodashi

Der Dreizehnte. Trayodashi. Klingt in meinen Ohren immer noch wie polnisch. Jetzt aber richtig: trzynaście (dreizehn) oder trzynastka (die Dreizehn). Ist trotzdem Sanskrit. Der dreizehnte Tag von Shukla Paksha, von der zunehmenden Mondphase. Kein Feiertag, jedenfalls kein richtiger, aber auch kein richtiger Arbeitstag. Die Straßen sind noch geräuscharm und die Luft am Morgen frisch. Fast fröstelt mich! Mein Gewährsmann S. vertröstet mich auf Freitag. Wir müssen die restlichen Pakete bei der Post abholen, aber: govt officers come back to work on Friday after holiday. Derweil laufe ich hier um die Ecke und kaufe 100 tiefgefrorene Momos. Nach den Feiertagen ist vor den Feiertagen. Sales from the shutter in our Panipokhari Outlet - als ich das entdeckte, war es bereits zu spät und der shutter (Rollladen) über Tage pulled down (geschlossen). 50 veg + 50 chicken. Damit es nicht zu eintönig wird und kleinere Packungen gibt es nicht. Jetzt darf nur der Strom nicht mehr allzu oft oder allzu lange ausfallen. Der Mann an der Truhe ist wie alle an Dashain gut gelaunt. Wie nennt man so jemanden? Mo:Mo-Kleber? Mo:Mo-Falter? There is always a next time, sagt er, after you try it once. Because MOMO=HAPPINESS. Auch oder gerade am DreizehntenTrayodashi. 

Oktober 14, 2024

Dwadashi

Heute ist der zwölfte Tag. Auch wenn ich es nicht verstehe. Und immer noch Feiertag, himmlische Ruhe! Es ist der zwölfte Tag nach Neumond, jedenfalls in Nepal. Und es ist der 28. Tag nach unserer Abreise aus Europa. Also genau zwei 14-Tagestranchen. Irgendwie ist das schon richtig so.

Ich schlafe viel, weil erst jetzt die Erschöpfung der letzten Monate ihr Recht fordert. Es wird früh dunkel, also lege ich mich früh ins Bett und stehe früh auf, laufe schnurstraks in den Wald, steige auf den Berg und gucke in den Himmel.

Dwadashi erinnert mich an polnisch dwadzieścia - was aber zwanzig und nicht zwölf bedeutet. Dwadashi kommt wie fast alles hier aus dem Sanskrit und bezeichnet richtig den 12. Tag jeder Mondphase, also der Shukla Paksha und der Krishna Paksha. Das wissen wir schon. Seit gestern!

Im Wald läuft ein ausgewachsener Affe herum. Vielleicht auch mehrere, aber bisher kam mir nur einer entgegen. Und der umarmte dann lachend einen uralten Baum.

Oktober 13, 2024

Papankusha Ekadashi Brat

Der elfte Tag des vierzehntägigen hinduistischen Festtagsmarathons. Und warum nicht der zwölfte?  In meinem Kalender viele unverständliche Wörter. Papangkusha Ekadashi Brat, Annapurna Yatra, Asan. Chain.

In der Früh zerdeppere ich ein Teeglas. Noch ohne Tee. Fege es mit einer unachtsamen Bewegung von der Anrichte. Kürzlich fiel mir ein Espressotassenuntertellerchen aus der Hand. Scherben dieser Art sind - im Gegensatz zu den verletzungssicher verpackten und verklebten Überresten deutschen Zollkontrollen - eine mittlere Katastrophe, da ich nicht weiß, wie sie zusammenfegen. Einen Staubsauger, den ich in meinem früheren Leben seufzend am Sonntagmorgen zur Hand genommen hätte, gibt es hier nicht. Und mit dem Besen, den meine cleaningladies mit bewundernswerter verve benützen, kann ich nicht umgehen. Nur gut, dass ich gerade allein auf bloßen Füßen durch die Wohnung tigere. Das Glas war eh überflüssig und das weiße Tellerchen, nun ja, passte auch nicht so richtig. Ich hatte zwei typisch braune italienische Espressotassen eingepackt, dazu aber immer schon, der Himmel weiß warum und woher, nur ein braunes sowie ein weißes Untertellerchen besesssen. Besessenheit ist das Zauberwort. Von den unisex (für Kaffee und Tee) hitzebeständigen Henkelgläsern hatte ich auf einer meiner allerersten Einkaufstouren 5 Stück gekauft, obwohl wir zu zweit sind und höchstens, allerhöchstens vier brauchen. Zwei tätens auch. Der ungerade Überschuss liegt nun in tausend feine Splitter zerborsten auf dem Küchenboden. 

Heute soll man früh aufstehen und bis zum Abend fasten. Ekadshi ist jeder 11. jeden Monats und immer ein Fasttag. Es gibt aber 2 Ekadashis pro Monat, weil es zwei Pakshas gibt, Shukla (bright) Paksha und Krishna (dark) Paksha. Das sind die zwei Seiten der Medaille bzw des Mondes. Die beiden Mondhälften, einmal zunehmend, einmal abnehmend, einmal hell, einmal dunkel, einmal sichtbar, einmal unsichtbar. 

So weit so gut. Auf dem Heimweg von meinem Morgenspaziergang kaufe ich einen ganzen Bund dicker, roten Rettiche, sechs an der Zahl, scharf und saftig. Sattvic diet ist heute erlaubt. 

Oktober 12, 2024

Dashain ko Tika

Ich versuche zu verstehen, was ich sehe, was ich höre, was ich lese. Ungefähr in dieser Reihenfolge. Heute geradezu gespenstische Ruhe und ein Leuchten überall! Es ist unglaublich, wie viel Schönheit hier an den unerwartetsten (kein schöner Superlativ, das gebe ich zu - aber so ist die deutsche Sprache) Orten und in den unerwartetsten (dito) Momenten in Erscheinung tritt. Sich manifestiert. Ohne Scham und ohne Kult. Einfach so. Voller Würde. Kürzlich trat meine Nachbarin auf dem 10. Stock aus der Tür und ich war sprachlos in meinem T-Shirt und einer ausgleierten Hose. So geblendet und verdattert, dass ich kein Wort herausbrachte. Ich hatte schon ihren Sohn oder Mann im Aufzug gesehen, der war wie alle und überall, in Eile und jeansblau. Aber die Frau!

In meinem Kalender Bijayadashami (oder: Vijaya Dashami), Dashain ko Tika 2081, Devi Bisarjan. Die TKP (The Kathmandu Post) berichtet: "the Nepal Panchanga Nirnayak Bikas Samiti has declared 11:36 am as the ideal time for receiving tika." Für das gemeine Volk ("common people") ist der astrologisch berechnete günstigste Zeipunkt nicht verpflichtend. Vijaya Dashami gilt von früh bis spät als gesegneter Feiertag. Für Politiker hingegen ein Muss: "For state leaders, however, tika must be received at the specified time as per traditional scriptures, which declare that receiving tika at the auspicious moment bestows divine energy, mantras, and enthusiasm from the gods." 

Sowohl der Präsident des Landes wie auch der Premierminister halten sich an die Vorgaben des committee unter dem Vorsitz von Shreekrishna Adhikar. Präsident Paudel, dessen Palast und die darüber flatternde Fahne ich von meinem vorläufigen Schreibtisch aus sehen kann, empfängt am Nachmittag zuerst officials, danach von 15:30 bis 17 Uhr "common people" bzw. "general public" und verabreicht tika und jamara. Der Premierminister verzichtet aufgrund der Flutkatastrophe von Ende September auf öffentliche Segnungen. Und Begegnungen.

Ich muss nicht alles verstehen, was ich lese, höre oder sehe. 

Oktober 11, 2024

Maha Astami und Mahanawami

Die Kathmandu Post klärt mich auf: heute feiern die Hindus im ganzen Land den achten und neunten Tag des Bada Dashain Festivals. Ich konnte die halbe Nacht nicht schlafen, weil ich Tage, Namen und Daten durcheinander brachte und immer wieder in Gedanken zum Neumond zurückkehrte und von vorne anfing zu zählen. Dass die Nepali nicht gut kopfrechnen können, ist uns schon aufgefallen. Dass alles vom Mond abhängt, auch. Den sehe ich nun schon bei Sonnenuntergang vor dem Fenster von links nach rechts wandern. Heute genau in der Hälfte durchgeschnitten. Die Nächte sind mittlerweile angenehm kühl und hoch im Zenit steht ein einziger Stern. Geweckt werde ich pünktlich von gurrenden Tauben. Riesige Raubvögel kreisen lautlos, aber erst im Laufe des Vormittags. Das ist der Vorteil eines 10. Stockwerks: wir können auf die Vögel hinunterblicken. Allmählich gewöhne ich mich an den Schwindel über dem alles verzehrenden Schlund.

Mein Nepali Calendar for Phone sagt mir an: Maha Astami, Kaal Ratri und Mahanawami. Im Ranibari Forest stehen festlich rot gekleidete Frauen Schlange vor dem Tempel. Sie tragen ihre Opfergaben in glänzenden Schalen, stolz. Die Männer den (Motorrad-)Helm, auch stolz.

Vielleicht ist es die Nacht, die den Tag in zwei (Feier-)Tage teilt. Die Nacht von Maha Astami gilt als Kaal Ratri - the Dark Night, die Schwarze Nacht. Um Mitternacht sollen 54 Büffel und 54 Ziegen rituell geschlachtet, das Blut den Göttern dargeboten, das Fleisch nach Hause genommen und als rasad oder prasad (food blessed by the Divine) zubereitet verzehrt werden. Danach beginnt vielleicht der neunte Tag - oder der läuft die ganze Zeit schon mit, auf einer zweiten Schiene, wie die Eisenbahn: Mahanawami oder Maha Navami - der große neunte Tag [nach Neumond, wie ich mir erkläre], der letzte Tag von Navaratri. Navaratri ist die neuntägige spirituelle Reise, die von Neumond zu Dashain führt. Jeden Tag wird eine der neun Inkarnationen der Göttin Durga angebetet, verehrt und beschenkt. Die Reise endet natürlich mit dem triumphalen Sieg des Guten über das Böse. Dashain kann beginnen, Fleisch darf wieder gegessen werden. Irgendwie macht das sogar für mich Sinn. 

Oktober 10, 2024

Phulpati

Mein Kalender sagt: Phulpati, Nawapatrika Prabesh. Der siebente und zweitwichtigste Tag von Dashain. Nun nimmt das Festival spirituelle Fahrt auf und das öffentliche Leben kommt (fast ganz) zum Erliegen. Das Wort des Tages besteht aus der Blume (phūl) und dem Blatt (pātī). Gestern sah ich einen kleinen, dürren Mann mit riesigen Bananenbaumblättern, sie überragten ihn um mindestens das Doppelte, die er freudestrahlend vor sich her trug. Heute früh wird noch einmal der Müll eingesammelt.

Im Ranibari Forest, im Porpa Ajima Tempel ist viel los. Man huldigt der Göttin Durga sowie ihrer achten Inkarnation, der Göttin Kalratri, die als Symbol der Macht gilt. Sie wird, davon sind alle hier im Wald mitten in Kathmandu überzeugt, die Welt aus der Finsternis ins Licht führen, Frieden und Wohlstand bringen. 

Auf dem Heimweg nehme ich mir ein paar Rankeblumen vom Wegesrand mit. Kaum biege ich von einer Hauptstraße ab, fühle ich mich wie auf dem Dorf. Und da ist alles erlaubt.

Oktober 09, 2024

Dunkelheiten

Mitten in der Nacht wache ich auf und sehe zum ersten Mal zu meinen Füßen eine dunkle Stadt. Endlich, denke ich, schlafen auch die Nepali. Aber natürlich irre ich. Die Aircondition über meinem Bett piepst und brummt kurz, ehe sie sich wieder zur Ruhe begibt. Dies ist das akustische Zeichen in meinem Zimmer, dass der Strom weg war und gerade wieder gekommen ist. Unter mir gehen wie auf Knopfdruck alle bunten Lichter wieder an.

Ohne Strom können wir nicht kochen, obwohl die Küche mit Gasherd ausgestattet ist. Aber der Zünder für die Flamme funktioniert nur elektrisch. Da hilft kein Streichholz, auch für die Mikrowelle nicht. Aber wir können warm duschen. Der mit Gas betriebene Durchlauferhitzer zündet dank zwei dicker altmodischer Batterien. Wir haben 4 Zimmer und 1 Küche, 3 Bäder, 3 Balkone. 4 Gasflaschen stehen rund um die Wohnung verteilt vor den jeweiligen Fenstern in einem stabilen Metallkorb. Für jedes Bad eine. Die für den Herd steht ohne Einfassung auf dem Küchenbalkon. Trotzdem können wir ohne Strom kein Wasser trinken, weil die Filteranlage nicht funktioniert. Der water dispenser reagiert über das touchpad. Wir können zwischen bottle und glas wählen. Aber eben nur, wenn Strom da ist und die Anzeige blau leuchtet. Das Wasser aus dem Hahn sollen wir auch abgekocht nicht trinken. Der Wasserkocher weiß das und kocht ohne Strom nicht. 

Alles andere hatten wir schon (Internet, Waschmaschine, Türklingel).

Für alle Fälle immer Mineralwasser im Haus haben, immer den Wasserkocher mit Trinkwasser vollaufen lassen. Immer den Akkuladestand des Smartphones im Auge behalten. In meinem früheren Leben ging ich damit gedankenlos um und schaltete das Telefon zuweilen absichlich aus. Jetzt plötzlich liegt mir viel daran, nicht ohne Verbindung zur Außenwelt dazustehen. Ich habe meinen Twiek6-Lautsprecher wieder in Betrieb genommen. Nicht um Musik zu hören, sondern als kleine Powerstation. Darüber könnte ich notfalls zweimal mein Telefon aufladen, oder einmal meines und einmal W's. Wir haben 2 stufenlos dimmbare, kabellose desk lamps gekauft. 20 LED mit 3 augenfreundlichen Farbstufen (warm white, white, yellow), aufladbarer Lithium Batterie, USB-Port und -Kabel. Da wir außer dem Küchentisch noch keinen desk besitzen, nehme ich meine Lampe ans Bett und kann dort endlich lesen. Und muss nicht mehr aufstehen, wenn ich schlafen will, um einen Schalter an der Wand zu betätigen, und danach benommen den Weg zurück unter die Decke zu finden, sondern kann vom Kopfkissen aus mit Fingerdruck stepless (long press) dimmen, oder sofort (short press) Dunkelheit herbeiführen. 

Oktober 08, 2024

Peinlichkeiten

Ich habe mir vorgenommen, nichts über die Müh(l)en des Alltags zu schreiben. Es ist hier wie überall. Die eine und andere Peinlichkeit habe ich mir aber schon geleistet. Angefangen mit dem sugar. Über die Vorhänge. Ich wollte - im Herzen pure Schweizerin! - die einst weißen Vorhänge im Wohnzimmer wieder weißwaschen. Ich dachte, ich mache das am besten am Samstag, wenn die cleaning ladies kommen. Dann können sie die Vorhänge abnehmen, Fenster putzen, Sofas wegrücken, alle Ecken auskehren. Und bis sie damit fertig sind, stellte ich mir vor, sei auch die Waschmaschine fertig, und die ladies könnten die staubtrockenen Vorhänge wieder aufhängen. Pustekuchen. Der Strom war weg, bevor sie kamen und blieb weg, solange sie hier waren und noch eine ganze Weile darüber hinaus. Die elektrische Türklingel funktionierte notabene auch nicht, und sie mussten lange an die Tür poltern, bis ich in meiner Einfalt verstand, was das Gepolter bedeutete. Sie kamen nämlich fast zwei Stunden früher als vereinbart.

Am Sonntag dann bekamen wir die Karten für unser zweites Konto. Warum wir zwei, bzw jetzt 4 (jeder 2) Bankkonten haben, ist unerheblich. Ich marschierte also im Abendlicht los, um meine Karte zu aktivieren. Ich erledige hier alles zu Fuß. Ich musste an einem ATM (Automated Teller Machine) meiner Bank zuerst ein OTP (One Time Password) beantragen, was stante pede per SMS auf die bei der Bank hinterlegte Mobilfunknummer geliefert würde, wie die Bankdame erklärt hatte, danach könnte ich mein eigenes Passwort auswählen und die Karte sei Mein! googlemaps führte mich fürsorglich durch verwinkelte Gassen, fernab vom Feierabendverkehr zu meinem Glück! Während ich aber am Smartphone herumfummelte und die SMS checkte, bat mich die Maschine, die Karte zu entnehmen. Ich reagierte, perplex und überfordert, nicht sofort und schwupps - zog die Maschine meine Karte vor meinen Augen auf Nimmerwiedersehen ein. Die Bank neben dem ATM war zu, auch am Sonntag ist irgendwann Schluss. Ich rief in meiner Verzweiflung S. an, unseren Freund und Helfer in allen Lebenslagen. Im Hintergrund tobte der Verkehr. Und S. sagte, was er immer sagt: Don't worry! Nothing happened ...

Oktober 07, 2024

Jahrestag

Ich feiere meinen persönlichen Jahrestag. Der ist positiver, als alle Jahrestage dieser Welt. Das oder der Blog (laut Duden geht beides) "In Lalitpur" existiert seit genau einem Jahr, zwischenzeitlich unter leicht abgewandelten Namen "Na(ch) Lalitpur" oder "Nach Lalitpur". Das war eine meiner persönlichen Wortspielspinnereien, die niemand verstehen muss. Initiiert wurde das Ganze von einem einzigen, simplen, unüberlegten, leichtfertigen und folgenschweren Satz.

Wer A sagt, muss auch B sagen. Vor genau drei Wochen haben wir Europa verlassen. Seither wohnen wir (noch) nicht in Lalitpur, sondern im Norden Kathmandus, in Panipokhari, im B-Wing.

Zur Feier des Tages speisen wir im Walnut Bistro. 6 Gehminuten von unserem 10. Stock entfernt. W. hat dort schon öfters über foodmandu Essen bestellt. Bistro ist irreführend. Wir sitzen draußen, unter einem Blätterdach, unter Bäumen, wie im Wald. Mitten in der Stadt. Im Windschatten der lauten Lazimpat Sadak. Für Kinder gibt es neben Rutsche und Sandkasten auch ein Trampolin, für Gesellschaften einen Saal, für Singende und Tanzende eine Bühne, für Lesende einen Bücherschrank (take one out - bring one in), für uns einen Antimückenfeuerring. Für jeden etwas. Die Damentoilette ist rechts (because women are always right), die Herrentoilette links.  

Oktober 06, 2024

sugar

 Da auch die Kristallzuckerdose unversehrt aus einem der Pakete zutage trat, sowie der silberne Zuckerlöffel mit eingefasstem Bernstein, beschloss ich, Zucker zu kaufen. Es ist das einzige Beste Teil, das ich je besessen, und mitsamt Löffel kein Familienerbstück sondern eine Erinnerung an Warschau der 1980er Jahre. Verzichten wollte ich darauf aus irgendeinem Grund auf keinen Fall, ein Minimum an hirnloser Sentimentalität sei auch mir gegönnt. 

Da sie nun da ist, muss sie gefüllt werden. Ich habe nichts mitgenommen, nur um es in den Schrank zu stellen.

Da wir auf dem peace walk wir immer wieder Tee gereicht bekamen, Tee zum Ankommen in den Klöstern, Tee zum Frühstück, Tee zum Aufbrechen, zuckersüßen, brühendheißen Tee in Metallbechern, an denen ich mir regelmäßig die Lippen verbrannte, schlussfolgerte ich, dass in diesem Land kein Mangel an Zucker ist. Denn: je süßer der Tee, schien mir, desto wohlmeinender der ausschenkende Mönch. 

Da ich seit Tagen vergeblich in mehreren Shops nach Zucker Ausschau hielt, nahm ich gestern meinen ganzen Mut zusammen und fragte eine junge Verkäuferin im Blue Moon: "Do you have sugar?" Dabei kam ich mir unvorstellbar bescheuert vor. Die Dame nickte freundlich, sure! White sugar? One kilo? Sie stupste den Kollegen, der neben ihr stand, an und der rief einem Dritten etwas zu. Dann passierte lange nichts, bis ich nicht mehr an mich halten konnte und nochmals nach dem sugar fragte. Yes, yes, beeilte sich die junge Dame. Und richtig! Im nächsten Moment bog der bisher unsichtbare Dritte hinten um eine Ecke und warf ihr etwas durch den langen schmalen Gang zu. Es traf sie an der Schulter und fiel zu Boden. Sie schrie, schimpfte (vielleicht) und hob das Päckchen auf. Es war mein Kilo Zucker, in eine unbeschriftete Plastiktüte abgepackt, die den Sturz unbeschadet überstanden hatte. Ich bedankte mich artig und lief zur Kasse. 

Da der sugar schön grobkörnig glitzert wie Bergkristall in der Kristalldose, und eine Löffelspitze meinen täglichen Himalaya-Espresso mehr als genug süßt, muss ich hoffentlich in den nächsten Jahren in diesem Land keinen Zucker mehr kaufen.

Oktober 05, 2024

Ficus Religiosa L Moraceae

Ich habe meinen Lieblingsplatz für mein Morning Qigong gefunden. In der Nähe einer riesigen Ficus Religiosa L Moraceae - einer Pappel-Feige bzw. des heiligen Buddhabaums oder Bodhibaums, des Baums des Erwachens der Buddhisten, nicht der Erleuchtung! -, deren verschlungenen Stamm ich vorher dreimal umrunde und berühre. Auf der anderen Seite des Tempelhügels wurde bereits eine Ableger gepflanzt, geschützt von einer robusten Bambusabsperrung und mit einem Bewässerungsschlauch zu Füßen.

Ich habe gelernt, dass hier Berge schneebedeckt sind. Alles andere sind Steigungen, Anhöhen, Hügel oder Wald. Der Schnee macht den Berg zum Berg nicht der Stein oder Fels. In Kathmandu geht es immer wieder auf und ab, aber die Stadt liegt im Tal. Und wenn die Leute über die kommenden Feiertage nach Hause fahren - sie kommen fast alle von weither, von einem Dorf in einer entlegenen Gegend, egal in welcher Himmelsrichtung -, sagen sie: "I'm out of the valley". Das bedeutet, dass sie per whatsapp nicht erreichbar sind. 

Oktober 04, 2024

Selbstversorgung

Da meine japanische Ingwerreibe gänzlich unversehrt aus einem der Pakete wieder zum Vorschein kam, kaufte ich gestern ein prächtiges Exemplar von Ingwerwurzel. Rieb mir zu Hause ein Stück fein und übergoss es mit heißem Wasser und trank den ganzen Abend von dem bitteren Zeug. Heute kann ich merklich besser atmen. 

Da ausgerechnet der "Schindelinschuh" (eines meiner Frühwerke) unterwegs aus dem Rahmen geraten ist, muss ich nun Hand anlegen und Schrauben aufdrehen. Werkzeug haben wir keines mitgenommen, aber W. bekam einst von der Gemeinde Gossau das größte Viktorinox geschenkt, das ich je gesehen und das er aus sentimentalen Gründen nicht zurücklassen wollte. Es steckt in einem Lederetui mit Klettverschluss, das er sich sogar an den Gürtel schnallen könnte, wäre er nicht ständig zu Luft unterwegs. Mit Sägeblättern diverser Größe, die als Waffen oder Brotmesser eingesetzt werden könnten, wenn hier Brot in Laiben angbeboten würde. Sowie einem Kreuzschlitzschraubendreher, der leider nicht in die Schrauben passt, die ich aufdrehen möchte. Vorsorglich merke ich mir, dass es ihn gibt. Und einem Bierflaschenöffner, dessen oberes gerades Ende tatsächlich in die Schrauben am schiefen Rahmen passt. So kommt der Schindelinschuh bereits am frühen Morgen wieder in den rechten Winkel.

Da ich heute Geburtstag habe, wieder atmen kann und alles im Lot ist, gehe ich nun in den Wald. Sauerstoff tanken. Da ich in den letzten Monaten und Jahren unter der Edelkastanie mein tägliches Qigong praktizierte, haben Körper und Geist alles verinnerlicht und brauche ich keine Einflüsterungen von meinem vietnamesischen Thay über youtube mehr. Da wir im Ranibari Forest still sein sollen, sind wir es alle. Lärm ist genug rundherum. Da das Straßenüberqueren nicht mehr zur Sprache kommt, habe ich auch das längst verinnerlicht. 

Oktober 03, 2024

Feiertage

Meine vaterländische Pflicht habe ich gestern schon erfüllt: an der "Reception", die der deutsche Botschafter in Kathmandu anlässlich des "Day of German Unity" im Hyatt Regency gab, teilgenommen. Leider unter denkbar ungünstigen Vorzeichen. Erstens ging ein heftiger Regenschauer nieder, kurz bevor wir aufbrechen wollten. Der Strom fiel aus und das Internet war weg, inDrive nicht erreichbar. Als alles wieder floss, war kein Fahrer verfügbar. Erst nach längerem kam ein freundlicher Nepali, mit dem wir geduldig die Zeit von 18:08 bis 19:45 im Stau quer durch die Stadt verbrachten. Wir erreichten also die Reception, nachdem alle Reden bereits gehalten waren, und die Schlacht am Büffet in vollem Gange war. Es bot deutsche (Sauerkraut und Würste) und italienische (Nudeln tomatenrot oder sahneweiß) Kost an. Nicht prickelnd. Als Bhaltis bekamen alle auf den Nachhauseweg 2 Tüten Haribo, liebevoll mit einem schwarzrotgoldenen Bändelchen zusammengebunden.

Aufgewacht bin ich mit Halsschmerzen und Husten. Ich habe gestern zur besten Sendezeit 97 Minuten lang Abgase vom Feinsten eingeatmet (zuerst erklärte unser driver den Stau mit den heute beginnenden Festtagen, vor denen jeder noch etwas zu erledigen habe, dann klärte ihn ein Kollege, der in der Gegenrichtung unterwegs war - wir standen uns ziemlich lange gegenüber und die beiden konnten sich im wahrsten Sinne des Wortres anhaltend über die momentane Lage austauschen - auf: ein VIP der Regierung sei unterwegs, deshalb viele Straßen gesperrt und überall Verkehrspolizisten im Einsatz, die allerdings wenig ausrichten mit ihren Trillerpfeifen) und lade mir heute zur Feier des Tages einen nepalesischen Kalender auf das Smartphone: Der Mond ist erst kurz nach Mitternacht, um 00:34 neu geworden. Und wir haben den 17 Ashoj Thursday, 2081. Pratipada. Sowie October 03, 2024. Und Ghatasthapana (one of the important rituals of Navratri, it marks the beginning of nine days of festivities), Navratri Arambha, Matamaha Shradda. 

Bis zum nächsten Vollmond wird das Dashain Festival gefeiert. Von den 15 Tagen ist der heutige erste der wichtigste, die Initialzündung sozusagen, gefolgt im Aufstieg vom siebten, achten, neunten und zehnten, gipfelnd natürlich im fünfzehnten. We will see! 

Oktober 02, 2024

Scherben

Von den abholbereiten Dehaels habe ich nur 6 bekommen, W nur 8 - die anderen waren unauffindbar, dafür trugen die starken Männer 1 Paket in den 10. Stock, das gar nicht für uns bestimmt ist. 

Meine Sendungen sehen einigermassen gesittet aus, wenn auch das eine, das wie von der Post schriftlich an den Absender (also an mich in Meldorf, wo ich seit 2 Wochen nicht mehr lebe) mitgeteilt, gemäß § 9a Luftsicherheitsgesetz geöffnet und bis auf die letzte Büroklammer und meine intimsten Aufzeichnungen über die Tide in der Meldorfer Buch durchwühlt worden ist. Never mind. Unser freundlicher Meldorfer Briefträger hat den Brief bei den Nachbarn abgegeben. Und der freundliche Nachbar hat sich von mir die Erlaubnis geholt, ihn öffnen und mir als scan elektronisch schicken zu dürfen. So war ich gefasst auf das Allerschlimmste.

W. hingegen pflegte in Hamburg nie gute Nachbarschaften, so dass er nicht zeitnah unterrichtet wurde darüber, dass sämtliche seiner Pakete geöffnet, durchwühlt, bis ins letzte Detail untersucht, Bilder aus den Rahmen gerissen, Essstäbchen aus den Verpackungen geholt - von einst 12 kamen tatsächlich nur 5 an - also grade mal 1 Paar für uns zwei, und umgepackt (das ist ein Euphemismus: der Inhalt wahllos in einen viel zu großen Karton geworfen) worden sind. Einzig die Scherben kommen sorgfältig mit Pappe und Klebstreifen umwickelt zum Vorschein. Damit kein Zweifel besteht: nichts ging verloren, nur manches leider kaputt. Und einiges kam dazu: ein himmelblauer Kinderregenanzug sowie ein sauber gewaschenes, wunderbar nach Weichspüler duftendes Hoodie, Team Dino, beide Größe 104. 

Oktober 01, 2024

Himalajabülbül

Neuer Monat, neues Glück. Ich habe den Wald entdeckt, direkt bei mir um die Ecke, hinter der Japanischen Botschaft, im nördlichen Teil neben der Thailändischen. Den Ranibari Community Forest. Ab heute gehe ich dort im Morgengrauen laufen, meditieren, nachdenken, atmen, dem Himalajabülbül und tausend anderen Vögeln lauschen, dem Bambus beim Wachsen zusehen. Im 10. Stock ist es schwierig, Energien zu sammeln und gleichzeitig die Bodenhaftung nicht zu verlieren. Auch das Trampolin erweist sich so nah dem Himmel mehr als halsbrecherisch. 

Per heute sind 7 von meinen 9 und 8 von W's 10 DeHaeL-parcels in KTM abholbereit. Wir brauchen 1 Van, 2 kräftige Männer und viel, viel Geduld.